Recht haben und Recht bekommen

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Was Sie über den Ablauf eines Zivilprozesses wissen sollten

Was erwartet mich im Zivilprozess?

Die nun folgende (kurze) Erläuterung ist für denjenigen (künftigen) Mandanten bestimmt, der keine Erfahrungen und Kenntnisse des deutschen Zivilprozessrechts hat und sich einen kurzen Überblick darüber verschaffen will, welche Faktoren bei einem deutschen Zivilgericht den Unterschied zwischen einer erfolgreichen Klage und einer Klageabweisung ausmachen. Ich als Ihr Anwalt halte es für extrem wichtig, dass Sie möglichst genau wissen worauf es ankommt, und worauf nicht. Dies dient nicht nur Ihrer persönlichen Information über Ihren Prozess, sondern gibt Ihnen auch das nötige Gespür dafür zu erkennen, welche Informationen Sie mir bei Ihrer Vertretung zur Verfügung stellen sollten. Denn soviel gleich vorweg: selbst der beste Anwalt kann einen Prozess nicht gewinnen, wenn ihm die nötige (vom Mandanten zur Verfügung zu stellende) „Munition“ fehlt.

Was ist ein Zivilprozess?

Welche Rolle hat der Richter, welche der Anwalt?

Ein Zivilprozess ist ein privater Rechtsstreit zwischen grds. zwei Parteien (Kläger und Beklagter) über Ansprüche aller Art. Ein solcher Anspruch kann auf Leistung (z.B. Zahlung von Geld oder Herausgabe von Sachen), Unterlassung (z.B. künftige Unterlassung von beleidigenden Äußerungen) oder Feststellung (z.B. der Kläger ist Eigentümer des Hundes Waldi) gerichtet sein.

Um die Rolle von Richter und den Parteien besser zu verstehen, sollten Sie sich einen Prozess als eine besondere Art von „Ballspiel“ vorstellen. Ein solches Spiel hat zwei Gegner, einen Schiedsrichter und natürlich Spielregeln. Die Gegner sind hier die Parteien und ihre Vertreter als Kläger bzw. Beklagte. Der Schiedsrichter ist natürlich der Richter. Und die „Spielregeln“ des Zivilprozesses sind festgelegt in den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Hier jetzt näher in die Details der ZPO zu gehen würde den Rahmen dieser kurzen Übersicht bei weitem sprengen, und Sie i.Ü. nur unnötig verwirren.

Ich halte es aber für sehr wichtig, Ihnen dennoch einige Grundsätze der ZPO mitzugeben. Wenn Sie diese erst einmal kennen, werden Sie begreifen, ob (und v.a. warum) in Ihrem Fall die Erfolgsaussichten gut oder schlecht sind.

Richterliche Unabhängigkeit : der Richter muss den Fall so entscheiden, wie er unter korrekter rechtlicher Wertung der vorliegenden Beweismittel nach den geltenden Gesetzen zu entscheiden ist. Er darf insbesondere nicht für oder gegen eine Partei entscheiden, weil diese bei ihm einen schlechten oder guten Eindruck gemacht hat.

Beibringungsgrundsatz/ Verfügungsgrundsatz : diese beiden Fachbegriffe sind das Kernstück des Zivilprozesses. Der Beibringungsgrundsatz besagt, dass es an den Parteien liegt, die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen oder ggf. zu ermitteln, die erforderlich sind, um den im Raum stehenden Anspruch zu beweisen bzw. zu widerlegen. Das Gegenstück dazu ist die sog. Amtsermittlung, also der Richter oder andere Staatsbedienstete suchen und sammeln Beweise, damit ein behaupteter Sachverhalt als wahr oder unwahr erkannt werden kann. Eine eingeschränkte Amtsermittlung gibt es im Zivilrecht nur in ganz wenigen Bereichen wie z.B. im Erbrecht oder Familienrecht. Bei allgemeinen Zivilsachen gilt sie nicht.

Der Verfügungsgrundsatz setzt genau hier an. Er besagt, dass die Parteien (nicht der Richter) bestimmen, über welche Tatsachen überhaupt Beweis erhoben werden muss, nämlich nur über streitige Tatsachen.

Sind sich die Parteien z.B. darüber einig, dass sie einen Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von € 100 geschlossen haben, es im Prozess aber nur um die Frage gehen soll, ob die verkaufte Sache mangelhaft war oder ob der Kaufpreis auch bezahlt wurde, dann ist diese Vorgabe der Parteien für den Richter bindend. Er wird folglich nicht mehr darüber Beweis erheben, ob ein entsprechender Kaufvertrag geschlossen wurde, sondern nur noch darüber, ob die Sache mangelhaft war bzw. der Kaufpreis bezahlt wurde.

Vorsicht: wird eine vom Gegner vorgebrachte Tatsache nicht bestritten, gilt sie automatisch als zugestanden.

Soweit zum Grundsätzlichsten des Prozesses. Nun zu den Elementen, die den Erfolg oder Misserfolg einer Klage bewirken.

Beweismittel : ein Beweismittel ist jeder Nachweis, der geeignet ist, den geltend zu machenden Anspruch zu untermauern bzw. abzuwehren. Um die Notwendigkeit des Beweismittels zu verstehen müssen Sie erneut die Rolle des Richters beachten. Der Richter kennt die Beteiligten des Rechtsstreits nicht (in jedem anderen Fall müsste man sich die Frage der Befangenheit stellen). Er war bei streitigen Verhandlungen, Unfällen u.ä. nicht dabei. Alles was er „beurteilen“ kann ist das, was der Kläger vorbringt um seinen Anspruch zu belegen bzw. der Beklagte vorbringt um die Existenz des Anspruches zu widerlegen.

In der ZPO gilt dabei in den meisten Fällen, dass man sich nur der darin zugelassenen Mittel der Beweisführung bedienen darf. Diese sind der Beweis durch Augenschein, Zeugen, Sachverständige, Urkunden und Parteivernehmung.

Wenn ein Beweismittel fehlt, weil es nicht (mehr) existiert oder nicht beigebracht werden kann gilt der Grundsatz, dass die Entscheidung nach Beweislast erfolgt. D.h. derjenige, der den Beweis hätte erbringen müssen, es aber nicht konnte wird in diesem Punkt unterliegen.

Beweislast : mit der Frage der Beweislast wird nun der Punkt angesprochen, der einen Prozess entscheiden kann. Und in sehr vielen Fällen steht und fällt die Entscheidung auch genau in diesem Punkt. Wenn von „Recht haben und Recht kriegen“ gesprochen wird ist meistens von Beweislast die Rede. Deshalb kann die Bedeutung der Frage, welche Partei für welche Tatsache die Beweislast trifft nicht oft genug betont werden.

Im Grundsatz gilt hierzu folgendes: Diejenige Partei, die aus einem erbrachten Beweis einen rechtlichen Vorteil erlangen würde ist auch grundsätzlich dafür verantwortlich, den geforderten Beweis zu erbringen.

Beispiel: Ein Verkäufer verlangt Kaufpreiszahlung. Sofern streitig ist, dass es einen Kaufvertrag zwischen den Parteien gibt muss der Verkäufer diese Tatsache beweisen, weil der Kaufvertrag den erforderlichen Rechtsgrund für die Kaufpreiszahlung darstellt, die Zahlung des Kaufpreises für ihn (den Verkäufer) rechtlich vorteilhaft wäre.

Soweit der Grundsatz. Hierzu gibt es aber auch Ausnahmen, eine sog. Beweislastumkehr. In welchen Fällen eine solche Beweislastumkehr greift lässt sich in der gebotenen Kürze nicht pauschal sagen.

Die Bestimmung der Beweislast kann zu einer schwierigen juristischen Aufgabe werden, die eine genaue Prüfung im Einzelfall erfordert. Eine derartige Frage (vor einer Klageerhebung) von einem Rechtsbeistand klären zu lassen kann nur dringend empfohlen werden.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Erläuterungen einen kleinen Einblick in die Gedankengänge eines deutschen Anwalts oder Richters geben konnten. 

Bei informatorischen Anfragen können Sie sich gerne auch per eMail bei mir melden. Eine derartige Anfrage ist für sie nicht mit Kosten verbunden. Sie dient der kurzen Schilderung Ihres Problems zur Beantwortung der Frage, ob und ggf. wie in Ihrem Fall eine anwaltliche Vertretung geboten erscheint.