Flüchtlingskrise und Vereinsleben – moralisch klar, rechtlich offen?

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Wenn öffentliche Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen benötigt werden, fehlen teilweise Räume für die örtlichen Vereine. Wie Vereine hiermit umgehen können.

Dieser Ratgeber widmet sich einem – in der Beratungspraxis immer mehr in den Vordergrund rückendenden – Problem im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise: den Auswirkungen auf die örtlichen Vereine.

Überlastete Gemeinden

Die Sachlage ist allgegenwärtig: Die Gemeinden und Städte sind mit der Unterbringung von Flüchtlingen ausgelastet oder völlig überlastet. Dabei wird dann auf öffentliche Gebäude, insbesondere auch Turnhallen zurückgegriffen. Und genau hier ergibt sich nun das Dilemma für viele örtliche Vereine. Zahlreiche Vereine haben nämlich einen Mietvertrag für dieses öffentliche Gebäude. Zum Beispiel der Sportverein für seine jugendlichen Turner oder der Musikverein für den jährlich stattfindenden Flohmarkt. Diese Mietverträge werden von den Gemeinden nun im großen Stil gekündigt. Die Begründung liegt auf der Hand und erscheint auch hieb- und stichfest.

Johannes Kromer
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Vereine in die Ecke gedrängt

Dennoch mehrt sich die Anzahl der Vereine, die hier nun rechtliche Unterstützung suchen. Wie möchte der Sportverein Jugendturnen anbieten ohne Turnhalle? Wie finanziert der Musikverein sein Ausbildungsprogramm ohne die eingeplanten Einnahmen aus gelegentlichen Festen? Häufig geht es um nichts Geringeres als um die Existenz des Vereins. Der pflichtgemäß handelnde Vorstand muss hier alle Möglichkeiten prüfen.

Das Vorgehen gegen die Kündigung des Mietvertrages ist natürlich zunächst auf den ersten Blick ein moralisches Problem. Bei näherer Betrachtung der rechtlichen Grundlagen ergibt sich aber im Einzelfall durchaus ein divergierendes Bild.

Kündigung wegen öffentlicher Interessen?

Der Mietvertrag mit der Gemeinde hat üblicherweise eine Klausel, wonach ein Kündigungsrecht besteht, wenn dies die öffentlichen Interessen erfordern. Auch ohne eine solche Klausel wird man ein entsprechendes Kündigungsrecht annehmen dürfen. Für viele Gemeinden hört bei diesem Punkt die rechtliche Betrachtung bereits auf. Für den beauftragten Rechtsanwalt fängt hier die Betrachtung jedoch erst an. Natürlich dürfte die Unterbringung von Flüchtlingen im öffentlichen Interesse liegen. Allerdings liegen auch die Vereinsaktivitäten regelmäßig ebenfalls im öffentlichen Interesse.

Vergessene öffentliche Interessen am Vereinsleben

Die Vereinsfreiheit ist in Artikel 9 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich garantiert. Die Vereinstätigkeiten liegen oft ebenfalls im öffentlichen Interesse. Gerade durch die Vielzahl an Vereinen herrscht zum Beispiel eine kulturelle Vielfalt.

Durch eine Kündigung des Mietvertrages wird in die Vereinsfreiheit durch die öffentliche Hand eingegriffen. Das ist nicht per se unzulässig, erfordert aber eine sachgerechte Auseinandersetzung mit der Lage: Es ist eine umfassende Interessensabwägung vorzunehmen.

Dass dies oft nicht vorgenommen wird, überrascht, da dies eine der Grundpfeiler des Gemeinderechts ist. Bei einer solchen Interessensabwägung geht es nicht nur um Schwarz-oder-Weiß-Entscheidungen, sondern um einen vernünftigen Umgang mit der Problematik. Hier fehlt leider bei vielen Gemeinden ein ausgeprägtes Problembewusstsein. Im gemeinsamen Dialog mit der Gemeinde konnten hier jedoch schon oft Lösungen gefunden werden. Allzu oft wurden nämlich im Vorfeld die Interessen der Vereine völlig ausgeblendet oder unterschätzt.

Fazit

So zwingend wie die Kündigung sich im ersten Moment anhört, so zweifelhaft wird diese oft bei näherer Betrachtung. Dies überrascht nicht, da es sich um eine neue und anspruchsvolle Herausforderung für alle Seiten handelt.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung. Ich setze mich bundesweit für Ihre Interessen ein.

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