EU-Führerschein und MPU

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Von Rechtsanwalt Marc N. Wandt

Jeder hat schon davon gehört. Der so genannte „Idiotentest" oder im Amtsdeutsch: Medizinisch-psychologische-Untersuchung", kurz MPU, droht Fahrzeugführern, die entweder wiederholt im Straßenverkehr durch schwere Verfehlungen oder aber durch Alkohol und / oder Drogen am Steuer aufgefallen sind.

Im Zuge der Vergrößerung der europäischen Union gingen in der Folge immer mehr Betroffene, die in Deutschland ohne eine positive MPU keine neue Fahrerlaubnis erhalten hätten, dazu über, einen Führerschein im europäischen Ausland zu erwerben.

Marc N. Wandt
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Internationales Recht

Lange Zeit wurden diese Führerscheine in Deutschland nicht anerkannt. Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis waren die Folge.

Am 29.04.2004 entschied der europäische Gerichtshof (EuGH) in der Rechtssache Kapper, Az. C – 476 / 01, dass diese Praxis gegen europäisches Recht, nämlich die 2. Führerscheinrichtlinie 91/439/EWG, verstößt. Er sprach aus, dass Führerscheine aus dem EU-Ausland grundsätzlich auch von anderen Mitgliedsstaaten vorbehaltlos anzuerkennen sind und die Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen ausschließlich dem Erteilungsstaat obliegt.

In der Folge nahm der sog. „Führerscheintourismus", vor allem in die östlichen Nachbarstaaten Deutschlands zu. Die Behörden hierzulande reagierten damit, dass nach Kenntnis vom Besitz eines EU-Führerscheins von den Erwerbern nachträglich unter Berufung auf die früheren Eignungszweifel eine MPU verlangt wurde. Brachten die Betroffenen diese nicht bei, wurde kurzerhand per Ordnungsverfügung die Nutzung der ausländischen Führerscheine für das Bundesgebiet untersagt. Diese Praxis wurde nahezu unisono von den deutschen Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten bestätigt.

Seit dem 06.04.2006 ist dies nicht mehr möglich. Ein soeben veröffentlichter Beschluss des EuGH, resultierend aus einer Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts München, stellte fest, dass nach Erteilung einer ausländischen Fahrerlaubnis keine Eignungszweifel durch deutsche Behörden angemeldet werden dürfen, wenn sie sich auf Vorgänge beziehen, die vor der Erteilung des ausländischen Führerscheins liegen. Im EU-Ausland erworbene Führerscheine müssen durch die deutschen Behörden umgeschrieben werden, wenn der Erwerber wieder seinen Wohnsitz in Deutschland nimmt (Rechtssache Halbritter, Az. C-227/05).

Diese Entscheidung dürfte ein kleines Erdbeben im Bereich des deutschen Fahrerlaubnisrechtes und insbesondere bei den Eignungsfragen der §§ 11-14 FeV auslösen. Besteht doch nun für jeden MPU-pflichtigen die Möglichkeit, statt in Deutschland eine MPU abzulegen, seinen Führerschein nach Ablauf einer evtl. vorhandenen Sperrfrist, im europäischen Ausland neu zu erwerben und damit die MPU zu umgehen. Einzige Voraussetzung ist ein Wohnsitz für mindestens 185 Tage in dem Staat, in dem die Fahrerlaubnis erworben werden soll. Hier sind die Kontrollmechanismen und Praktiken der Mitgliedsstaaten jedoch höchst unterschiedlich. Nur selten wird tatsächlich Wert darauf gelegt, dass der Erwerber tatsächlich seinen Wohnsitz dort nimmt, wobei Verschärfungen, auch in den Haupterteilerländern wie Tschechien und Polen geplant und teilweise bereits eingeführt sind.

Auf eines muss der potentielle Kandidat jedoch auch im Ausland achten. Wer erwartet, ohne Anwesenheit und Prüfung einen gültigen Führerschein zu erhalten, darf sich nicht wundern, wenn er später mit einer Fälschung und einem Strafverfahren konfrontiert wird. Ohne Prüfung vor Ort und persönlicher Abholung des Führerscheins geht es auch dort nicht. Ebenso kann man durch einen EU-Führerschein eine in Deutschland bestehende Sperrfrist nicht einfach abkürzen. Ein während der Sperrfrist erworbener Führerschein ist in Deutschland weiterhin ungültig. Auch erspart dieser Schein dem Erwerber keine Punkte, Bußgelder oder Fahrverbote, wie es manche Vermittler gerne vollmundig verkünden. Auch bei erneuten Straftaten im Straßenverkehr nützt einem der EU-Führerschein wenig.

Im Ergebnis bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtslage in Deutschland entwickelt. Die in Aussicht gestellte 3. EU-Führerscheinrichtlinie, sie ist für den 01.01.2007 avisiert, kann eine erneute Änderung bringen, muss es aber nicht. Was die Zukunft bringt ist momentan also noch relativ offen.

Für den Moment ist jedoch der Weg ins EU-Ausland und zum dortigen Führerschein durch den EuGH eröffnet worden.