Der Begriff des Handeltreibens iSd. § 29 Abs. I Nr.1 des BtMG und die Rechtsstaatlichkeit

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Wann kann man Ihnen ein Handeltreiben mit Drogen wie Cannabis, Kokain, LSD oder Heroin vorwerfen" Vorsicht bei den Tücken des Betäubungsmittelgesetzes!

Der Begriff des Handeltreibens iSd. § 29 Abs. I Nr.1 des BtMG und die Rechtsstaatlichkeit

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Gerichtliche Auslegungen des Begriffs und die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit

Wenn Handeltreiben bejaht wird, führt dies in der Regel zu einer deutlichen Strafverschärfung, denn es handelt sich um ein sehr negatives Kriterium im Rahmen der Strafzumessung. Viele Gerichte betrachten das Handeltreiben als eine der verwerflichsten Tatmodalitäten im Rahmen der §§ 29 f. BtMG.

Das in § 29 Abs.I Nr.1 BtMG enthaltene Tatbestandsmerkmal des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist weder im BtMG noch in einer sonstigen Norm des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts definiert. Somit ist und war es Sache der Gerichte, diese Aufgabe zu übernehmen.

Die Rechtsprechung (so v.a. der BGH, vgl. BGH NStZ 2000, 207) legt den Begriff des Handeltreibens extrem weit aus, dies hat zwar in der Literatur teilweise sehr starke und berechtigte Kritik hervorgerufen, der BGHSt hat allerdings durch den Großen Senat mit der Grundsatzentscheidung vom 26.10.2005 seine bisherige Haltung bestätigt, die weite Auslegung wird beibehalten, sie verstoße insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht.  

Dies bedeutet, das mit einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in den kommenden Jahren nicht zu rechnen ist.

Das Handeltreiben wird definiert als jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Tätigkeit, selbst wenn diese sich nur als gelegentlich, einmalig oder ausschließlich vermittelnd darstellt.

Diese extrem subjektive Auslegung des Begriff des Handeltreibens macht eine -wie von der Literatur zu Recht kritisiert- wie bei anderen Straftatbeständen übliche Unterscheidung in Vorbereitung, Versuch, Vollendung, Täterschaft und Teilnahme in vielen Fällen praktisch unmöglich.

Nach dieser Auslegung braucht es nicht einmal mehr einer Handlung, die die jeweiligen Betäubungsmittel / Drogen dem Käufer in irgendeiner Hinsicht objektiv näher bringen. Die Droge, mit der Handel getrieben werden soll, braucht vielmehr in Wirklichkeit gar nicht zu existieren. Der Charakter des Handeltreibens als reines Unternehmensdelikt setzt keinen Erfolg im Sinne eines tatsächlichen Verkaufs voraus, weshalb z.B. das sog. "verbale Handeltreiben" (Anbieten evtl nicht existenter BtM) voll tatbestandsmäßig ist und nicht bloß einen Versuch darstellt, wie man annehmen könnte.

Aus Verteidigersicht ist es absolut nicht nachvollziehbar, wie der BGH an einer derartigen Rechtsprechung festhalten kann. Dies bedeutet nichts anderes als den Verlust von Rechtsstaatlichkeit und die völlige Auflösung des Prinzips der Tatbestandsbestimmtheit bis zur völligen Unkenntlichkeit.

Es handelt sich um ein weiteres Beipiel für eine Argumentation und Denkweise, die vom gewünschten Ergebnis her konstruiert scheint, also eine rein politische Rechtsprechung.

Folgende Handlungen/Begehungsweisen erfüllen das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens:

  • Einmaliger Verkauf von z.B. Kokain in der Absicht, Gewinn zu erzielen
  • Kauf von z.B. Cannabis mit der Absicht, es gewinnbringend weiter zu verkaufen (Weitergabe zum Einkaufspreis allerdings idR. nicht ausreichend, sehr wohl aber die Weitergabe zum EK, wenn man darüber hinaus etwa sexuelle Dienstleistungen einer Prostitituierten "gratis" erhält, die die Drogen von Ihnen gekauft hat und sich so für den günstigen Preis erkenntlich zeigen möchte. Zu viel unbedachte körperliche Nähe ist bekannterweise in vielerlei Hinsicht riskant, der eben genannten Aspekt dürfte aber einer der weniger bekannten Risikofaktoren sein. Dennoch mangelt es auch bei diesem nicht  an möglichen unangenehmen Konsequenzen, also sei auch hier zur Vorsicht geraten)
  • Vermittlung von z.B. Heroin mit der Erwartung, hierfür eine Provision zu erhalten (angefallen sein muss diese im Ergebnis nicht)
  • Transport von BtM
  • Transport von Gelderlösen aus Drogengeschäften
  • Kurieranwerbung und -überwachung
  • Inkassotätigkeiten im Drogenbereich - Sie wollen für einen befreundeten Dealer ein paar administrative Aufgaben v.a. im Bereich des Geldeintreibens übernehmen und sich so etwas Geld dazu verdienen, weil Ihre Stärken auch im nonverbalen Bereich beachtlich sind" Lassen Sie es lieber.
  • Finanzierung von Drogengeschäften, z.B. durch ein Darlehen
  • Verbales Handeltreiben, d.h. das bloße Anbieten einer Droge, ohne dass diese überhaupt vorhanden ist.
  • Zubereitung, Anbau, Ernten, Verwahrung, Abpacken, Abwiegen oder Versenden gegen Lohn oder in bloßer Erwartung des Lohnes (braucht im Ergebnis also wieder nicht gezahlt worden zu sein, um "Handeltreiben" zu bejahen.
  • Ausfindigmachen von möglichen Lieferanten
  • Erkundigung nach Abnehmern
  • Kauf den Laborbedarf für die BtM-Herstellung (!)
  • Umtausch von Drogengeldern in andere Produkte
  • Weitergabe des Erlöses aus BtM Geschäften an Mittelsmänner oder Hintermänner

Der Bereich, der beim Umgang mit Drogen nicht als "Handeltreiben" qualifiziert wird und damit nicht zu einer obligatorischen Strafschärfung bei einer Verurteilung führt, ist also ziemlich klar begrenzt. Sobald auch nur bloße Gewinnabsichten im Spiel sind, wird es heikel.

Wenn Sie irgendwelche Fragen zu dem Thema haben sollten, kontaktieren Sie mich bitte.

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