Der Pflichtverteidiger im Strafrecht

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Von Rechtsanwalt Jens Jeromin

Als Angeklagter im Strafverfahren stehen die Betroffenen dem Gericht und der Staatsanwaltschaft oftmals hilflos gegenüber. Die Ermittlungserkenntnisse der Staatsanwaltschaft sind nicht bekannt, der Strafrahmen lässt sich nicht überschauen und der weitere Verfahrensablauf ist ungewiss. Nicht selten entsteht in solchen Fällen Angst um die eigene Existenz.

Schnell kommt die Erkenntnis: “Eigentlich brauche ich jetzt Hilfe. Aber ob ich mir einen Anwalt leisten kann?“ Mancher erinnert man sich an das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung. Auch von “Prozesskostenhilfe“ hat man schon gehört.

Jens Jeromin
Partner
seit 2006
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht
Gutenbergstraße 38
44139 Dortmund
Tel: 0231/ 96 78 77 77
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Beides hilft hier aber nicht weiter. Rechtsschutzversicherer übernehmen keine Kosten für Straftaten, die nur vorsätzlich begangen werden können. Aus dem Versicherungsschutz fallen daher Straftaten wie Diebstahl, Betrug, Raub, Erpressung, Totschlag sowie die Mehrzahl der Körperverletzungs- und Betäubungsmitteldelikt.

Vereinfacht gesagt: Für den strafrechtlichen Versicherungsschutz bleiben nur wenige Delikte übrig, die zumeist zu den Straßenverkehrsdelikten zählen.

Auch die Prozesskostenhilfe wird im Strafverfahren nicht gewährt, sie ist eine zivilrechtliche Hilfestellung.

Trotzdem muss nicht jeder Angeklagter hilflos vor seinen Richtern stehen. In bestimmten Fällen ist gesetzlich geregelt, dass dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zusteht. In diesen Fällen ist es aufgrund der Chancengleichheit zwischen Staat und Angeklagtem die Pflicht des Staates, dem Angeklagten auf Staatskosten einen Verteidiger zu stellen.

Die Pflichtverteidigung ist daher keine lästige Pflicht für den Rechtsanwalt. Sie müssen nicht befürchten, eine Verteidigung zweiter Klasse zu erfahren, auch wenn einige Fernsehserien diesen Eindruck vermitteln.

Sie können sich den Verteidiger selbst aussuchen, der Ihre Rechte vertreten soll. Erst wenn Sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt niemanden benannt haben, wird das Gericht einen Verteidiger für Sie aussuchen. Es bleibt dabei: auch dieser Verteidiger ist Ihr Verteidiger. Dass das Gericht ihn beauftragt hat, darf seine Loyalität Ihnen gegenüber nicht beeinflussen.

Aber nicht jeder Angeklagte hat einen Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Bei dieser Frage kommt es nicht auf die Einkommensverhältnisse des Angeklagten an, sondern allein auf die ihm vorgeworfene Tat. Auch Wohlhabende können sich daher theoretisch durch einen Pflichtverteidiger vertreten lassen.

Ob dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger zusteht, regelt die Strafprozessordnung (StPO) im Paragraphen 140. Typische Fälle nennt der erste Absatz. Danach besteht der Anspruch etwa, wenn dem Angeklagten ein Verbrechen zu Last gelegt wird, im ersten Verfahren direkt vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht verhandelt wird, oder der Angeklagte sich zu Beginn der Verhandlung seit mehr als drei Monaten in Untersuchungshaft befindet.

Auch wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen, kann ein Anspruch nach Absatz 2 bestehen. Hiernach wird dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger gestellt, wenn “die Schwere der Tat“ oder “die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage“ dies erfordern.

Dabei handelt es sich natürlich um Merkmale, die im Einzelfall ausgelegt werden müssen. Ein erfahrener Strafverteidiger kann aufgrund des Tatvorwurfs oder Akteninhalts aber abschätzen, ob ein Anspruch auf Pflichtverteidigung bestehen kann.

Wenn Sie die Wahl Ihres Verteidigers aktiv mitbestimmen wollen, sollten Sie daher frühzeitig mit einem Anwalt Ihres Vertrauens Kontakt aufnehmen und um seine Einschätzung zur Möglichkeit einer Pflichtverteidigung bitten. Für Untersuchungshäftlinge können Angehörige den Kontakt zum Anwalt herstellen. Dieser wird sich dann um eine Besuchserlaubnis bemühen und alles weitere mit dem Betroffenen direkt in der JVA besprechen.

Wollen Sie mehr wissen? Lassen Sie sich jetzt von diesem Anwalt schriftlich beraten.
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