File-Sharing aktuell: Abmahnkosten der Musik- und Filmindustrie müssen nicht immer ersetzt werden

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Seit Jahren sprechen Teile der Filmindustrie und Musikwirtschaft durch ihre Medien-Anwälte Abmahnungen wegen vermeintlicher Urheberrechtsverletzungen (File-Sharing) im Internet aus.

Hierfür werden hoch spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien, wie die RASCH Rechtsanwälte aus Hamburg (für Universal Music, EMI Music u.a.), die Münchner Kanzlei WALDORF FROMMER (für Constantin Film Verleih GmbH, Bastei Lübbe, Senator Film) oder die Augsburger Urheberrechtsspezialisten Negele Zimmel Greuter Beller Rechtsanwälte (für GMV GmbH & Co. KG, die Savoy Film GmbH, die Morphicon Limited, die BELIREX Berliner Lizenzrechte GmbH, die Cult Movie Entertainment GmbH, Ino Handel & Vertriebs GmbH) beauftragt.

Mit den Abmahnungen beanspruchen die Rechteinhaber die Abgabe einer Unterlassungserklärung, Zahlung von Schadensersatz und die Erstattung der teilweise sehr hohen Anwaltskosten.

Thilo Wagner
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Zumindest der Ersatz der Anwaltskosten sollte zukünftig nicht mehr verlangt werden können. Nach einer neuen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte ein Kostenersatz für die ausgesprochenen Abmahnungen zukünftig nicht mehr möglich sein. Dies folgt im juristischen Umkehrschluss aus einer aktuellen Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts (BverfG, Beschluss vom 30.05.2011 – 1 – BvR 3151/10).

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – Das war der Fall:

Der betroffene Abmahnungsempfänger war mittellos. Er erhielt nur die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem zweiten Sozialgesetzbuch. Der Computernutzer hatte von verschiedenen Anwaltskanzleien, die jeweils von Inhabern von Urheberrechten an Musikwerken beauftragt worden waren, im Laufe von zwei Monaten mehrere Abmahnschreiben erhalten, denen vorformulierte Unterlassungserklärungen beigefügt waren. Grund der Abmahnungen waren angebliche illegale Aktivitäten in Internettauschbörsen. Der Abmahnungsempfänger wandte sich deswegen an eine Rechtsanwaltskanzlei, welche für ihn tätig werden sollte. Hierfür beantragte er in allen Fällen Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz bei dem zuständigen Amtsgericht.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts bewilligte jedoch nur im ersten Fall Beratungshilfe. Alle weiteren Anträge wegen der zusätzlichen Abmahnungen wies er zurück. Der strenge Rechtspfleger begründete seine Entscheidung damit, dass die Angelegenheiten allesamt einfach gelagert seien und die weiteren Abmahnschreiben sämtlich aus dem Jahr 2010 stammten. Der Beschwerdeführer hätte nach der ersten Angelegenheit, für die Beratungshilfe bewilligt worden sei, selbst tätig und die Forderungen selbst abwehren können. Schließlich sei er ja, wegen der Erfahrung aus dem ersten Fall bereits sachkundig genug, um sich selber zu helfen!

Im Wortlaut des Gerichts: „ Denn durch die in einer Sache gewährte Beratung wurde er (der Antragsteller) in die Lage versetzt, die rechtliche Situation auch in den Parallelfällen hinreichend zu beurteilen („unechtes Musterverfahren”). Aus der Erstberatung und den aus ihr hervorgegangenen Dokumenten (Anwaltsschreiben) bezieht der Beratene bei Vorliegen mehrerer sachlich und rechtlich (nahezu) gleich gelagerter Fälle spezifische Rechtskenntnisse, die eine im Prinzip rechtlich anspruchsvolle Materie auch für den Laien handhabbar machen können. Die Verweisung auf Selbsthilfe stellt dann keine unverhältnismäßige Einschränkung der Rechtswahrnehmung dar, weil auch ein kostenbewusster Bemittelter das aufgrund der Erstberatung vorhandene Wissen selbständig auf die späteren Fälle übertragen würde“ .

Diese Einschätzung ist nicht unproblematisch, schließlich verfügen Laien auch wenn sie einmal in einem vergleichbaren Fall einen Rechtsanwalt beauftragt haben, über keinerlei spezifischen Rechtskenntnisse, während die Abmahnschreiben durch viele schwierige Rechtsbegriffe und sehr kurze Fristen gekennzeichnet sind. Zudem sind die einzelnen Schreiben verschieden begründet und enthalten meist unterschiedliche Angaben zum Streitwert und zu den Schadensersatzbeträgen.

Urheberrecht ist insoweit immer eine Spezialmaterie. Wenn dem privaten Verbraucher jedoch bereits nach einem möglichen Fall ein derartiges Spezialwissen abverlangt wird, muss dies erst recht auch für die im Urheberrecht beheimatete Musik- und Filmindustrie gelten.

Konsequenz für die abmahnenden Unternehmen der Musik und Filmwirtschaft: Kein Kostenersatz!

Nach der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts müssten die Rechteinhaber, in deren Namen die Abmahnungen ausgesprochen werden, diese ebenfalls selbstständig abfassen können, ohne dass die Einschaltung eines Anwalts erforderlich wäre. Schließlich handelt es sich um eine Vielzahl von Parallelverfahren, die mit dem einmal erworben Wissen von den Rechteinhabern im Serienbriefverfahren selbst und einfach bearbeitet werden können. Die Hinzuziehung eines Anwaltsbüros für das Verschicken der immer gleich lautenden Schreiben ist somit nicht notwendig. Folglich kann auch kein Ersatz für unnötige Anwaltskosten der Rechteinhaber verlangt werden (vgl. Heckmann/Berger, jurisPR-ITR 18/2011 Anm. 4).

Tipp für die Praxis: Vorsicht bei Abmahnung mit Schadensersatz- und Kostenforderung!

Bewahren Sie Ruhe, wenn Sie eine Abmahnung erhalten! Die Sach- und Rechtslage ist keinesfalls so eindeutig, wie es die Abmahnschreiben häufig suggerieren. Einige der geltend gemachten Ansprüche bestehen oft nicht, sind zu hoch bemessen oder tatsächlich kaum durchsetzbar. Insoweit lohnt es sich, den Rat eines im Urheberrecht erfahrenen Rechtsanwaltes in Anspruch zu nehmen. Der Abmahnungs-Spezialist wird Sie ganz genau darüber aufklären, welche Forderungen wirklich bestehen und welche Ansprüche gut abgewehrt werden können. Er wird Sie zudem über das bestehende Prozessrisiko und über vermeidbare strafrechtliche Konsequenzen aufklären. Meist können hohe Zahlungen und Gerichtsverfahren verhindert werden. Keinesfalls sollten Sie selbst unmittelbaren Kontakt zu den gegnerischen Anwälten aufnehmen. Hierbei besteht die Gefahr, dass sie sich ungewollt selbst belasten oder gar verpflichten und so eine weitere Inanspruchnahme überhaupt erst ermöglichen.

Zusatzinfo - Das ist Beratungshilfe:

Durch die Beratungshilfe soll es Bürgern mit geringem Einkommen ermöglicht werden, sich in außergerichtlichen Rechtsstreitigkeiten anwaltlich beraten und vertreten zu lassen. Sie wird für die meisten Rechtsgebiete gewährt. Beratungshilfe erhält, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die für eine sachkundige Beratung oder Interessenvertretung erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann. Hierbei darf jedoch die beabsichtigte Wahrnehmung der rechtlichen Interessen nicht mutwillig erscheinen. Die Beratungshilfe erhält man, indem man persönlich einen Antrag bei dem eigenen Amtsgericht stellt. In Abmahnverfahren ist Beratungshilfe oft nicht notwendig, da im Urheberrecht erfahrene Anwälte meist sehr kostengünstige Beratungspauschalen anbieten und nicht nach den hohen Streitwerten berechnen.

WAGNER HALBE Rechtsanwälte

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