Rechtsanwalt über den BAföG-Betrug: Was Sie beachten müssen

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Da wir immer wieder Fälle des sogenannten BAföG-Betrugs betreuen, möchten wir Ihnen im Folgenden den Ablauf darstellen, der einem solchem Verfahren typischerweise zu Grunde liegt. Dabei orientieren wir uns streng chronologisch von der ersten Aufforderung des BAföG Amtes bis zur Erledigung des gesamten Verfahrens im Strafverfahren.

Überschreitung des Freibetrages

Sofern ihr Vermögen den Freibetrag von € 5.200 (alleinstehender Antragsteller) überschreitet, der für die Bewilligung von BAföG Leistungen maßgeblich ist, kann gegen sie ein verwaltungsrechtliches und strafrechtliches Verfahren eingeleitet werden.

Das BAföG Amt kommt Ihnen mit folgendem Verfahren „auf die Schliche": Mittels Datenabgleichs werden die Zinserträge ermittelt, welche ihrem Vermögen gutgeschrieben werden.

Gemäß § 41 Abs. 4 BAföG Gesetz (BAföG), dürfen die Ämter für Ausbildungsförderung (BAföG-Ämter) Personen, die Leistungen nach diesem Gesetz beziehen, auch regelmäßig im Wege des automatisierten Datenabgleichs darauf überprüfen, ob, und welche Daten nach § 45d Abs. 1 des Einkommenssteuergesetzes (EStG) dem Bundeszentralamt für Steuern übermittelt worden sind. Die Ämter für Ausbildungsförderung dürfen zu diesem Zweck Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Anschrift der Personen, die Leistungen nach diesem Gesetz beziehen, sowie die Amts- und Förderungsnummer an das Bundesamt für Finanzen übermitteln. Das Bundesamt für Finanzen darf aufgrund eigener gesetzlicher Ermächtigung (45d EStG) wiederum Auskünfte von Banken einholen und diese sodann den Sozialleistungsträgern übermitteln.

Es lässt sich nicht pauschal beantworten, ab welchen Zinsertrag das BAföG-Amt hellhörig wird. In der Regel wird dies jedoch bei Zinserträgen ab 100,00 € jährlich sein. Bei einem (unterdurchschnittlichen) Zinssatz von 2 % liegt einem Zinsertrag von 100,00 € ein Anlagebetrag  von 5.000,00 € zu Grunde. Ab diesem Betrag lohnt sich für das BAföG-Amt in der Regel eine genauere Überprüfung.

Aufforderung des BAföG Amtes

Sobald dem BAföG-Amt seitens des Bundesamtes für Finanzen Zinseinkünfte gemeldet wurden, die dem BAföG-Amt verdächtig erscheinen, fordert das BAföG-Amt den Leistungsempfänger auf, seine Vermögensverhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung offen zu legen. Dabei wird ein solches Auskunftsersuchen in der Regel auch mit einer Frist gekoppelt sein, zu der das Schreiben spätestens beantwortet sein sollte.

Sie sollten sich bereits zu diesem Zeitpunkt den Rat eines Rechtsanwalts einholen. Ihr Rechtsbeistand hat somit schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Möglichkeit, Einfluss auf das weitere Verfahren zu nehmen. Ganz grundsätzlich können wir Ihnen den Rat erteilen, an der Offenlegung Ihrer Vermögensverhältnisse aktiv mitzuwirken. Dies deshalb, weil Ihre Kooperation maßgeblichen Einfluss auf die spätere staatliche Sanktion haben wird. Dies sollten Sie unbedingt in der vorgegebenen Frist tun. Sollten Sie nicht imstande sein, die Frist einzuhalten, sollten Sie das BAföG-Amt um Fristverlängerung bitten. In der Regel wird man Ihnen diesbezüglich großzügig entgegengekommen.

Sollten Sie der Aufforderung Ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen nicht nachkommen, so hat das BAföG-Amt die Möglichkeit, Bestandsdaten zu Konten und Depots bei den Kreditinstituten über das Bundeszentralamt für Steuern abzurufen (§ 93, 93b Abgabenordnung (AO)). Es macht also in der Regel keinen Sinn, die Mitwirkung an der Offenlegung der Vermögensdaten in der Hoffnung zu verweigern, dass das BAföG-Amt Ihre wahren Vermögensverhältnissen ohne Ihre Mithilfe nicht aufdecken kann.

Rückzahlungsbescheid

Sind die Vermögensverhältnisse vom BAföG-Empfänger bei Antragstellung nicht ordnungsgemäß angegeben wurden und übersteigt das anrechenbare Vermögen den Freibetrag von 5.200 € (alleinstehender Antragsteller), so hat dies zur Folge, dass der Bewilligungsbescheid rückwirkend rechtswidrig wird. Der Bewilligungsbescheid wird zurückgenommen und das erstattete Geld zurückverlangt (§ 45 SGB X).

Dies muss innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Rückforderungsberechtigung geschehen. Liegt zwischen Erhalt des Anhörungsschreibens und Zustellung des Rückforderungsbescheids mehr als ein Jahr, macht dies einen gleichwohl erlassenen Rückforderungsbescheid rechtswidrig. Hiergegen können Sie oder Ihr Rechtsanwalt mittels Widerspruchs gegen den Rückforderungsbescheid vorgehen.

Strafrechtliche Konsequenzen

Welche Strafe Sie zu erwarten haben, hängt maßgeblich von folgenden Faktoren ab:

- Höhe des zu Unrecht erlangten BAföG-Betrages;

- Länge der BAföG-Bezugsdauer;

- Bewegründe für Ihre Falschangaben;

- Vorstrafen.

Einleitung des Ermittlungsverfahrens

Gemäß § 21 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)  hat das Strafrecht grundsätzlich Vorrang vor dem Ordnungswidrigkeitenrecht. Das Ordnungswidrigkeitenrecht lebt gemäß § 21 II OWiG erst wieder auf, wenn eine Strafe nicht verhängt wurde.

Das BAföG-Amt wird die Angelegenheit also an die zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Diese wird ein Ermittlungsverfahren einleiten. Die Staatsanwaltschaft wiederrum bedient sich für die weiteren Ermittlungen der Polizei, die Ihnen eine Vorladung zur Vernehmung zuschicken wird. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollten Sie sich eines anwaltlichen Beistandes bedienen.

Absage des Termins bei der Polizei und Akteneinsicht

Sofern Sie einen Rechtsanwalt mit Ihrer Verteidigung beauftragt haben, wird dieser – bevor irgendwelche Angaben gemacht werden – zunächst einmal den Anhörungstermin bei der Polizei für Sie absagen und Einsicht in die Ermittlungs- und Förderakte nehmen. Nach Akteneinsichtsnahme wird Ihr Rechtsanwalt das weitere Vorgehen mit Ihnen besprechen. In der Regel empfiehlt es sich in Fällen von BAföG-Betrug für den Rechtsanwalt mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufzunehmen, um mittels Darstellung des Sachverhalts aus Sicht des Beschuldigten die Entscheidung der Staatsanwaltschaft  zu beeinflussen. Dies hat weit überwiegend großen Erfolg.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie der Vorwurf des BAföG-Betrugs erledigt werden kann. Die Fälle und zugrundeliegenden Sachverhalte sind zu unterschiedlich, um pauschal Antwort darauf zu geben, ob der jeweilige Fall von BAföG-Betrug bestraft werden wird, und wenn ja, mit welchen Konsequenzen der Leistungsempfänger zu rechnen hat. Grundsätzlich gibt es folgend Möglichkeiten:

Einstellung des Verfahrens nach § 170 II Strafprozessordnung (StPO)

Wir haben es schon häufig erlebt, dass der Vorwurf des BAföG-Betrugs gemäß § 170 II StPO und damit für den beschuldigten Leistungsempfänger folgenlos eingestellt wurde. Dabei haben wir nach eingehendem Aktenstudium und Rücksprache mit unseren Mandanten zumeist vorgetragen, dass und warum der jeweilige Mandant beim Ausfüllen der BAföG-Anträge schlicht unvorsätzlich handelte.

So war es beispielsweise in einem Fall, in der die Mandantin insgesamt 13.941,00 € an BAföG-Leistungen bezog. Dies ist ein nicht unerheblicher Betrag. Bei ähnlich hohen Schadensbeträgen kommt es normalerweise zu einer Gerichtsverhandlung, an deren Ende eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von über 90 Tagessätzen und damit ein Eintrag in das Führungszeugnis stehen kann. Die Mandantin bezog in den Jahren 2008 und 2009 Bafög. Ihre Anträge stellte sie in den entsprechenden Jahren.

Der Staatsanwaltschaft Hamburg gegenüber haben wir uns für unsere Mandantin wie folgt erklärt:

Auf dem Formular des ersten Antrages der Mandantin, welcher im August 2008 beim BAföG-Amt eingegangen war, befand sich noch nicht der Hinweis, der sich auf dem Vordruck des zweiten Antrages in Gliederungspunkt 121 befand, welchen die Mandantin ein knappes Jahr später eingereicht hatte. In diesem Antrag fand sich folgender Hinweis:

 „Mir ist bekannt, dass Vermögenswerte auch dann meinem Vermögen zuzurechnen sind, wenn ich diese rechtsmissbräuchlich übertragen habe. Dies ist der Fall, wenn ich in zeitlichem Zusammenhang mit der Aufnahme der förderungsfähigen Ausbildung bzw. der Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung oder im Laufe der förderungsfähigen Ausbildung Teile meines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere meine Eltern oder andere Verwandte, übertragen habe."

Unsere Mandantin handelte also zum Zeitpunkt des Einreichens des ersten Antrages insofern unvorsätzlich, als dass ihr nicht bewusst war, dass die aufgelösten Konten ihrem Vermögen zuzurechnen sind. Es hätte einer entsprechenden Änderung der Vordrucke nicht bedurft, wenn schon ohne Aufnahme des Gliederungspunktes 121 wie im zweiten Formular, in gleich gelagerten Fällen ein vorsätzliches Handeln ohne weiteres unterstellt werden könnte.

Den zweiten Antrag hatte de Mandantin im Juni 2009 eingereicht. Im Falle des zweiten Antrags hat sie trotz des Hinweises aus Gliederungspunkt 121 nicht über Tatsachen getäuscht, weil die Übertragung der Kontenguthaben weder im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Ausbildung bzw. der Stellung des Antrages erfolgte, noch im Laufe der Ausbildung. Zwischen der zweiten Antragstellung im Juni 2009 und der Auflösung der Konten im August 2008 lagen zehn Monate. Es konnte insofern nicht mehr von einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Aufnahme der Ausbildung bzw. Stellung des Antrages und der Kontenauflösung gesprochen werden.

Einen genauso großen Erfolg haben wir gegenüber der Staatsanwaltschaft München erzielt. Auch in diesem Verfahren war der Schadensbetrag mit über 15.000 € beträchtlich. Auch hier haben wir vor der Staatsanwaltschaft Schriftsätzlich dargestellt, warum der Mandant unvorsätzlich handelte. Auch dieses Verfahren wurde gemäß § 170 II StPO und also folgenlos eingestellt.

Die Reihe ließe sich fortführen. Die Lehre daraus ist, dass es sich – wie eigentlich immer –  auch in BAföG-Verfahren lohnt, die Akten systematisch nach der Chance zu durchsuchen, die dem Mandanten eine folgenlose Einstellung des Verfahrens ermöglicht.

Einstellung des Verfahrens nach § 153 StPO oder § 153a StP0

Nicht immer lässt sich jedoch verhindern, dass ein Bafög-Betrugsverfahren folgenlos eingestellt wird. Gleichwohl hält die Strafprozessordnung mit den §§ 153, 153a StPO noch Instrumente bereit, die eine Gerichtsverhandlung verhindern und zur Folge haben, dass die Straftat unter keinem Umständen in das Führungszeugnis oder das Zentralregister aufgenommen wird.

So besteht bei einem Schadensbetrag von bis zu 500,00 € die Chance, dass das Verfahren nach § 153 I StPO eingestellt wird, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass das Verfahren nach § 153a StPO, in der Regel gegen Zahlung eines Geldbetrages zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung (häufig: Studentenwerk) oder der Staatskasse, eingestellt wird. Diese Regelung kann in Betracht kommen, wenn der Schadensbetrag 5.000 € nicht übersteigt, der Täter geständig ist, den Schadensbetrag bereits zurückgezahlt hat und im Übrigen nicht vorbestraft ist. Wir haben jedoch auch schon bei Schadensbeträgen bis zu 10.000, 00 € Einstellungen nach § 153a StPO erwirkt, jüngst in einem von der Staatsanwaltschaft Lüneburg geführten Verfahren. Dies wird mit guter Argumentation auch in weiteren Fällen gelingen.

Der größte Vorteil einer Einstellung nach den §§ 153, 153a StPO – neben dem, dass keine Gerichtsverhandlung durchgeführt wird – ist, dass eine solche Entscheidung nicht in das Führungszeugnis aufgenommen wird, man insofern weiterhin als nicht vorbestraft geführt wird.

Strafbefehl oder Gerichtsverhandlung

Sofern der Schadensbetrag jedoch 10.000,00 € übersteigt kommt eine Einstellung (gegen Geldleistung) unserer Erfahrung nach nur noch ausnahmsweise in Betracht. In einem solchen Fall müssen Sie mit Erlass eines Strafbefehls, oder einer Gerichtsverhandlung rechnen. Hier wäre dann das primäre Verteidigungsziel, sofern ein Freispruch mangels erdrückender Beweislage nicht in Betracht kommt, dass die Sanktion 90 Tagessätze Geldstrafe oder drei Monate Freiheitsstrafe nicht übersteigt. Mit guter Argumentation lässt sich auch in einer Gerichtverhandlung dieses Ziel in der Regel erreichen. Zumindest wurde noch kein von uns verteidigtes Bafög-Mandat mit einer Geldstrafe von über 90 Tagessätzen sanktioniert. Von einer Freiheitsstrafe ganz zu schweigen.

Führungszeugnis

Einen Eintrag in das Führungszeugnis haben Sie erst ab einer Geldstrafe von über 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von über drei Monate zu befürchten, sofern im Register keine weitere Strafe eingetragen ist (§ 32 BZRG). Deshalb kann sich als nicht vorbestraft bezeichnen, wer nicht zu 91 Tagessätzen oder mehr verurteilt wurde, auch wenn  andere Eintragungen im Bundeszentralregister vermerkt sind, denn maßgeblich ist, dass laut Führungszeugnis keine Vorstrafe gegeben ist.

Auf folgende Besonderheit sei jedoch hingewiesen: Studenten, die einen Beruf im Staatsdienst anstreben, müssen wissen, dass der künftiger Dienstherr hier besondere Einsichtsrechte in das Bundeszentralregister in Anspruch nehmen kann. Denn hier wird auch eine Strafe eingetragen, die 90 Tagesätze nicht übersteigt. Der private Arbeitgeber kann einen solchen Eintrag jedoch nicht sehen, weil der private Arbeitgeber nur die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangen kann, in das, wie gesagt, eine solche Strafe nicht eingetragen wird. Beispielsweise den Finanzbehörden, der Polizei, den Gerichten und obersten Bundes- und Landesbehörden steht jedoch ein vollumfängliches Recht auf Einsicht in das Bundeszentralregister zu. Letztere können unter bestimmten Bedingungen die dabei gewonnenen Erkenntnisse auch untergeordneten Behörden zur Kenntnis geben. Will man beispielsweise Lehrer werden, muss man diese Besonderheit im Auge behalten.

Löschung aus dem Führungszeugnis bzw. Bundeszentralregister

Sollten Sie zu mehr als 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt worden sein, so dauert es drei Jahre ab Rechtskraft des Urteils oder Strafbefehls, bis ihre Strafe nicht mehr in das Führungszeugnis eingetragen wird (§ 34 I Nr. 1a BZRG).

Wie gesagt, in das Bundeszentralregister werden alle Strafen eingetragen. Der private Arbeitgeber hat auf diese Einträge nur keinen Zugriff. Beispielsweise für Lehramtsstudenten hat dies zur Folge, dass – selbst wenn sie zu weniger als 91 Tagessätzen verurteilt worden sind – die Strafe erst nach fünf Jahren getilgt wird (§ 46 I Nr. 1a BZRG), der zukünftige Dienstherr über diesen Zeitraum den Eintrag also sehen kann.

Fazit

Mit großer Akribie und guter Argumentation lässt sich auch und gerade in BAföG-Betrugsverfahren viel erreichen. Wir haben schon viele Verfahren aus diesem Bereich zu einem guten Ergebnis führen können. Wir freuen uns, auch Ihren Fall mit diesem Anspruch betreuen zu dürfen. Dabei sind wir ob des weitgehend formalen BAföG-Betrugsverfahrens nicht auf einen Standort festgelegt. Wir vertreten Sie bundesweit. Selbstverständlich können Sie uns an einem unserer Standorte in Hamburg oder Oldenburg persönlich aufsuchen. In strafrechtlichen BAföG-Betrugsverfahren lässt sich vieles aber auch telefonisch besprechen und klären. Wir richten uns ganz nach Ihnen.

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