Haftung eines Vereins

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Die Betreuungspflicht für Kinder und Jugendliche

Viele Vereine machen mit ihren Mitgliedern Ausflüge, organisieren Feste oder gehen zusammen auf mehrtägige Freizeitveranstaltungen. Dabei stehen oftmals die jeweiligen Betreuer im Fokus, da diese für die Kinder und Jugendlichen im Prinzip rund um die Uhr verantwortlich sind.

Im folgenden Fall veranstaltete ein Verein ein Schachtunier für Jugendliche. Auswärtige Mitglieder wurden in einem Internat untergebracht. Wenig überraschend frönten die Jugendlichen nachts dem Alkohol. Dabei fiel ein weibliches Mitglied vom Dach, brach sich mehrere Knochen und verklagte den Verein auf Schadensersatz.

Das OLG Hamm stellte in seinem Urteil (OLG Hamm, 21.12.1995, Az. 6 U 78/95) zusammenfassend den Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige dar:

„Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimmt sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann (vgl. BGH MDR 1985, 220 = NJW 1984, 2574 ). Das gilt sowohl dann, wenn es darum geht, die Schädigung Dritter durch den Jugendlichen zu verhindern, wie auch dann, wenn der Jugendliche vor den Folgen seines eigenen unvernünftigen Verhaltens geschützt werden soll. Die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen richtet sich danach, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen tun müssen, um Schädigungen des Minderjährigen oder Schädigungen Dritter durch den Minderjährigen abzuwenden (vgl. BGH a.a.O.; MDR 1996, 49 = NJW 1995, 3385; Senatsbeschluss OLGZ 1992, 95; OLG Hamm, 9. Zivilsenat, FamRZ 1995, 167 ).“

Problematisch in diesem Fall war allerdings, dass die Betreuerin der Jugendgruppe um 23 Uhr nach Hause ging und die Jugendlichen in dem Internat alleine und ohne Aufsichtspersonen die Nacht verbringen konnten. Zwar wurde den Teilnehmer ein umfängliches Alkoholverbot ausgesprochen. Dies reichte aber nicht aus. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, dass auch in der Nacht eine Aufsichtsperson anwesend gewesen wäre, die den Alkoholmissbrauch durch regelmäßige Kontrollen unterbunden hätte. Diese Kontrollen hätten auch während der Nacht, zumindest bis eine allgemeine Ruhe eingekehrt wäre, durchgeführt werden müssen. Das Gericht legt nämlich dar – und dies ist durchaus immer noch lebensnah -, dass Jugendliche gerade wenn sie in Gruppen und weg von zu Hause an Freizeitveranstaltungen teilnehmen, gerne „über die Stränge schlagen“.

Der Verein musste sich als das Unterlassen der Betreuungspersonen zurechnen lassen und haftet für die dem Mitglied entstandenen Schäden. Grundsätzlich muss also auch bei Nacht eine Betreuung und Überwachung von Jugendgruppen gewährleistet sein. Vorsicht also bei Ausflügen mit jugendlichen Vereinsmitgliedern. Glück im Unglück hatte der Verein jedoch auch: das verletzte Mädchen musste sich ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen, da es viel mehr Alkohol getrunken hatte als es vertragen konnte.

Ein anderer Fall beschäftigte das OLG Frankfurt (Urteil vom 20.11.2007, Az. 3 U 91/06). In einem Fußballcamp gingen die teilnehmenden Kinder Minigolf spielen. Beim Ausholen mit dem Schläger wurde ein Kind getroffen und an den Zähnen verletzt. Die Betreuer standen etwa 100 Meter weit vom dem Geschehen entfernt. Das Gericht stellte fest, dass diese grundsätzlich aufsichtspflichtig waren.

„Bei der Beurteilung, ob eine Aufsichtspflichtverletzung vorliegt, ist zunächst davon auszugehen, dass Minderjährige als solche wegen ihrer Minderjährigkeit der Aufsicht bedürfen und es auf die besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles insoweit nicht ankommt (Palandt/Sprau BGB, § 832 Rn 2). Diese Aufsichtspflicht hatte der Beklagte vertraglich übernommen. Es bedurfte insoweit keiner ausdrücklichen Erwähnung im Vertrag, die Aufsichtspflicht kann auch stillschweigend ausbedungen sein ( a.a.O., Rn 7). Der Inhalt der Aufsichtspflicht besteht darin, den Aufsichtsbedürftigen (…) zu beobachten, zu belehren und aufzuklären, zu leiten und auf sein Verhalten Einfluss zu nehmen.

Das Gericht sah es hier die Beaufsichtigung aus der Ferne nicht als ausreichend an. Gerade die Ausholbewegungen mit Minigolf-Schlägern seien typische Gefährdungssituationen, insbesondere weil Kinder den Schwung der Schläger auch noch nicht richtig einschätzen können. Es reicht daher nicht aus, die Kinder lediglich auf die Gefahren des Spiels hinzuweisen. Vielmehr hätte sich ein Betreuer bei den Kindern aufhalten müssen, um „Gefährdungssituationen (…) durch ausholende Schlagbewegungen bereits im Ansatz verhindern zu können“.

Hier ist demnach seitens der Betreuer erhebliche Sorgfalt angebracht, um ihrer Aufsichtspflicht zu genügen. Andererseits sind die Anforderungen auch enorm hoch. Keiner kann jedoch seine Augen überall haben und bereits Ansätze gefährlichen Tuns unverzüglich unterbinden. Trotzdem sollten vor allem Kinder nie nur auf Distanz überwacht werden sondern in unmittelbarer Nähe, damit zumindest die Möglichkeit eines direkten Eingreifens besteht.