Die vorzeitige Entlassung Teil 3

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I. Einleitung

Nachdem in Teil 1 und Teil 2 die vorzeitige Entlassung bei zeitiger und lebenslanger Freiheitsstrafe sowie im Maßregelvollzug nach §§ 63, 64 StGB dargestellt wurde, setzt sich dieser Artikel mit der vorzeitigen Entlassung in der Sicherungsverwahrung (SV) sowie im Rahmen des § 456 a StPO auseinander.

Den in der Gefangenenzeitung "der lichtblick" veröffentlichten Artikel habe ich in erster Linie für Untergebrachte sowie ausländische Strafgefangene verfasst und inhaltlich – so auch im Hinblick auf die entsprechende Anrede – übernommen.

II. Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in der SV

1. Aussetzung bereits nach Verbüßung der Strafhaft

Wurde bei Euch die SV angeordnet oder vorbehalten, dann hat Euch die JVA gemäß § 66c Abs. 2 StGB bereits während des Strafvollzuges eine Betreuung mit dem Ziel anzubieten, die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich zu machen. Ob Euch die JVA eine entsprechende Behandlung zur Reduzierung Eurer Gefährlichkeit anbietet, wird dabei in regelmäßigen Abständen (alle zwei Jahre; im Hinblick auf die Gesamtdauer der noch zu vollziehenden Freiheitsstrafe maximal fünf Jahre) durch die StVK überprüft. Soweit die Betreuung nicht den Anforderungen entsprochen hat, stellt die StVK fest, welche bestimmten Maßnahmen Euch die JVA bei sich nicht wesentlich ändernder Sachlage künftig anzubieten hat, um den gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung zu genügen.

Diese gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung sind in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgeführt. Danach erfolgt die Unterbringung in der SV in Einrichtungen, die dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten, die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind und die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann.

Kurz vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erfolgt sodann eine Prüfung durch das Gericht. Stellt dieses dabei fest, dass die Unterbringung in der SV unverhältnismäßig wäre, weil Euch bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs keine ausreichende Betreuung angeboten worden ist, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus und es tritt Führungsaufsicht ein. Das Verfahren richtet sich dabei nach dem StGB (§ 67 c).

2. Aussetzung in der SV

Sofern nach vorangegangener Strafvollstreckung die Unterbringung in der SV weiterhin für erforderlich erachtet werden sollte, muss die JVA damit beginnen, entsprechende Maßnahmen umzusetzen, welche sämtlich dem vorrangigen Ziel dienen, gemäß § 66c Abs. 1 Nr. 1b StGB Eure „Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt werden kann.“ Es gilt der Grundsatz eines freiheits- und therapiebegleitenden Vollzuges.

Stellt das zuständige Gericht nach Beginn der Vollstreckung der Unterbringung in der SV fest, dass die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, weil Euch nicht spätestens bis zum Ablauf einer vom Gericht bestimmten Frist von höchstens sechs Monaten ausreichende Betreuung angeboten worden ist, setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass Ihr außerhalb der Unterbringung keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen werdet. Mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein.

Ansonsten – bei Fortdauer der Unterbringung – kann die StVK jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. In jedem Fall aber hat die StVK die Unterbringungsanordnung jährlich zu überprüfen, wobei diese Frist auch von der StVK gekürzt werden kann. Demgegenüber kann die StVK allerdings im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist (sog. Sperrfrist).

Spätestens nach Ablauf von zehn Jahren des Vollzugs der Unterbringung in der SV erklärt das Gericht die Unterbringung für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass Ihr erhebliche Straftaten begehen werdet, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Auch hier tritt mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung Führungsaufsicht ein.

Sofern auch nach Ablauf von zehn Jahren die Gefahr bestehen sollte, dass Ihr erhebliche Straftaten begehen werdet, wobei zu beachten ist, dass das Gericht die hochgradige Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualtaten positiv feststellen muss, wird die Unterbringung nicht für erledigt erklärt. Allerdings verkürzt sich die Prüfungsfrist der Unterbringungsanordnung auf neun Monate, wobei auch hier die Frist von der StVK gekürzt oder Euch eine Sperrfrist auferlegt werden kann.

3. Prüfungsgegenstand

Bei der Frage, ob die Unterbringung für erledigt erklärt wird, hat die StVK zweierlei zu prüfen. Zum einen die Frage der Gefährlichkeit (Legalprognose) und zum anderen, ob Euch eine ausreichende Betreuung im Sinne des bereits angeführten § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB angeboten wurde und wenn nicht, ob es gegenüber der JVA einer Fristsetzung unter Angabe der konkret anzubietenden Maßnahmen zur künftigen Einhaltung des Betreuungsgebots bedarf.

4. Sachverständigengutachten

Damit die StVK in die Lage versetzt werden kann, eigenverantwortlich über die Fortdauer der Unterbringung zu entscheiden, ist stets, das heißt unabhängig von der Anlasstat und unabhängig davon, ob die StVK keine Aussetzung erwägt, ein Gutachten durch einen externen Sachverständigen einzuholen. Neben der Frage der zu prognostizierenden Gefährlichkeit kann der Sachverständige auch zu der Angemessenheit der Betreuung sowie angebotenen respektive durchgeführten Therapiemaßnahmen Stellung nehmen.

5. Pflichtverteidiger

Für das Überprüfungsverfahren ist Euch rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Das bedeutet, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nicht erst kurz vor der Anhörung und somit kurz vor der Entscheidung der StVK erfolgen darf. Vielmehr ist der Pflichtverteidiger so rechtzeitig zu bestellen, dass dieser sowohl auf die Person des zu bestellenden Sachverständigen Einfluss nehmen als auch die Verfahrensakten einsehen und sich mit vorausgegangenen Sachverständigengutachten und Stellungnahmen der JVA auseinandersetzen kann.

Zu beachten ist, dass die Beiordnung des Pflichtverteidigers für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird, fortdauert. Drum Augen auf bei der Wahl Eures Pflichtverteidigers.

Sinn und Zweck der Fortdauer der Pflichtverteidigerbeiordnung besteht darin, dass Euch auch nach Abschluss des Überprüfungsverfahrens ein Verteidiger als dauerhafter Ansprechpartner und Beistand zur Seite steht. Dieser erhält – anders als im Strafvollzug – gegenüber der JVA eigene Rechte, wie beispielsweise auf Gestattung der Teilnahme an der Vollzugsplankonferenz.

Nur am Rande sei angemerkt, dass Euch in der SV in Angelegenheiten des Vollzuges gemäß § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG immer ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist, wenn das Verfahren auf gerichtliche Entscheidung eine von Euch begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66 c Abs. 1 StGB, demnach vollzugsöffnende Maßnahmen, betrifft.

6. Rechtsmittel

Gegen die Entscheidung der StVK, in welcher die Aussetzung zur Bewährung angeordnet respektive angelehnt wird, kann binnen Wochenfrist die sofortige Beschwerde beim zuständigen OLG eingelegt werden.

III. Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung/ Ausweisung

Bei den ausländischen Gefangenen unter Euch ist es gemäß § 456 a StPO möglich, unter bestimmten Voraussetzungen von der (weiteren) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung abzusehen.

Nach dieser Norm kann die Vollstreckungsbehörde, somit die Staatsanwaltschaft, von der Vollstreckung der zuvor genannten Strafen absehen, wenn Ihr wegen einer anderen Tat einer ausländischen Regierung ausgeliefert, an den internationalen Strafgerichtshof überstellt oder wenn Ihr aus dem Geltungsbereich des Bundesgesetzes abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen werdet.

Der Antrag auf Absehen von der Vollstreckung kann sowohl von Euch bei der für Euch zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt werden als auch von Amts wegen ergehen, ohne dass es Eurer Zustimmung bedarf.

Ein Absehen von der Vollstreckung kommt erst nach Verbüßung der Hälfte der Strafe, somit ab dem Halbstrafenzeitpunkt in Betracht, wobei sich nach den Richtlinien der Justizverwaltungen der einzelnen Bundesländer eine Entscheidung gemäß § 456 a StPO zwischen dem Halbstrafen- und dem – bei mehreren Vollstreckungen gemeinsamen – Zweidritteltermin anbietet.

1. Voraussetzungen & Prüfung

Hauptanwendungsfall sowie Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 456 a StPO ist eine bestandskräftige und vollziehbare Ausweisungsverfügung der Ausländerbehörde. Wenn eine solche bestandskräftige Ausweisungsverfügung vorliegt, dann steht es im Ermessen des Rechtspflegers der Staatsanwaltschaft, ob ein Absehen von der Vollstreckung erfolgen soll.

Dabei ist eine Abwägung der Gründe vorzunehmen, die für und gegen ein Absehen von der Vollstreckung sprechen. Insbesondere sind zu berücksichtigen die Umstände der Tat, die Schwere der Schuld, die Höhe des bisher verbüßten Teils der Strafe, das öffentliche Interesse an einer nachhaltigen Vollstreckung sowie Eure familiären und sozialen Verhältnisse.

Bei dieser Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass mit fortschreitender Vollstreckungsdauer das öffentliche Interesse an deren Fortsetzung gegenüber Euren persönlichen Belangen an Gewicht verliert.

Darüber hinaus werden durch den Rechtspfleger eine Stellungnahme sowie ein aktuelles Vollstreckungsblatt bei Eurer JVA eingeholt. Sofern weitere Verfahren gegen Euch anhängig sind oder Ihr in anderen Verfahren als Zeuge in Betracht kommt, wird ein Absehen von der weiteren Vollstreckung ggf. bis zum Abschluss der Verfahren zurückgestellt. Sofern gegen Euch noch weitere Freiheitsstrafen zu vollstrecken sind, ist ggf. eine Abstimmung mit der Vollstreckungsbehörde hinsichtlich des weiteren Vorgehens erforderlich.

Wenn schließlich entschieden wurde, dass von der weiteren Vollstreckung abgesehen und Ihr abgeschoben werden sollt, werdet Ihr darüber belehrt, dass die Vollstreckung des Rests der Strafe gemäß § 456 a Abs. 2 StPO nachgeholt werden kann, wenn Ihr innerhalb der Vollstreckungsverjährung freiwillig in das Bundesgebiet zurückkehrt.

Wurde nach Eurer Rückkehr in die Bundesrepublik die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe angeordnet, so kommt ein erneutes Absehen von dessen Vollstreckung gem. § 456a Abs. 1 StPO nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Diese müssen so gewichtig sein, dass gegenüber der grundsätzlich angezeigten Durchsetzung des staatlichen Vollstreckungsanspruchs Eure weitere Inhaftierung nicht vertretbar erscheint.

2. Rechtsmittel

Sollte Euch seitens der Staatsanwaltschaft das Absehen von der weiteren Vollstreckung versagt worden sein, so könnt Ihr dagegen eine Beschwerde bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft einlegen. Diese hat sodann auf Eure Vorschaltbeschwerde eine eigene Sachentscheidung zu treffen und nicht bloß zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat.

Sollte die Generalstaatsanwaltschaft Eurer Beschwerde nicht abhelfen, so könnt Ihr dagegen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG beim zuständigen OLG stellen. Dieses darf allerdings nur prüfen, ob die Staatsanwaltschaft eine ermessensfehlerfreie Entscheidung getroffen hat, oder aber, ob diese Gesichtspunkte zu Eurem Nachteil berücksichtigt hat, die nach Sinn und Zweck des Gesetzes keine Rolle spielen dürfen, oder ob sie maßgebliche Gesichtspunkte, die bei der Ermessensentscheidung von Belang sein können, falsch bewertet oder außer Acht gelassen hat.

Damit endet meine Artikelreihe über „die vorzeitige Entlassung“ und ich hoffe, dass ich mit dieser die ein oder andere Frage oder Unklarheit beantworten konnte.

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