Bin ich jetzt ein Betrüger?
Mehr zum Thema: Strafrecht, Betrug, Beförderungserschleichung, Leistungserschleichung, Tankdiebstahl, MahnbescheidIch habe doch nur mein Konto überzogen
… oder die Monatsfahrkarte vergessen, eine Rechnung übersehen, falsch getankt und... und… und…
Dieser Hilferuf ereilt den Anwalt, die Anwältin des Öfteren und den Seufzer, noch nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt zu haben. Und jetzt das: eine Vorladung, ein Anhörungsbogen oder gar schon ein Strafbefehl, Festnahme? … und dann die Nachbarn!
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Jetzt ist erst mal Besonnenheit angesagt und guter, am besten anwaltlicher Rat.
Der verständige Anwalt, die mitfühlende Kollegin (gerne auch umgekehrt) wird Ihnen zunächst einmal erklären, dass nicht alles Betrug ist, was man landläufig so nennen mag.
Kein Betrug ohne Vorsatz
In der oben gelisteten Reihenfolge kann es nämlich gar nichts sein, wenn Sie in Unwissenheit über Ihren Kontostand das Konto überzogen haben. Denn Betrug ist ein Vorsatzdelikt, das Sie also zumindest unter „billigender Inkaufnahme“ begangen haben müssen.
Eine Rechnung übersehen zu haben, ist Sache des zivilen Mahnverfahrens und es drohen Ihnen bis zur Zustellung eines förmlichen Mahnbescheids allenfalls Verzugszinsen. Wer Ihnen in dieser Phase mit einer Betrugsanzeige kommt oder gar droht, wird selbst ein Problem bekommen, wenn er nicht zureichende Anhaltspunkte darlegen kann, dass Sie bereits bei Vertragsabschluss zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig waren.
Vorsicht beim Vorwurf der Beförderungserschleichung
Was die vergessene Monatskarte angeht oder auch der kaputte Fahrscheinautomat in der S-Bahn, ist die Sache schon etwas komplizierter: Wir reden von der Beförderungserschleichung, die selbstredend wiederum ein bedingtes Vorsatzdelikt ist. Wenn Sie also beim Einsteigen in die S-Bahn angenommen haben, Sie seien im Besitz eines gültigen Fahrausweises, fehlt es genau an diesem Vorsatz.
Keine Angaben ohne Rücksprache mit Anwalt
Ob Ihnen das als Schutzbehauptung entgegengehalten wird, oder wie Sie dem entgegentreten, das sollten Sie wiederum der oben zitierten Anwaltschaft anvertrauen. Denn gerade im ersten Augenblick des Entsetzens macht man schnell Fehler und beantwortet Fragen, die überhaupt nicht gestellt wurden. Erst Recht, wenn das Ganze ohne Akteneinsicht ins Blaue geschieht.
Und was das versehentliche Wegfahren nach dem Tanken an der Tankstelle angeht, ist die Sache – Juristen scheinen es kompliziert zu mögen – noch etwas verworrener: Die Palette deckt dogmatisch alle hier genannten Tatbestandsmöglichkeiten bis hin zum Diebstahl ab, bzw. nach Bundesgerichtshof zum Betrug, versuchten Betrug oder eben zu gar nichts.
Wohlgemerkt: Das alles ist kein Plädoyer für schlampigen Umgang mit berechtigten Forderungen. Wohl aber für Gerechtigkeit auch in kleineren Nöten des Alltags, die – wenn es schlimm kommt – auch noch zu Bonitätsverlusten etwa bei der SCHUFA u.a. führen können.
Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte.
Manches ist nur mit Humor zu ertragen.
Januar 2012 - Ich sitze am Schreibtisch und beobachte zwischendurch zwei Männer, die sich gegenseitig den Parkplatz streitig machen. Dann fliegen die Fäuste...
Ein leicht lädierter "Parkplatzanwärter" bitte mich, die Polizei zu rufen, was ich auch gemacht habe.
Nach kurzer Zeit ist die Polizei mit Blaulicht und Sirene vorgefahren. Einer der Parkplatzanwärter hat mich als Zeuge benannt, obwohl ich nur gelegentlich mal hochgeschaut und irgendwann die Polizei angerufen habe. Dem Polizei-Oberrechthaber war das egal, er verlangte meine Personalien, was mir eine Vorladung in Mitte August verschaffte.
Ende August bekam ich einen Bußgeldbescheid vom Amtsgericht, weil ich nicht zum Termin erschienen bin.
Termin? Ah - die Parkplatzsache!
Ich hatte es nach über einem halben Jahr vergessen.
Aber es gab ja schon einen neuen Termin im Oktober.
Den habe ich mir in roter Farbe in meinen Terminkalender eingetragen und mit einem Textmarker quietschgelb markiert. Unübersehbar.
Der 2. Verhandlungstag.
Auf Grund der Markierung und einer Notiz auf dem Computer stehe ich um 06:00 Uhr auf, um den Termin um 10:00 Uhr nicht zu verpassen. Endlich mal Zeit, in Ruhe zu frühstücken, es ist ja auch erst 08:30 Uhr.
Wie störend wirkt da die Hautürklingel! Jetzt? Um diese Zeit? Welcher Trottel...?
Ich öffne die Tür. Vor mir stehen zwei uniformierte Polizeibeamte und erklären mir, die Richterin hätte angeordnet, dass ich als Zeuge abgeholt werden muss, da ich beim ersten Mal nicht erschienen bin.
Im Gericht wurde ich dann der Richterin "übergeben". Die Polizisten verabschiedeten sich. Die Frage, wann sie mich dann wieder nach Hause bringen, wurde mit einem leicht blöden Lachen und Achselzucken beantwortet.
Die Richterin schickte mich gleich vor den Verhandlungssaal, ich solle draußen warten. Wie lang eine Stunde sein kann, wenn man nur eine Holzbank zum sitzen hat!
Endlich wurde ich aufgerufen. Ich musste meinen Namen usw. angeben (obwohl die das ja alles schon genau wussten - polizeibeglaubigt). Dann fragte mich die Richterin, was ich denn zu dem Vorgang sagen könnte. Wahrheitsgemäß antwortete ich, dass sich draußen vor der Tür zwei Männer um einen Parkplatz gestritten hätten.
Richterin: "Ja, und... Wie ging es dann weiter?"
Ich: "Einer der beiden kam rein und bat mich die Polizei zu rufen, was ich zum letzten Mal gemacht habe."
Richterin: "Welcher der beiden Herren war das?"
Ich: "Einer von beiden."
Richterin - lässt die zwei Parkplatzanwärter aufstehen: "War es der Herr hier rechts oder der Herr hier links?"
Ich: "Ja".
Ehrlich gesagt: Ich kannte da niemanden in dem Saal - das war ja auch schon alles so lange her und den Einen habe ich max. 10 Sekunden gesehen.
Das alles hatte der Polizist bei unserer ersten Begegnung schon notiert. Wozu dieser Aufstand mit Bußgeldbescheid und Abholung...??
Ich bestellte mir ein Taxi und ließ mich nach Hause bringen.
Meine Frau: "Wie war´s denn? Erzähl mal."
Ich: "Ich bin zum ersten Mal in einem Streifenwagen mitgefahren."
Sie: "Und weiter?"
Ich: "Beim Gericht musste ich eine Stunde warten - mir tut der A.. weh!"
Sie: "Ja, und - weiter...!"
Ich: "Ich habe keinen erkannt und konnte gehen."
Sie: "Ja gut und dann?"
Ich: "Hier bin ich! Aber wenn das Verhör hier so weitergeht, fahre ich lieber wieder zum Amtsgericht...!"
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