Anzeige wegen Unfallflucht?

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Der Teufel liegt im Detail!

Anzeige wegen Unfallflucht?

Oft bekommen völlig unbescholtene Bürger einen Anhörungsbogen zugesendet, indem polizeilich mitgeteilt wird, dass Sie verdächtigt werden, sich gem. § 142 StGB (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) strafbar gemacht zu haben.

Die Gründe warum Unfallbeteiligte die Unfallstelle nach einem Unfall verlassen, ohne die Feststellung Ihrer relevanten Daten zu ermöglichen, kann viele Gründe haben. Insbesondere wenn Drogen oder Alkohol konsumiert wurden, neigen viele Kraftfahrer dazu, den Unfallort zu verlassen. Andere Motive sind steigende Versicherungsprämien oder das Ansehen in der Öffentlichkeit.

Johannes von Rüden
Partner
seit 2009
Rechtsanwalt
Leipziger Platz 9
10117 Berlin
Tel: 030 / 200 590 770
Web: http://www.rueden.de
E-Mail:
Schadensersatzrecht, Straßenverkehrsrecht, Arbeitsrecht (Arbeiter und Angestellte), Krankenversicherung

Hier werden Detailfragen beantwortet, die in der Praxis eine große Rolle spielen. Es bestehen beim Vorwurf der Unfallflucht verschiedenste Verteidigungsmöglichkeiten. In der Regel wird es ratsam sein, einen Rechtsanwalt mit der Verteidigung zu betrauen, insbesondere wenn es um den Entzug der Fahrerlaubnis geht. Die Angaben in diesem Artikel sind Richtwerte. Regional bestehen große Unterschiede, in welchen Fällen die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt.

Wann droht bei Unfallflucht die Entziehung der Fahrerlaubnis?

Dies ist der Fall, wenn durch den Unfall Personenschäden oder Sachschäden ab ca. 1200 € entstanden sind.

Wann kann man überhaupt von einem Unfall sprechen?

Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort setzt schon begriffsnotwendig einen „Unfall im Straßenverkehr" voraus. Hierbei handelt es sich um ein plötzliches Ereignis im öffentlichen Verkehr, dass mit dessen Gefahren in ursächlichem Zusammenhang steht und zu einem nicht völlig belanglosen Personen- oder Sachschaden  führt.

Wann liegt kein Unfall vor?

  • Ein Unfall i.S.d. § 142 StGB liegt nicht vor, wenn der „ Unfall" geplant war, z.B. absichtliches beschädigen eines anderen PKW
  • Wenn beim Be- oder Entladen ein Gegenstand von einem Lkw auf einen daneben stehenden PKW fällt
  • Wenn Insassen eines auf der Bundesautobahn fahrenden Kraftfahrzeugs einen vor ihnen fahrenden PKW mit leeren Flaschen beschädigen

Was bedeutet Unfall "im öffentlichen Straßenverkehr"?

Öffentlich ist der Straßenverkehr, wenn der Verkehrsraum, in dem sich die Vorgänge abspielen, entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder wenigstens allgemein bestimmte Gruppen von Personen – wenn auch nur vorübergehend oder gegen Gebühr- zur Benutzung zugelassen ist. Vereinfacht heißt das: Öffentlicher Verkehr liegt vor, wenn der Verkehrsraum für jedermann nutzbar ist bzw. wenn er von einem zufälligen Personenkreis genutzt werden kann.

Beispiele:

Öffentlicher Verkehrsraum

  • Privatparkplätze wie: Kundenparkplätze ohne Rücksicht auf die Öffnungszeiten
  • Handlungen, wie das Vorbeischieben von auf Rollen beweglichen Mülltonnen an parkenden Fahrzeugen im öffentlichen StraßenraumRuhender Verkehr
  • Straßen innerhalb eines Klinikgeländes

Kein Öffentlicher Verkehrsraum (keine Unfallflucht)

  • durch Metallpoller abgegrenzte, nicht öffentliche Parkflächen
  • ein Kasernengelände
  • Rasenfläche vor einer Behörde, die nur von einzelnen Behördenbesuchern zur Abkürzung des Zugangs benutzt wird
  • Tiefgaragen, deren Einstellplätze an bestimmte Personen vermietet sind
  • abgesperrte und absperrbare Parkbuchten vor einem Wohnhaus
  • Parkhäuser und deren Zufahrten außerhalb der normalen Betriebszeiten
  • Parkraum nur für Übernachtungsgäste eines Gasthofes
  • Lehrerparkplatz einer Schule
  • Tankstellengelände in Zeiten der Betriebsruhe
  • bei Wagendecken eines Fährschiffes während des Übersetzens
  • im Verkehr zu Wasser

Bei Betriebgeländen ist zu unterscheiden: Wenn diese durch jedermann durch allgemeine Einfahrt zu erreichen sind, handelt es sich um öffentlichen Verkehr. Wenn eine individuelle Zugangsberechtigung erforderlich ist, um auf das Betriebsgelände zu gelangen, liegt kein öffentlicher Verkehr vor.

Ist jeder Schaden ein Schaden i.S.d. § 142 STGB?

Nein. Der Schaden muss eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Wann diese überschritten ist, wird von der Rechtssprechung nicht einheitlich beantwortet. Es gibt Urteile, die die Schwelle bei einem Schaden von 20€, bzw. 25€ überschritten sehen.

Nicht erfasst sind dabei finanzielle Einbußen, die dem Geschädigten etwa durch Behördengänge entstehen.

Ist jeder Personenschaden ein Schaden i.S.d. § 142 STGB?

Kein Personenschaden soll bei geringfügigen Hautabschürfungen und vorrübergehenden Schmerzen oder bloßer Beschmutzung des Körpers vorliegen.

Wann ist man Unfallbeteiligter?

Nach der Definition des § 142 StGB ist Unfallbeteiligter jeder, dessen Verhalten nach den Umständen, d. h. der Gesamtentwicklung des Unfalles und der sich daraus ergebenden Gesamtsituation nach seinem Ende, ohne Rücksicht auf die Schuldfrage, zur Verursachung des Unfalls beigetragen, also eine Mitursache gesetzt haben kann. Unfallbeteiligte können Verkehrsteilnehmer jeder Art sein (z. B. Beifahrer, sonstige Mitinsassen, Fußgänger, Radfahrer).

Unfallbeteiligter kann auch der Halter sein, selbst wenn nachträglich festgestellt wird, dass er nur Beifahrer war

Kein Unfallbeteiligter ist:

  • wer sein Fahrzeug einem fahrgeübten und fahrtüchtigen Dritte überlässt und sich in der Nähe des Unfallortes aufgehalten hat
  • der Fahrzeughalter, der nach dem Unfall an der Unfallstelle eintrifft
  • der überholte Kraftfahrer, der den unfallfrei verlaufende Überholvorgang in keiner Weise beeinträchtigt hat und lediglich Zeuge des Unfallgeschehens ist
  • wenn nicht fest steht, wer von zwei Insassen eines Tatfahrzeugs gefahren ist, sind nicht beide automatisch Unfallbeteiligte

Muss man bei einem Unfall immer abwarten?

Nein! Eine Wartepflicht bzw. eine Pflicht zur Abgabe von Daten besteht nur dann, wenn seitens des Unfallgegners ein Feststellungsinteresse besteht. Das Feststellungsinteresse kann durch den Verzicht des Berechtigten auf Feststellungen ausgeschlossen sein.

Wann fehlt das Feststellungsinteresse?

Das Feststellungsinteresse kann fehlen bei:

  • Weiterfahren des Berechtigten nach dem Unfall ohne anzuhalten
  • geringem Schaden und Anbringen einer Visitenkarte oder eine Zettels mit Anschrift, Telefonnummer und Kraftfahrzeugkennzeichen am beschädigten Fahrzeug mit dem Willen, für den Schaden aufzukommen
  • Verzicht (auch mutmaßlichem) aller anderen Beteiligten auf sofortige – nicht notwendig auch spätere – Feststellungen ( Stichworte:" Nichts passiert – fahren Sie weiter")

Was ist zu tun, wenn sich niemand findet, der die relevanten Daten aufnehmen möchte?

In diesem Fall ist man verpflichtet, eine angemessene Zeit abzuwarten. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen es keinen anderen Unfallbeteiligten gibt oder der andere Unfallbeteiligte nicht zu gegen ist, z.B., wenn ein parkendes Auto beschädigt wird.

Was bedeutet „angemessene Wartezeit"?

Dies richtet sich nach den Umständen Einzelfalls, wobei insbesondere auf Zeit, Ort und Schwere des Unfalls, die Verkehrsdichte und die Chancen wirksamer Aufklärung sowie die Höhe des Fremdschadens abzustellen ist.

Beispiele:

  • 15 Min in der Nacht bei 750€
  • 20 Min um 18.30 bei 300€
  • weniger als 10 Min bei nicht völlig belanglosem Schaden
  • 10 Min in der Nacht zum Sonntag und einem Schaden von 550€
  • Wartezeit von 10-15 Minuten bei geringfügigem Sachschaden von 30€ an Begrenzungsstein und Straßenbaum

Wann hat man sich vom Unfallort entfernt?

Entfernen vom Unfallort liegt vor, wenn der Unfallbeteiligte den unmittelbaren Unfallbereich so weit verlassen hat, dass er entweder seine Pflicht, einem Berechtigten seine Unfallbeteiligung zu offenbaren, nicht mehr erfüllen kann oder sich außerhalb des Bereichs befindet, in dem feststellungsbereite Personen den Wartepflichtigen vermuten und gegebenenfalls durch Befragen ermitteln würden.

Beispiele:

Kein Entfernen:

  • Warten und Erreichbarkeit des Unfallbeteiligten in der Nähe des Unfallorts (80 bis 100 Meter) mit Wissen der Feststellungsberechtigtenbei vorläufiger Festnahme an der Unfallstelle und Verbringen zu Polizeiwache
  • Kenntniserlangung des Unfallberechtigten von seiner mögliche Beteiligung erst, nachdem er sich bereits aus dem unmittelbaren Bereich der Unfallstelle entfernt hat (1 km)
  • bei nicht willentlich handelndem, bewusstlosem Unfallopfer, welches ins Krankenhaus verbracht wird
  • Rückkehr und anschließendes Entfernen des Unfallverursachers vom Unfallort, der sich im Zeitpunkt des Unfalls nicht am Unfallort befunden hat
  • Abstellen des Fahrzeugs in unmittelbarer Nähe der Unfallstelle mit Kenntnis der Feststellungsberechtigten, wenn das Verbleiben nicht für weitere Feststellungen erforderlich ist

VON RUEDEN
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