Untersuchungshaft: Das Telefonat nach draußen

Mehr zum Thema: Strafrecht, Telefonat, Untersuchungshaft, Gefängnis, Verurteilung, Telefon
4,7 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
10

Weit mehr als bloßer Zeitvertreib

Ein Jeder weiß oft nicht, was eine einfache Handlung manchmal in bestimmten Lagen für eine große Wirkung entfachen kann.

So ist Telefonieren im Alltag für viele ein notwendiges Übel oder auch nur eine bloße Zweckhandlung.

Anders sieht diese Möglichkeit aus, wenn man 23 Stunden am Tag in einer meist nur 8 qm großen Zelle sitzt und bestenfalls eigene Möglichkeiten findet, sich selbst zu beschäftigen.

Dies ist der Fall, wenn sich ein Beschuldigter in Untersuchungshaft befindet.

Gemäß § 119 I StPO ist der Verhaftete nicht mit anderen Gefangenen in demselben Raum unterzubringen.

Gemäß § 119 III StPO sind zudem dem Verhafteten nur solche Beschränkungen aufzuerlegen, die dem Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung in der Vollzugsanstalt erfordern.

Daher sind nach § 112 StPO dem Beschuldigten solche Beschränkungen aufzuerlegen, soweit diese zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich sind.

So ist der fernmündliche Verkehr, also ein Telefonat, mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt, zumeist vertraute Menschen, weitestgehend untersagt.

Telefonate mit Familienangehörigen werden in der Regel nur in absoluten Ausnahmefällen bei besonders berechtigtem Interesse gestattet.

So bleibt zumeist dem Häftling nur der Platz neben einer Sozialhelferin/helfer, während diese mit den Angehörigen telefoniert.

Das Landgericht Bonn hat nun in einem Beschluss vom 03.06.2011 – 22 Qs 784 Js 148/11-47/11 beschlossen, dass nicht schlichtweg jeder telefonische Kontakt mit Angehörigen untersagt werden darf.

Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte bestehen, welche vermuten lassen, dass der Kontakt zu den Angehörigen des Beschuldigten Gefahren für die Ermittlungen und Tatnachweis haben kann.

Das Landgericht Bonn führt weiter aus, dass die Unterbindung der Kommunikation mit Angehörigen über einen längeren Zeitraum eine empfindliche Belastung darstellt und im schlimmsten Fall zu einer vollständigen Entfremdung des Beschuldigten und den Angehörigen führen kann.

Die Aufgabe des Staates sei es jedoch, die Erhaltung der Ehe und Familie zu unterstützen. Auch in solchen Extremsituationen wie der Haft.

In der Praxis wird leider viel zu oft schlichtweg ein pauschales Verbot angenommen, ohne dass eine individuelle Fallprüfung stattfindet.

Der Beschluss des LG Bonn ist daher zu begrüßen, da ein kurzer Anruf und das Hören der Stimme einer vertrauten Person erhebliche positive Auswirkungen auf einen Beschuldigten in Untersuchungshaft haben kann und freilich auch für die Angehörigen ein solches Telefonat von großem Wert ist.

Das könnte Sie auch interessieren
Strafrecht Wenn Tochter und/oder Sohn in Konflikt mit dem Gesetz geraten