Abmahnung Urheberrecht: BGH legt Grenzen ausreichender Unterlassungserklärung fest!

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Urteilsgründe des BGH (BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az.:  I ZR 121/08Sommer unseres Lebens ) liegen vor:

Die lange erwarteten Urteilsgründe in dem Filesharing-Fall „Sommer unseres Lebens“ des Bundesgerichtshofs (BGH) liegen nun vor. Die Urteilsgründe lassen offen, ob eine generelle Begrenzung der Abmahnkosten auf € 100,00 bei erstmaligen Filesharing-Abmahnungen gegeben ist. Der BGH hat den Fall insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Sehr erfreulich für alle Abgemahnten ist aber, dass der BGH jedenfalls in seiner Pressemitteilung deutlich gemacht hat, dass er bei erstmaligen Abmahnungen und wenn es nur um einen Musiktitel geht, der heruntergeladen wurde, die € 100,00-Grenze für einschlägig hält. Zudem ist nun klar, dass Abgemahnte, die Inhaber eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses sind, nicht als Täter oder Teilnehmer haften, sondern nur auf Unterlassung. Wichtig ist insoweit für die abzugebende Unterlassungserklärung, dass ein Unterlassungsanspruch dem Rechteinhaber laut BGH nur insoweit zusteht, als er sich „dagegen wendet, dass der Beklagte außenstehenden Dritten Rechtsverlet-ungen der genannten Art ermöglicht, indem er den Zugang zu seinem WLAN-Anschluss unzureichend sichert“ (BGH,aaO, Rn. 36). Die vorschnelle Unterzeichnung einer weitergehenden vorgefertigten Unterlassungserklärung der Gegenseite sollte daher unbedingt unterbleiben und Rat eines Fachanwalts für Gewerblichen Rechtsschutz eingeholt werden.

Lars Jaeschke
Partner
seit 2010
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz
Neuenweg 19 B (Rau-Haus)
35390 Gießen
Tel: 0641 68681160
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E-Mail:
Markenrecht, Medienrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht

Im Einzelnen:

1. Keine Haftung als „Täter oder Teilnehmer“ des Inhabers eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses

Der BGH hat entschieden, dass der Inhaber eines  nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses „nicht als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung nach §§ 19a, 97 UrhG haftet.“ (BGH, aaO, Rn. 10).

a.) Keine Haftung als Täter

Es kommt laut BGH keine Haftung von Abgemahnten als Täter, die ein nicht ausreichend gesichertes WLAN betreiben, in Betracht.

Zunächst scheidet eine Haftung unter dem Aspekt der Verletzung einer „wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht“ aus. Während im Wettbewerbsrecht das in Rede stehende Verhalten – die Eröffnung einer nicht hinreichend begrenzten Gefahr für die geschützten Interessen anderer Marktteilnehmer – ohne weiteres als eine unlautere geschäftliche Handlung eingeordnet werden kann, müssen für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein. Im Streitfall müsste das Verhalten des Abgemahnten – also die Unterhaltung eines nicht ausreichend gesicherten privaten WLAN-Anschlusses – den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung des in Rede stehenden urheberrechtlichen Werkes (§ 19a UrhG) erfüllen. Dies ist, wie der BGH nun klargestellt hat, nicht der Fall (BGH, aaO, Rn. 13).

Auch die in Abmahnungen oft zitierte „Halzband“- Entscheidung des BGH (BGHZ 180, 134 Tz. 16 – Halzband ), die einen ebay-Fall betraf, ist nicht auf den Fall der Nutzung eines ungesicherten WLAN-Anschlusses durch außenstehende Dritte übertragbar, so der BGH: „Der IP-Adresse kommt keine mit einem eBay-Konto vergleichbare Identifikationsfunktion zu. Anders als letzteres ist sie keinem konkreten Nutzer zugeordnet, sondern nur einem Anschlussinhaber, der grundsätzlich dazu berechtigt ist, beliebigen Dritten Zugriff auf seinen Internetanschluss zu gestatten. Die IP-Adresse gibt deshalb bestimmungsgemäß keine zuverlässige Auskunft über die Person, die zu einem konkreten Zeitpunkt einen bestimmten Internetanschluss nutzt. Damit fehlt die Grundlage dafür, den Inhaber eines WLAN-Anschlusses im Wege einer unwiderleglichen Vermutung so zu behandeln, als habe er selbst gehandelt (vgl. BGHZ 180, 134 Tz. 16 – Halzband). Es ginge deshalb zu weit, die nicht ausreichende Sicherung eines WLAN-Anschlusses mit der unsorgfältigen Verwahrung der Zugangsdaten für ein eBay-Konto gleichzusetzen. Dies würde die WLAN-Nutzung im Privatbereich auch mit unangemessenen Haftungsrisiken belasten, weil der Anschlussinhaber bei Annahme einer täterschaftlichen Verantwortung unbegrenzt auf Schadensersatz haften würde, wenn außenstehende Dritte seinen Anschluss in für ihn nicht vorhersehbarer Weise für Rechtsverletzungen im Internet nutzen“ (BGH, aaO, Rnn, 14f.).

b.) Mangels Vorsatz auch keine Haftung als „Teilnehmer“

Abgemahnte, die einen unzureichend gesicherten WLAN-Anschluss betreiben, haften auch nicht Teilnehmer der durch unbekannten Dritte begangenen Urheberrechtsverletzung. Ihnen fehlt jedenfalls der dafür erforderliche Vorsatz (BGH, aaO, Rn, 17).

2.   „Sekundäre Darlegungslast“ des Inhabers eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses = Man muss sagen, wer es war bzw. was man weiss .

Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht laut BGH eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine „sekundäre Darlegungslast“ des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen. Das heisst, der Abgemahnte muss sagen, wer es war bzw. was er diesbezüglich weiss.

Dieser sekundären Darlegungslast ist der Beklagte im vom BGH entschiedenen Fall ausreichend nachgekommen, indem er – von der Klägerin unbestritten – vorgetragen hat, zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub gewesen zu sein, während sich seine PC-Anlage in einem für Dritte nicht zugänglichen, abgeschlossenen Büroraum befunden habe. Die Vorlage eines Routerprotokolls hat die Klägerin von dem Beklagten in den Vorinstanzen nicht verlangt. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein solches Protokoll mit entscheidungserheblichem Inhalt hätte vorgelegt werden können, war der computertechnisch nicht versierte Beklagte jedenfalls nicht verpflichtet, von sich aus ein Routerprotokoll vorzulegen. Das Berufungsgericht konnte deshalb ohne Rechtsfehler annehmen, dass die unmittelbar urheberrechtsverletzende Handlung nur von einem Dritten begangen worden sein konnte, der die WLAN-Verbindung des Beklagten von außerhalb nutzte, um sich Zugang zu dessen Internetanschluss zu verschaffen (BGH, aaO, Rn. 12).

3.   Keine Haftung auf Schadensersatz des Inhabers eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses

Haftet der Beklagte nicht als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung, scheidet ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus (BGH, aaO, Rn. 17).

4. Nur Haftung auf Unterlassung des Inhabers eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses

Der Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Anschlusses ist „adäquat kausal“ für Urheberrechtsverletzungen, die unbekannte Dritte unter Einsatz dieses Anschlusses begehen.

Auch privaten Anschlussinhabern obliegen insoweit Prüfungspflichten, deren Verletzung zu einer Störerhaftung führt. Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich auch für eine Privatperson zunächst nach den jeweiligen technischen Möglichkeiten. Es würde die privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und wäre damit unverhältnismäßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht würde, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfungspflicht im Hinblick auf die unbefugte Nutzung eines WLAN-Routers konkretisiert sich vielmehr dahin, dass jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind. Diese Pflicht wird verletzt, wenn man es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben hat. Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwörter gehörte schon Mitte 2006 zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer, so der BGH. Sie ist auch mit keinen Mehrkosten verbunden. Ein Unterlassungsanspruch steht dem Rechtsinhaber nur insoweit zu, als er sich dagegen wendet, dass der Abgemahnte außenstehenden Dritten Rechtsverlet-zungen der genannten Art ermöglicht, indem er den Zugang zu seinem WLAN-Anschluss unzureichend sichert. (BGH, aaO, Rnn. 19ff., 32ff.).

5. Höhe der Abmahnkosten

In Bezug auf die Höhe der Abmahnkosten führt der BGH aus: „Hinsichtlich der geltend gemachten Abmahnkosten ist der Rechtsstreit (…) noch nicht zur Entscheidung reif. Das Berufungsgericht hat bislang noch nicht geprüft, ob nach dem maßgeblichen Sachverhalt – unzureichende Sicherung eines WLAN-Anschlusses, die zum einmaligen öffentlichen Zugänglichmachen eines einzelnen Titels auf einer Tauschbörse geführt hat – die vom Vertreter der Klägerin angesetzte Geschäftsgebühr auf der Grundlage eines Streitwerts von 10.000 € zu berechnen ist“ (BGH, aaO, Rn. 38).

In seiner Pressemitteilung sagt der BGH allerdings: „ Der Beklagte haftet deshalb nach den Rechtsgrundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten ( nach geltendem, im Streitfall aber noch nicht anwendbaren Recht fallen insofern maximal 100 € an)“ , vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010, Az. :  I ZR 121/08 –   Sommer unseres Lebens; Pressemitteilung Nr. 101/2010 vom 12.05.2010).

Daher ist davon auszugehen, dass der BGH eine Begrenzung der Abmahnkosten auf € 100,00 jedenfalls bei einer erstmaligen Abmahnung bzgl. eines einzigen Musiktitels festlegen wollte.

6. Vorgehen nach Erhalt einer Abmahnung

Die von der Gegenseite vorgelegte und meistens viel zu weite Unterlassungseklärung sollte nicht unterschrieben werden, sondern Rat bei einem spezialisierten Fachanwalt eingeholt werden.

Abmahnende Kanzleien versenden oft mehrere hundert Abmahnschreiben pro Woche. Oft sind diese Standardschreiben in vielerlei Hinsicht unsubstantiiert und daher so gut wie immer vorbehaltlich einer oft anzuratenden vergleichsweisen Einigung zunächst zurückzuweisen. Meist wird weder eine Originalvollmacht vorgelegt (Erfordernis umstritten), noch ein Nachweis für die behauptete Inhaberschaft der ausschliesslichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Werken erbracht. Abgemahnte haben zudem nicht selten den behaupteten Urheberrechtsverstoß nicht begangen. Ob und in welchem Umfang tatsächlich Daten geflossen sind, kann der behauptete „Tatnachweis“ in vielen Fällen nicht vermitteln. Ein konkreter Schaden wird fast nie dargelegt. Ein zu ersetzender Schaden für die Kosten der Inanspruchnahme der abmahnenden Anwälte wäre zudem allein aus der zwischen diesen und ihren Mandanten mutmaßlich geschlossenen Honorarvereinbarung zu berechnen, vgl. Urteil des AG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.01.2010 - 13 C 1078/09 – Kostenerstattung bei Filesharing-Abmahnung. Ob der Abgemahnte in der jeweils konkreten Konstellation als Störer zu haften hätte, ist zudem oft sehr fraglich. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass bei Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing sehr wohl§ 97 a UrhG Anwendung finden kann, auch wenn die Rechteinhaber dies bestreiten. Diesbezüglich ist nicht nur auf die aktuelle BGH-Entscheidung hinzuweisen, auch die Instanzgerichte urteilen zunehmend in diese Richtung. Hier ist etwa auf die Entscheidung des AG Frankfurt vom 01.02.2010 hinzuweisen, in welcher nun auch das AG Frankfurt am Main in Filesharing-Fällen – in denen ein haftungsbegründendes Verhalten des Beklagten nachgewiesen werden kann, was oft schon zweifelhaft ist – § 97 a Abs. 2 UrhG für einschlägig hält, wonach die Höhe der Abmahnkosten auf € 100,00 begrenzt sind, sondern auch etwa auf die Entscheidung des Amtsgerichts Halle/Saale, Urteil vom 24.11.2009, Az. 59 C 3258/09 und andere Urteile.

Bei qualifizierter anwaltlicher Beratung kann durch die Abgabe einer aus Sicht des Abgemahnten „entschärften“, aber dennoch rechtssicheren, modizifizierten Unterlassungserklärung den abmahnenden Kanzleien schon „viel Wind aus den Segeln“ genommen werden. Wenn eine Rechtsverletzung nachgewiesen werden kann ist dann dennoch so gut wie immer ein für den Abgemahnten wirtschaftlich sinnvoller Vergleich möglich.

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