Der Bundesgerichtshof fällt Grundsatzurteil für alle Bewertungsportale

Mehr zum Thema: Urheberrecht - Abmahnung, Bewertungsportale, Auskunft, Internet, Anmeldedaten, Bewertung, Tatsachenbehauptung
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Nutzer von Bewertungsportalen bleiben anonym, es besteht kein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch auf Herausgabe der Anmeldedaten des Nutzers

Im Internet lassen sich Bewertungsportale für alle möglichen Themen in großer Zahl auffinden. In diesen Bewertungsportalen, beispielsweise über Restaurants, Hotels oder auch über Lehrer oder Ärzte, kann man anonym, Leistungen und Personen kommentieren und bewerten.

Es liegt auf der Hand, dass man bei anonymen Kommentierungen und Bewertungen nicht nur schnell über das Ziel hinausschießen kann, sondern der Deckmantel der Anonymität es erleichtert, unrichtige Tatsachen oder Diffamierungen über andere Personen zu veröffentlichen.

Arzt ließ unwahre Behauptungen über sich löschen

Im konkreten Fall wandte sich ein Arzt gegen eine auf dem Onlinebewertungsportal „Sanego" veröffentlichte Kommentierung. In diesem Bewertungsportal wurden unstreitig wiederholt dieselben unwahren Behauptungen über diesen Arzt aufgestellt. Unrichtig war die Behauptung, wonach „Patienten drei Stunden lang warten mussten" oder „der Arzt seine Patientenakten in Wäschekörben lagert".

Der verletzte Arzt wehrte sich gegen diese unrichtigen Tatsachenbehauptungen und verlangte von dem Portalbetreiber zunächst nur die Löschung der Beiträge. Der Portalbetreiber kam der Aufforderung nach, die unrichtigen Tatsachenbehauptungen wurden nach der Löschung aber mehrmals neuerlich in das Portal eingestellt. So waren die unwahren Tatsachenbehauptungen über mehrere Monate im Internet aufzufinden.

Zusätzlich Herausgabe der Nutzerdaten gefordert

Aufgrund der wiederholten Veröffentlichung forderte der Arzt schließlich neben der Löschung der Bewertung von dem Portalbetreiber die Herausgabe des Namens und Anschrift des Verletzers, um auf diesem Weg zukünftige Veröffentlichungen zu unterbinden.

Der Rechtsstreit darüber, ob der Internetprovider auf Verlangen des Arztes den Namen des Verletzers herausgeben muss, wurde seit 2011 über drei Instanzen geführt. Während die beiden Vorinstanzen, das Stuttgarter Land- und Oberlandesgericht, einen allgemeinen Auskunftsanspruch gegen den Portalbetreiber aus § 242 BGB bejahten und diesen zur Herausgabe der hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers verpflichtete, entschied nun der Bundesgerichtshof abschließend gegen den verletzten Arzt und für den Portalbetreiber, indem es die Klage auf Auskunftserteilung endgültig abwies. (BGH VI ZR345/13)

BGH: Provider zur Löschung, nicht zur Herausgabe der Nutzerdaten verpflichtet

Der BGH stellte fest, dass ein Portalbetreiber zwar nach Aufforderung zur zeitnahen Löschung von Persönlichkeitsverletzungen verpflichtet ist, jedoch den Namen und die Anschrift des Nutzers nicht herausgeben muss. Für einen solchen Anspruch auf Herausgabe persönliche Daten fehlt es schlicht an der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Nach § 13 Absatz 6 TMG hat ein Dienstanbieter / Portalbetreiber die Nutzung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen und nach § 12 Absatz 2 TMG dürfen persönliche Daten nur herausgegeben werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen oder mit Einwilligung erfolgt. Im Falle einer Persönlichkeitsverletzung hat der Gesetzgeber bewusst auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage verzichtet, so das oberste deutsche Zivilgericht.

Urteil ist kein Freibrief für Beleidigungen und Diffamierungen

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bedeutet aber weder einen Freibrief für Verleugnung, Schmähkritik und Beleidigungen, noch, dass das Internet ein rechtsfreier Raum für Querulanten und sonstigen Verrückte ist, wo man ungestört unter dem Deckmantel der Anonymität Straftaten begehen oder unrichtige Tatsachen über Dritte folgenlos veröffentlichen kann.

Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass der Verletzte einen Unterlassungsanspruch gegen den Portalbetreiber hat und dieser verpflichtet ist, entsprechende Veröffentlichungen nach Aufforderung zu löschen. Ein Portalbetreiber ist auch verpflichtet, auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall die persönlichen Daten des Verletzers herauszugeben, dies ist immer bei einer Straftat der Fall.

Geschädigte sollten Strafanzeige erstatten

Bei dem Anfangsverdacht einer Straftat sollten Geschädigte sofort eine Strafanzeige erstatten. Strafverfolgungsbehörden haben vielfältige Möglichkeiten, den Namen des Verletzers zu ermitteln. Ergeht beispielsweise im Rahmen dieser Ermittlungen auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine richterliche Anordnung, ist der Portalbetreiber verpflichtet, die hinterlegten Anmeldedaten herauszugeben.

Nicht jede unrichtige Tatsachenbehauptung oder überspitzte Meinungsäußerung stellt jedoch eine Straftat dar. In einen solchen Fall bleibt dem Geschädigten nur die Möglichkeit, entsprechende Veröffentlichungen nachträglich löschen zu lassen. Für den Geschädigten ist dies ein Ärgernis, denn er kann erst nachträglich reagieren und muss sich in jedem Einzelfall an den Portalbetreiber wenden.

Hätte der BGH die Klage übrigens nicht abgewiesen, sondern den Portalbetreiber zur Herausgabe der hinterlegten Anmeldedaten verpflichtet, wäre dem Geschädigten wohlmöglich auch nicht viel weiter geholfen gewesen. Niemand kann kontrollieren, ob man sich unter richtigem Namen und richtiger Adresse bei dem Portal angemeldet hat. Hätte sich der Verletzer mit falscher Adresse unter einem Pseudonym angemeldet, wäre die Auskunftserteilung des Portalbetreibers ins Leere gelaufen.

Schnelle Reaktion des Geschädigten erforderlich

Für einen Geschädigten kann es daher mühsam und arbeitsintensiv sein, sich gegen unrichtige Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik zu wehren. Bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet ist aber immer ein schnelles und konsequentes Vorgehen anzuraten, damit verhindert wird, dass hier eine Eigendynamik entsteht, die dann nur sehr beschwerlich wieder bereinigt werden kann. In hartnäckigen Fällen ist dem Geschädigten daher zu raten, sich an einen spezialisierten Anwalt zu wenden.