Aktueller Hinweisbeschluss des LG Hamburg: In Filesharing-Fällen haften Eltern nicht für volljährige Kinder!

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Aktueller Hinweisbeschluss zur Haftung von Eltern bei Filesharing

Seit einigen Jahren erhalten Tausende von Anschlussinhabern Abmahnungen wegen des Verdachts des illegalen Datentausches im Internet (sogenanntes Filesharing von Musikalben, Kinofilmen oder Software).

Die Empfänger der Abmahnungsschreiben werden aufgefordert, innerhalb einer sehr kurzen Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Zudem sollen teilweise sehr hohe Geldzahlungen an die Rechteinhaber geleistet werden (vgl. z.B. "Neue Abmahnungen der Rasch Rechtsanwälte für Universal Music").

Thilo Wagner
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Wird auf eine solche urheberrechtliche Abmahnung richtig reagiert, können Zahlungen an die Gegenseite, Strafverfahren und zivilrechtliche Klagen in aller Regel einfach verhindert werden. Keinesfalls sollten die der Abmahnung beigefügten Formulare, wie etwa eine Unterlassungserklärung oder eine Vergleichsannahmeerklärung ungeprüft unterschrieben werden. Häufig verpflichten sich die Empfänger der Abmahnung erst durch ihre Unterschrift zur Zahlung der eingeforderten Geldbeträge.

Wird auf die Abmahnung nicht oder sogar falsch reagiert, werden die in dem Abmahnungsschreiben eingeforderten Unterlassungs-, Auskunfts- und Geldzahlungsansprüche oft mit einer ganz erheblichen zeitlichen Verzögerung gerichtlich geltend gemacht.

In den gerichtlichen Klageverfahren wird die zivilrechtliche Haftung des an dem Datentausch meist völlig unbeteiligten Anschlussinhabers geprüft. Bei der Entscheidung der einzelnen Rechtsstreite ist es besonders problematisch, dass viele juristische Fragen der Haftung des Anschlussinhabers in der Rechtswissenschaft umstritten sind. Die noch offenen Rechtsfragen werden durch die Gerichte nur langsam geklärt. Erst nach und nach entsteht eine einheitliche Rechtsprechung.

Ein häufiges Problem ist die Frage, ob Elternteile die ein volljähriges Kind beherbergen, für mögliche Rechtsverletzungen des volljährigen Kindes in Anspruch genommen werden können.

In einem aktuellen Hinweisbeschluss betont das Landgericht Hamburg nun erstmals, dass es Eltern nicht zumutbar ist, das Telekommunikationsverhalten der volljährigen Kinder zu überwachen (Landgericht Hamburg, Hinweisbeschluss vom 21.6.12 – 308 O 495/11).

Diese Rechtsansicht hat letztlich zur Folge, dass Eltern nicht für ein schuldhaftes Verhalten eines volljährigen Kindes in Anspruch genommen werden können. Schließlich verletzten die Eltern keine gesetzliche oder vertragliche Kontrollverpflichtung, wenn Sie den elektronischen Datenverkehr des volljährigen Kindes nicht anlasslos überprüfen. Sie haben unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt schuldhaft gehandelt.

Der genaue Wortlaut des Beschlusses lautet wie folgt:

„Die Parteien werden auf folgendes hingewiesen:

 Die Frage der dem Anschlussinhaber im Rahmen der Störerhaftung obliegenden Prüfpflichten gegenüber im Haushalt lebenden volljährigen Kindern ist umstritten. Nach dem hiesigen Kenntnisstand hat von den Oberlandesgerichten bisher nur das OLG Frankfurt/M. sich eindeutig dahingehend positioniert, das ohne Anlass keine Pflichten bestehen (GRUR-RR 2008, 73, 74). in gleicher Weise hat das Landgericht Mannheim entschieden (MMR 2007, 267 und 2007, 74). Das OLG Köln hat diese Frage in der von dem Beklagten für sich in Anspruch genommenen Entscheidung vom 16.5.2012 (BeckRS 2012, 10844) ausdrücklich offen gelassen. Das von dem Kläger zitierte Urteil vom 30.5.2005 zu der Geschäftsnummer 310 O 374/11 (Anm.: Urteil des LG Hamburg vom 30.05.2012) betrifft die Haftung für einen im Haushalt des Anschlussinhabers lebenden 28-jährigen Sohn der Lebensgefährtin.

Die Kammer hat diese Frage noch nicht ausdrücklich entscheiden müssen. Sie neigt der Auffassung des OLG Frankfurt/Main und des LG Mannheim zu. Bei volljährigen Kindern kann davon ausgegangen werden, dass diesen bekannt ist, dass sie solche Rechtsverletzungen im Internet nicht begehen dürfen. Eine Instruktionspflicht wäre daher reine Förmelei. Der Möglichkeit einer Verletzung entgegen wirken könnte letztlich nur ein regelmäßiges Überwachen. Das ist gegenüber volljährigen Familienmitgliedern aber ohne Anlass nicht zumutbar. Die Überlassung des Internetanschlusses beruht auf dem familiären Verbund. Prüfungs- und Überwachungspflichten gegenüber Kindern sind innerhalb dieses Verbundes nur zumutbar, soweit diese im Rahmen von deren Erziehung und der Fürsorge in Abhängigkeit von deren Alter erforderlich sind. Bei volljährigen Kindern müssen Eltern im Regelfall davon ausgehen dürfen, dass diese eigenverantwortlich richtig handeln. In einem - grundsätzlich geschützten - familiären Verbund ist es weder ihnen zumutbar, ein volljähriges Kind ohne Anlass Überwachungsmaßnahmen auszusetzen, noch muss ein volljähriges Kind eine solche anlasslose Überwachung hinnehmen.

Das hätte hier zur Folge, dass nach Aktenlage weder eine Täter- noch eine Störerhaftung in Betracht kommt."

Fazit:

Das Landgericht Hamburg nimmt die Grundrechte auf Schutz der Familie und Telekommunikationsfreiheit ernst. Abgesehen davon, dass es in vielen Fällen gar nicht möglich ist, die Internetnutzung anderer Familienteilnehmer zu kontrollieren, wäre eine durch die Rechtsprechung statuierte Kontrollpflicht anderer Familienmitglieder für die Betroffenen persönlich unzumutbar und zudem grundrechtswidrig. Eine Kontrollverpflichtung der Eltern stellte einen schwerwiegenden und nicht gerechtfertigten Eingriff in die familiäre Privatsphäre und das Recht auf ungestörte Telekommunikationsfreiheit dar. Volljährige Kinder haben das Recht, das Internet ohne Kontrolle der Eltern zu benutzen. Eltern haben nicht die Verpflichtung, die Kommunikation ihrer volljährigen Kinder zu überwachen.

Bei spezialisierter juristischer Hilfe können Abmahnungen und die darin geltend gemachten Forderungen außergerichtlich gut abgewehrt werden. Ungerechtfertigte Zahlungen und lange Prozesse sind dann nicht zu befürchten. Meist werden nur solche Fälle gerichtlich weiter verfolgt, in denen die angeschriebenen Anschlussinhaber nicht oder ohne Hilfe eines spezialisierten Rechtsanwaltes auf die Abmahnung reagiert haben. Wie der Hinweisbeschluss des Gerichts zeigt, bestehen aber auch noch im Fall einer gerichtlichen Inanspruchnahme häufig gute Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Klage.

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