Blutentnahme bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr ohne richterliche Anordnung

Mehr zum Thema: Verkehrsrecht, Alkohol, Blutentnahme, Drogen, Verkehr
5 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
1

Beweise sind nicht verwertbar!

Blutentnahme bei Verdacht auf Trunkenheit im Verkehr ohne richterliche Anordnung

- Besprechung von LG Flensburg vom 12.03.2008, I QS 15/08 -

1.Das Problem

Wenn Sie im Straßenverkehr angehalten werden, können körperliche Untersuchungen bei Verdachtsmomenten wegen des Fahrens unter dem Einfluss berauschender Substanzen durch einen Richter angeordnet werden. Ziel dieser Untersuchungen ist es, hinreichende Beweise dafür zu erbringen, dass die einschlägigen Grenzwerte (von Cannabis oder Alkohol) mutmaßlich überschritten wurden. Die so vielleicht erlangten Beweismittel haben eine zentrale Bedeutung für die Ahndung einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Strafgesetzbuch) oder für das Fahren unter Drogen,- oder Alkoholeinfluss (§ 24a Straßenverkehrsgesetz) sowie für das verwaltungsrechtliche Führerscheinverfahren (Entzug der Fahrerlaubnis, Anordnung einer MPU oder ärztlicher Untersuchung).

Umso frappierender ist die Erkenntnis, dass die Erlaubnisvorschrift, die die körperlichen Untersuchungen regelt, immer wieder verletzt wird. In der Praxis gibt es nämlich nahezu regelmäßig Anordnungen von Blutproben-Entnahmen, die nicht durch einen Richter oder Richterin ergehen, sondern vielmehr nur durch die Polizei ausgesprochen werden.

Dabei regelt § 81a der Strafprozessordnung (StPO),

dass eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden darf, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Weiter heißt es dort aber auch, dass die Anordnung dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (Polizei) zusteht.

Damit wird ein klarer Vorrang der richterlichen Anordnung für diesen körperlichen Eingriff festgelegt! Trotzdem behauptet die Polizei oft stereotyp, dass die so genannte Gefahr im Verzug vorläge und anders der Ermittlungserfolg gefährdet würde.

Diese Begründung ist bereits unzutreffend. Sie widerspricht der richtigen Auslegung der Erlaubnisnorm, die die richterliche Anordnung zur Regel erklärt und nicht zur Ausnahme. Sie widerspricht weiterhin der Entscheidungspraxis des Bundesverfassungsgerichtes, die davon ausgeht, dass richterliche Anordnungen grundsätzlich zu jeder Tages- und Nachtzeit vorrangig einzuholen sind und daher der Ermittlungserfolg nicht gefährdet ist. Bei der alles entscheidenden Frage, wann Gefahr in Verzug vorliegt und eine richterliche Anordnung ausnahmsweise entbehrlich ist, setzt die nachfolgend kurz skizzierte Entscheidung des Landgericht Flensburg an.

Diese Entscheidung führt, das sei vorweggenommen, zu einem unbedingten Verwertungsverbot derart erlangter Beweismittel, wenn eine richterliche Anordnung fehlt. Ein Verwertungsverbot stellt den Betroffenen dann so, als gäbe es das rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht!

2.Das Urteil

„Allein die Tatsache, dass es sich um den Verdacht der Trunkenheit im Verkehr gehandelt hat und Blutalkohol im Körper nach dem Genuss von Alkohol abgebaut wird, begründet nicht rückblickend die Annahme von Gefahr in Verzug. Denn andernfalls wäre die Einbeziehung von Blutprobenentnahmen in die Regelung zur körperlichen Untersuchung von Beschuldigten grundsätzlich überflüssig gewesen. Es muss stets versucht werden, vor der Durchführung der Blutentnahme einen Richter oder Staatsanwalt zu erreichen."

In seinen Entscheidungsgründen stellt dass Gericht klar, dass der Richtervorbehalt vorrangig sei und nur ausnahmsweise – bei Gefährdung des Ermittlungserfolges – eine Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft oder Polizei zulässig sei. Eine derartige Gefährdung könne aber nur dann angenommen werden, wenn in den Akten dokumentiert sei, dass weder ein Richter noch ein Staatsanwalt zu erreichen gewesen ist (unter Hinweis auf die entsprechende Judikatur des Bundesverfassungsgerichts). Allein die Tatsache, dass es sich bei dem zu entscheidenden Fall um den Verdacht der Trunkenheit im Verkehr gehandelt habe und Alkohol nach dem Genuss sofort abgebaut werde, ändere daran nichts. Denn ansonsten wäre der Richtervorbehalt in § 81a Strafprozessordnung (siehe oben) regelmäßig überflüssig.

Im Ergebnis seien die durch die Blutentnahme erlangten Ergebnisse unverwertbar und alle darauf ergangenen Eingriffe aufzuheben.

3.Fazit

Die vorliegende, konsequente Entscheidung befasst sich mit einer leider immer wieder auftauchenden Problematik. Wie so oft wurde der Richtervorbehalt missachtet und auf den Ergebnissen basierend sollte der Beschuldigte dann verurteilt werden. Diese eklatante Missachtung des rechtsstaatlich ausgeformten, unter Richtervorbehalt gestellten § 81a wurde nach meiner Auffassung zu Recht mit einem unbedingten Verwertungsverbot geahndet.

Ich habe jüngst bei der hiesigen Polizeidienststelle wieder erfahren dürfen, wie merkwürdig und nahezu unverständlich die Polizei reagiert, wenn man auf die Einhaltung des Richtervorbehalts pocht. Vor dem Hintergrund, dass alle vollziehende Gewalt (wozu auch die Polizei gehört) an Recht und Gesetz gebunden ist und insoweit auch geschult wird, kann ich derartige Verhaltensmuster schlichtweg nicht nachvollziehen. Selbst in der Rechtsprechung ist es keinesfalls einheitliche Linie, was das Landgericht Flensburg hier entschieden hat. Angesichts der Bedeutung des Richtervorbehalts für ein rechtsstaatliches Gemeinwesen und der eklatanten Verankerung des Rechtsstaatsprinzips in der Verfassung verwundert mich die den Vorrang der Richter ausblendende Sicht immer wieder aufs Neue.

Dementsprechend bleibt zu hoffen, dass diese einzig richtige Linie Schule macht. Jedenfalls sollte sich eine Verteidigung hieran ausrichten. Ich rate jedenfalls an, dass Sie als Betroffene / Betroffener bis zur anwaltlichen Prüfung und gegebenenfalls Vertretung von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen und sich sodann professionell unter anderem gegen die Verwertbarkeit entsprechender rechtswidriger Beweismittel wehren! Das etwaige Verwertungsverbot betrifft nach meiner Auffassung auch verwaltungsrechtliche Maßnahmen, was Behörden zu Unrecht meistens anders sehen.

Im Falle des Falles vertrete ich sie gerne – auch bundesweit. Ich verteidige häufiger Betroffene, denen das Fahren unter Drogen und / oder Alkohol vorgeworfen wird und ich bin daher mit wesentlichen Verteidigungsstrategien vertraut. Lesen Sie gerne auch meine weiteren Veröffentlichungen zu einschlägigen Themen oder wichtigen Gerichtsentscheidungen auf dieser Internet-Präsenz (Artikelliste: http://www.123recht.de/anwaltartikel.asp?id=103016)!


©RA Hans-Christoph Hellmann

Burgwedel, den 16.04.2008
Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt

RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

Leserkommentare
von Fressbacke am 22.01.2010 23:58:37# 1
Die hier vertretene Ansicht, dass sich aus der Mißachtung des Richtervorbehalts ein Beweisverwertungsverbot ergebe, scheint mir durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v. 28.07.2008, 2 BvR 784/08 mittlerweile überholt zu sein. Dort wird klargestellt, dass selbst bei einem derartigen Verstoß ein solches Verbot nicht geboten sei.


    
Das könnte Sie auch interessieren
Verkehrsrecht Drogen im Straßenverkehr – Teil 1: Cannabis, Wunderbäume und Polizeikontrollen