Drogen im Straßenverkehr – Teil 1: Cannabis, Wunderbäume und Polizeikontrollen

Mehr zum Thema: Verkehrsrecht, Drogen, Cannabis, Polizei
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

1. Einleitung

Gemäß § 316 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) macht sich wegen „Trunkenheit im Verkehr" strafbar, wer im öffentlichen Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Konsums von Alkohol oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen.

Der vorliegende Artikel zeigt verkehrsrechtliche Folgen auf, die sich aus dem Konsum von THC (Marihuana) ergeben. Außerdem soll erklärt werden, welche Verhaltensweisen die Polizei im „Ernstfall" zu beachten hat. Wie soll man sich verhalten, wenn die Polizei eine Kontrolle durchführt?

Aus meiner Erfahrung im Umgang mit betroffenen Mandanten in diesem Bereich habe ich festgestellt, dass falsche Verhaltensweisen mangels Erfahrung im Umgang mit dieser Situation durchaus zu Problemen führen. Überhaupt wären etliche Drogenfahrten vermeidbar, wenn ein stärkeres Gefahrbewusstsein für die Abbauzeiten von Drogen vorhanden wäre. Bei der Kontrolle selbst ist der Bürger angespannt und nervös und nicht selten tritt die Polizei nassforsch und trickreich auf, um den „Ermittlungserfolg" zu garantieren. Wieso dies dazu führen kann, dass legitime Verteidigungsmöglichkeiten vereitelt werden oder unberechtigte Vorwürfe verfestigt werden oder überhaupt erst aufgenommen werden, wird noch auszuführen sein. Jedenfalls gibt es bei der Kontrolle Handlungsweisen, die von vornherein vermieden werden müssen. Dazu später.

2. Strafbarkeit wegen § 316 StGB

Der Tatbestand des § 316 StGB setzt neben einer berauschten Fahrt (dies kann aufgrund von Drogen oder Alkohol der Fall sein) voraus, dass die Fähigkeit, das Fahrzeug sicher zu führen, fehlt. Dabei wird zwischen absoluter (=vollständiger) und relativer (aufgrund von drogenbedingten Fahrfehlern bestimmter) Fahruntüchtigkeit unterschieden.

Bei Drogen, auf die sich dieser Artikel beschränken möchte, fehlt es bislang an gesicherten und einheitlichen Erkenntnissen zur Frage der absoluten Fahruntüchtigkeit. Da die körperlichen Reaktionen verschiedener Menschen bei völlig unterschiedlichen Drogen und Drogenkonzentrationen auch auseinanderfallen, gibt es daher keine absoluten Höchstgrenzen von Drogenmengen im Blut. Ganz anders ist es bei Alkohol, wo ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille absolute Fahruntüchtigkeit angenommen wird. Damit scheidet die absolute Fahruntüchtigkeit bei Drogen derzeit aus.

Demnach kann wegen der Straftat des § 316 aufgrund von Drogenkonsums nur verurteilt werden, wem die relative Fahruntüchtigkeit (nach bereits auch leichtem Drogenkonsum) nachgewiesen wird. Es ist den Wenigsten geläufig, dass bei Drogenfahrten noch Tage und zum Teil Wochen nach dem Konsum genug Zerfallsprodukte des THC im Blut vorhanden sind, um eine Strafbarkeit (oder jedenfalls Ordnungswidrigkeit, s. unten) zu begründen.

3. Feststellung der relativen (drogenbedingten) Fahruntüchtigkeit

Wann liegt eine strafbarkeitsbegründende, drogenbedingte Fahruntüchtigkeit vor? Bloße Fahrfehler reichen regelmäßig nicht. Zwar kann aus der Fahrweise auf die Fahruntüchtigkeit geschlossen werden (Beispiel: Fahren in Schlangenlinien, ungewöhnliche Fehler bei langer Fahrpraxis, leichtsinniges Fahren bei überhöhter Geschwindigkeit). Dabei kann auch besonders vorsichtiges und langsames Fahren, Bremsen in einer Kurve, Fehlverhalten beim Abbiegen etc. problematisch sein. Allerdings ist der Rückschluss auf die Drogenbedingtheit der Fahruntüchtigkeit bei Fahrfehlern nur durch zusätzlich schwerwiegendste Einschränkungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit möglich (Lallen, stark benommener Eindruck, Mühe bei der Beantwortung von Fragen, unsicherer Gang, Stolpern oder Schwanken beim Gehen, Unfähigkeit zu koordinierter Bewegung). Je höher der Tetrahydrocannabinol-Wert (THC) im Blut ist, umso geringfügiger müssen dabei die Ausfallerscheinungen sein.

4. Verhalten bei der Verkehrskontrolle

Gerichte meinen zum Teil, dass die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit auch durch das Verhalten des Fahrers gegenüber der Polizei (immer in Verbindung mit relevanten Drogenkonzentrationen im Blut!) feststellbar sei. Dies ist jedenfalls denkbar, weil es sich dabei grob gesagt auch um körperlich-psychische Reaktionsmuster handelt. Gemeint sind aggressive Stimmungstendenzen, Gereiztheit, depressive Stimmung, Nervosität, Zittern, langsame Reaktionen und weitere entsprechende Auffälligkeiten. Maßgeblich ist weiterhin eine verlangsamte Pupillenadaption sowie eine Blendanfälligkeit und Weitung der Pupillen (bei THC). Getestet wird dies vor allem durch ein plötzliches Anblenden mit einer Taschenlampe. Auch ein Indiz ist eine starke Augenrötung. Der Polizeibeamte verwickelt den Betroffenen zum Abtesten der Indizien dabei gezielt in ein Gespräch, zum Teil auch mit bewusst komplizierter Gesprächsführung um die evtl. drogenbedingte Konzentrationsschwäche zu erfragen.

Die genannten Kriterien sind allesamt mit Vorsicht zu genießen und jedenfalls, wenn überhaupt, aussagekräftig nur, wenn gutachterliche Stellungnahmen in einem etwaigen Strafverfahren die Auffassungen anhand des konkreten Falles bestätigen. Zu viele natürliche Faktoren wie Angst vor der Polizei, allgemeine körperliche Dispositionen, Übermüdung und vieles mehr können die genannten Faktoren auslösen bzw. überlagern. Auch sind hier viele obergerichtliche Einschränkungen zu beachten. Auch andere Tests sind fragwürdig (z. B. Einbeinstandtest, Finger-Nase-Tests, Zeitempfindungstest, Seiltänzergangtest etc.). Zumal die selbst geschulten Beamten keine Ärzte sind und vielfach fehlerhafte Tests durchführen.

Wichtig ist, diese Tests bei einer Kontrolle höflich aber bestimmt abzulehnen. Da es ein strafrechtliches Selbstbelastungsverbot gibt, sind alle Mitwirkungen freiwillig. Nur eine Blutprobe (ausdrücklich nur auf richterliche Anordnung hin!) ist verpflichtend. Zwar wird im Einzelfall der Beamte unter zweifelhafter Berufung auf angebliche „Gefahr in Verzug" Blut auch ohne Anordnung abnehmen lassen wollen. Bestehen Sie aber auf die richterliche Anordnung. Warum aber fragwürdige Tests mitmachen, die vielleicht. später einen Schuldvorwurf begründen können, wenn Sie es nicht müssen?

Natürlich kann der persönliche Eindruck bei der Kontrolle nicht vollumfänglich unterdrückt werden. Dann sollte aber die Kommunikation mit der Polizei auf Pflichtangaben (Personalien) sowie Übergabe der Papiere bzw. Durchführung der allgemeinen Verkehrskontrolle beschränkt werden. Weiter sollten keine Angaben zur Sache gemacht werden. Gerade irgendwelche Spontanangaben zu gelegentlichem Cannabiskonsum bringen sehr schnell verwaltungsrechtliche Folgen zutage (MPU!). Was Sie sagen kann dann nämlich bei ungefragter Äußerung gegen Sie verwandt werden. Erst Recht gilt dies nach entsprechender Belehrung und Befragung durch die Polizei. Sie müssen als mutmaßlicher Beschuldigter nichts sagen! Verhalten Sie sich also besonnen und schalten umgehend Einschaltung einen Anwalt ein!

5. Probleme neben § 316 StGB

Wenn eine Bestrafung nach § 316 StGB nicht in Betracht kommt (da gilt übrigens eine Regelsperrfrist nach Entziehung der Fahrerlaubnis von 12 Monaten!) kommen § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 29 Betäubungsmittelgesetz (BtmG) und das sog. Verkehrsverwaltungsrecht zum Zuge.

Bei § 24a STVG droht regelmäßig bei Fahrt eines Kraftfahrzeuges und nachgewiesenem Konsum von den typischen Drogen ein Fahrverbot von einem Monat sowie ein Bußgeld von 400 € (und vier „Punkten"). Bei Mehrfachtaten gibt es massive Erhöhungen. Außerdem werden (zumeist fruchtlose) Ermittlungsverfahren geführt, weil der Frage nach § 29 BtmG nachgegangen wird, in welchem Umfang Drogen vorhanden sind, damit ggf. gehandelt wurde etc. Hier kann der Anwalt (wenn dazu nicht schädigende eigene Äußerungen vorliegen) meistens eine Verfahrenseinstellung erreichen.

Die wenigsten erwarten, was ich neuerdings bei einschlägig aufgefallenen, meist jungen Mandaten beobachte, dass die Polizei auch durchaus aufgefallene „Drogenfahrer" erneut (zum Teil 3-4 mal) anhält. Gerade für das Verkehrsverwaltungsrecht (Stichworte: Führerscheinentzug und MPU) ist dies einschneidend. Eine MPU nach 2 Drogenfahrten abzuwehren, ist nahezu ausgeschlossen, weil sich der Fahrer dann regelmäßig als ungeeignet erwiesen hat. Damit ist noch nichts zum Verlauf einer MPU oder des weiteren Verfahrens abschließend gesagt. Aber es ist misslich, wenn der „Ersttäter" nur deswegen zur MPU muss, weil die Polizei ihn erneut vorm Büro anhielt und er (trotz Beteuerung des fehlenden Konsums) wiederholt auffällig wird. Dabei ist nicht unwichtig, dass auch noch zum Teil wochenlang nach dem Konsum Spuren der Zerfallsprodukte (THC-COOH) wie auch des THC selbst aufgrund neuen Konsums im Körper nachweisbar sind. Es wird weithin unterschätzt, dass eine wirklich drogenfreie und verantwortungsvolle Fahrt regelmäßig erst nach einem Monat nach dem Konsum möglich ist!

6. Fazit

Wie dargestellt wurde, gibt es einige Verhaltensweisen, die beim Anhalten durch die Polizei zu beachten sind. Es mutet teilweise merkwürdig an, wenn die Polizei zum Teil etwa Mandanten erklärt, dass sie angehalten wurden, weil Sie einen Wunderbaum im Auto hätten, der regelmäßig von „Kiffern" genutzt würde, um Cannabis-Gerüche zu überdecken. Tatsache ist aber, dass die Polizeibeamten auf solche angeblichen Wahrheiten wie auch oben aufgezeigte Tests geschult werden und jeder Fahrer rechnen muss, damit konfrontiert zu werden. Bitte, beachten Sie die aufgezeigten Hinweise und überlassen Sie im Fall des Falles Ihrem Anwalt die Auseinandersetzung mit den Behörden. Eigene Äußerungen oder unterwürfige Kooperation mit den Strafverfolgern machen keinen Sinn, denn das Schweigen in diesem Bereich wird gerade nicht zum Nachteil gewertet. Gerade als unkundiger Betroffener sollte man daher konsequent schweigen!

Dies gilt übrigens auch, wenn die Polizei Vorladungen verschickt. Diese sind nicht verbindlich und sollten nicht vom Beschuldigten beantwortet werden. Stattdessen lohnt sich spätestens jetzt der Gang zum Rechtsanwalt des Vertrauens. Dieser sollte aber sicher mit der Verteidigung bei Drogen im Straßenverkehr vertraut sein. Erkundigen Sie sich daher ganz genau! Gerne steht Ihnen auch unsere Kanzlei für die weiterführende Beratung und Vertretung zur Verfügung.

Burgwedel, den 22.02.2008
©Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt

RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

Das könnte Sie auch interessieren
Verkehrsrecht MPU – Immer zu Recht verlangt?