Zur Anrechnung von Studienleistungen im Studiengang Tiermedizin

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Die Wartezeit für einen Studienplatz im Studiengang Tiermedizin beträgt mittlerweile 12 Semester. Studienbewerber, die aufgrund ihrer Note auf absehbare Zeit im 1. Fachsemester keinen Studienplatz erhalten, versuchen häufig durch ein Studium der Tiermedizin im Ausland - insbesondere an der Szent-István-Universität Budapest - oder in einem verwandten Studiengang im Inland anrechenbare Leistungen zu erhalten. Sie können sich dann direkt bei der Hochschule um einen Studienplatz im höheren Fachsemester bewerben. Um einen Studienplatz im höheren Fachsemester zu erhalten, sind jedoch zwei Hürden zu überwinden: Zum einen muss ein Bewerber einen Studienplatz erhalten. Zum anderen benötigt er einen Anrechnungsbescheid für das entsprechende Fachsemester, um immatrikuliert werden zu können. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten (TAppV) sind die Hochschulen für die Ausstellung der Anrechnungsbescheide zuständig, d.h. ein Studienbewerber, der sich an allen fünf Fakultäten, die im Studiengang Tiermedizin ausbilden, bewirbt, benötigt von jeder dieser Hochschulen einen Anrechnungsbescheid. Die Hochschulen stellen i.d.R. isolierte Anrechnungsbescheide aus. Über Zulassung und Anrechnung wird gesondert entschieden. Somit erhält ein Bewerber u.U. von einer Hochschule einen Anrechnungsbescheid über ein Fachsemester, von einer anderen Hochschule über zwei Fachsemester, obwohl an beiden Hochschulen identische Leistungsnachweise vorgelegt wurden.

Die Universität Leipzig hat in jüngster Zeit mehrfach eine Anrechnung verweigert. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat die Position der betroffenen Studienbewerber gestärkt:

So hat sich die Hochschule u.a. bei der Weigerung eine Anrechnung vorzunehmen darauf berufen, dass ein Studienbewerber den Antrag auf Erteilung eines Anrechnungsbescheides nicht fristgerecht – also nach Ablauf der Bewerbungsfrist zum 31.05. bzw. 15.01. – gestellt habe. Das Verwaltungsgericht Leipzig hat entschieden, dass auf die Stellung von Anrechnungsanträgen nicht dieselben Fristen wie für die Bewerbung um einen Studienplatz anzuwenden seien (VG Leipzig, Beschl. v. 19.11.2010, Az. 4 L 854/10). Der Formulierung in der TAppV, dass der Antrag auf Anrechnung mit dem Antrag auf Einschreibung oder Zulassung zu stellen sei, könne nicht entnommen werden, dass ein nach dem Bewerbungsstichtag gestellter Anrechnungsantrag als verfristet abzulehnen sei. § 66 TAppV enthalte keine so genannte Ausschlussfrist. Die Norm sei vielmehr eine bloße Ordnungsvorschrift durch die Mehrfachbeantragungen vermieden werden sollen. Auch müsse den Antragstellern eingeräumt werden, im laufenden Semester noch Leistungen zu erbringen. Davon zu unterscheiden ist die Bewerbung um einen Studienplatz. Diese Bewerbung ist selbstverständlich an Ausschlussfristen gebunden. Ob es im Freistaat Sachsen zulässig ist, für Bewerbungen um einen Studienplatz im höheren Fachsemester eine Frist zum 31.05. für ein Wintersemester zu setzen, musste das Gericht nicht entscheiden.

Weiterhin geht das Verwaltungsgericht Leipzig davon aus, für die Erteilung eines Anrechnungsbescheids sei es nicht erforderlich, dass die bereits erbrachten Leistungen identisch mit denen an der aufnehmenden Hochschule seien. Vielmehr komme es auf eine Vergleichbarkeit der Studienleistungen an. Abzustellen sei auf die Studieninhalte der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten. Auf die konkrete Organisation des Studiums an der jeweiligen Hochschule komme es nicht an (VG Leipzig, Beschl. v. 29.06.2010, 4 L 229/10). Mit anderen Worten ist es unschädlich, wenn aufgrund von Abweichungen der Studienordnungen die entsprechenden Kurse zu unterschiedlichen Zeitpunkten absolviert werden. Abweichungen zwischen Stundenplänen und Studienordnungen der aufnehmenden Hochschule und der TAppV sind damit unbeachtlich.

Abschließende Entscheidungen des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, das als Rechtsmittelinstanz zuständig ist, zu diesen aufgeworfenen Fragen stehen noch aus. Auch liegt noch keine Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zur Frage der Anrechnung von Studienleistungen nach neuer TAppV vor.

Studienbewerber sollten daher folgendes beachten: Soweit die Hochschule Fristen für die Stellung von Anrechnungsanträgen setzt, sollten diese eingehalten werden. Anrechnungsanträge sollten per Einschreiben versandt werden, da der Antragsteller den Zugang im Streitfall nachweisen muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Postlaufzeit von Einschreiben länger ist, als die von einfachen Briefen. Lehnt die Hochschule eine Anrechnung von Studienleistungen ab oder verweigert die Immatrikulation, sollte von einem sachkundigen Rechtsanwalt geprüft werden, ob gegen diese Entscheidung Rechtsmittel eingelegt wird. Ein Indiz für die Rechtswidrigkeit der Entscheidung ist das Vorliegen eines Anrechnungsbescheids einer anderen Hochschule. Zwar hat das Verwaltungsgericht Leipzig offen gelassen, ob eine umfassende Bindungswirkung besteht. Jedoch komme den Anrechnungsbescheiden anderer Hochschule eine Indizwirkung dahingehend zu, dass eine Anrechnung vorzunehmen ist. Weiterhin ist Eile geboten. Durch einen einstweiligen Rechtsschutzsantrag beim zuständigen Verwaltungsgericht muss ggf. erreicht werden, dass der Studienplatz nicht anderweitig vergeben wird.

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