BAföG-Rückforderung und Betrug

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I. Die Ausgangslage

Noch immer leben momentane und ehemalige BAföG-Bezieher in sehr unruhigen Zeiten, soweit sie ihr über dem Freibetrag liegendes Vermögen nicht angegeben haben. Hintergrund ist ein vor mehreren Jahren eingeführter automatisierter Datenabgleich zwischen dem Bundesamt für Finanzen und den Ausbildungsförderungsämtern. Dieser hat eine ganze Welle von Überprüfungen bereits bewilligter BAföG-Bescheide ausgelöst. Hierbei werden auch die in den BAföG-Anträgen gemachten Angaben zu den Vermögensverhältnissen mit den beim Bundesamt für Finanzen bekannten Freistellungsaufträgen für Zinserträge verglichen. Die Ausbildungsförderungsämter können somit einen Rückschluss auf etwaiges Vermögen des Antragstellers ziehen.

II. Die Folgen für den Betroffenen

Wegen der meist sehr hohen Rückforderungssummen sind die finanziellen Folgen bei den Betroffenen ohnehin nicht einfach zu schultern. Schlimmer wiegt aber, dass in fast allen Bundesländern nunmehr seit geraumer Zeit die »harte Linie« gefahren wird und auf einen Rückforderungsbescheid die Strafanzeige erfolgt, wenn sie nicht schon vorher gestellt wurde.

Thomas Herz
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Rechtsanwalt
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Die Anweisungen aus den zuständigen Ministerien bzw. Aufsichtsbehörden sind überwiegend so restriktiv gehalten, dass der Spielraum für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit immer geringer geworden ist und die Verfahren regelmäßig an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Neben den psychisch belastenden Folgen der Ermittlungen zieht dies bei den Betroffenen erhebliche Verunsicherungen nach sich:

Wie kann ich mich am besten verteidigen?
Wann sollte ich den Tatvorwurf besser einräumen?
Ab wann bin ich vorbestraft?
Kann ich ggf. eine öffentliche Hauptverhandlung umgehen?
Erfährt mein Arbeitgeber/Dienstherr vom Ermittlungsverfahren?
Kann ich ein Ermittlungsverfahren bei der Bewerbung verschweigen?
Darf ich mein Referendariat fortsetzen?
Werde ich aus dem Beamtenverhältnis entlassen?
Ziehe ich meine Eltern oder Verwandten in eine Strafbarkeit hinein?

III. Taktieren mit dem Staatsanwalt

Viele der vom Verfasser betreuten Mandanten haben regelmäßig erst dann Kontakt aufgenommen, wenn die Rückforderung bereits beglichen war und die Ladung zur Beschuldigtenanhörung im Briefkasten lag. Man könnte meinen, viel zu spät, um die Chancen zu verbessern. In einer beachtlichen Vielzahl von Fällen war dem nicht so. Der Grund: Die Staatsanwaltschaft beurteilt nach eigener Überzeugung, ob ein Betrugstatverdacht vorliegt und die Voraussetzungen für die Erhebung einer Anklage (§ 170 Abs. 1 Strafprozessordnung [StPO]) oder eines Strafbefehlsantrages (§ 407 StPO) gegeben sind. Sie ist an die Entscheidung des jeweiligen Ausbildungsförderungsamtes nicht gebunden. Sie ist nicht einmal an ein verwaltungsgerichtliches Urteil gebunden. Ferner ist es rechtlich durchaus möglich, dass die Rückforderung rechtmäßig ist, ein Betrug aber nicht vorliegt.

Genau deshalb konnte der Verfasser in vielen Verfahren die »juristische Säge« erfolgreich ansetzen und die Staatsanwaltschaft überzeugen, dass ein Tatverdacht für einen Betrug bereits aus objektiven Gründen fraglich ist. Dem ging neben der Sachverhaltserfassung mit dem Mandanten natürlich eine Akteneinsicht in die Ermittlungsakte voraus, die zumeist auch die Verwaltungsakte des Ausbildungsförderungsamtes als beigezogene Akte enthält.

Zum Beispiel ist es dem Verfasser gelungen,

Staatanwälte von der Beachtlichkeit einer verdeckten Treuhand zu überzeugen bzw. hier eine vorsätzliche Tatbegehung zu verneinen;
Staatsanwälte zu überzeugen, dass die Wertbestimmung des Vermögens ggf. nicht dem Zeitwert entsprach;
Staatsanwälte zu überzeugen, dass eine rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung vor BAföG-Antragstellung zeitlich nicht unbegrenzt anzunehmen ist;
Staatsanwälte zu überzeugen, dass es beim Zusammentreffen einer Rückforderung von Inlands- und Auslands-BAföG nicht entscheidend sein kann, welches Amt zuerst Leistungen zurückgefordert hat, sondern welches Ausbildungsförderungsamt zuletzt zuständig war. Dies ist nicht unwichtig, weil dann eine Strafanzeige für einen noch nicht verjährten Zeitraum wahrscheinlich ist. Nicht selten liegt in derartigen Fällen ein (unerkannter) Fall strafrechtlicher Verjährung vor.

All diese Gründe führten zu einer wesentlich besseren Ausgangslage für den einzelnen Mandanten. Viele Verfahren wurden nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das bedeutet praktisch den »Freispruch« im Ermittlungsverfahren.

Aber selbst in Fällen, in denen ein Tatverdacht nicht auszuräumen war, konnte Einstellungen im Ermittlungsverfahren nach den §§ 153, 153a StPO bewirkt werden. Diese Vorschriften erlauben die Einstellung eines Strafverfahrens, wenn die Schuld des Täters gering erscheint (§ 153 StPO) oder die Erfüllung von Auflagen zur Beseitigung des Strafverfolgungsinteresses ausreichen (§ 153a StPO).

Auch in den Fällen, in denen nur noch der Erlass eines Strafbefehls in Frage kam, sind Mandanten ganz überwiegend mit einem »blauen Auge« davon gekommen. Das heißt, es wurde eine Geldstrafe bis maximal 90 Tagessätze verhängt, die nicht im polizeilichen Führungszeugnis erscheint.

IV. Überprüfung von bereits bestandskräftigen Bescheiden

Einige Mandanten nahmen erst dann Kontakt zum Anwalt auf, wenn Widerspruchs- oder Klagefrist gegen den BAföG-Rückforderungsbescheid verstrichen sind. Der Bescheid ist damit bestandskräftig. Hier führte ein Antrag nach § 44 SGB X zu einer erneuten Überprüfung der Rückforderung. In manchen Fällen konnte es der Verfasser erreichen, dass die Betroffenen sogar noch Leistungen erstattet bekamen. Ein Überprüfungsantrag ist sogar dann noch möglich, wenn bereits ein Gericht rechtskräftig entschieden hat. Dann kann der bislang übersehene Einwand nochmals aufgegriffen werden.

V. Fazit

Eine rechtzeitige anwaltliche Beratung und Vertretung bietet die optimalen Bedingungen für eine strafrechtliche Verteidigung. Diese sollte bereits im Rahmen des Rückforderungsverfahrens in Anspruch genommen werden. Aber selbst danach ist es nicht zu spät, wie der Artikel aufzeigt.

Besondere Aufmerksamkeit ist bei Lehramts- und Rechtsreferendaren geboten, da hier bereits vor der Einstellung in den Referendardienst nach laufenden Ermittlungsverfahren gefragt wird. Deren Ausgang ist natürlich nicht unwesentlich. Ebenso vorsichtig sollten Mediziner sein, die nach dem Bestehen des 2. Abschnitts der Ärztlichen Prüfung überwiegend auf eine Anstellung in Krankenhäusern öffentlich-rechtlicher Trägerschaft angewiesen sind. Schließlich sind auch Personen betroffen, die im Bankensektor tätig sind bzw. sein wollen.

Rechtsanwalt Thomas Herz

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