Fahrverbot muss nicht sein

Mehr zum Thema: Verkehrsrecht, Fahrverbot, Bußgeldbescheid, Verkehrs-Ordnungswidrigkeit, Straßen-Verkehrsgesetz, Bußgeld-Katalog
3,61 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
18

Welche Möglichkeiten gibt es für den betroffenen Fahrer, wenn die Behörde ein Fahrverbot verhängt hat?

Das Straßen-Verkehrsgesetz (StVG) sieht vor, dass bei groben und beharrlichen Verkehrsverstößen neben dem Bußgeld ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten als erzieherische Maßnahme von der Bußgeldbehörde verhängt werden kann. In diesem Fall ist der Führerschein für die Dauer des Fahrverbots von der Behörde in Verwahrung zu nehmen, die das Bußgeld erlassen hat. Während der Dauer des Fahrverbots darf der betroffene Kraftfahrer kein Fahrzeug im Straßenverkehr führen. Bei einem Verstoß macht er sich strafbar.

Das Fahrverbot beginnt bereits, wenn der Bußgeldbescheid unanfechtbar geworden ist, also wenn innerhalb von 14 Tagen nach seiner Zustellung kein Einspruch bei der Bußgeldbehörde eingegangen ist, oder eine Woche nach Verkündung des gerichtlichen Urteils, durch das im Falle eines Einspruchs der Bußgeldbescheid bestätigt wurde und wenn innerhalb dieser Woche keine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil eingelegt oder auf das Rechtsmittel vom Betroffenen verzichtet wurde. (Im Fall des Rechtsmittelverzichts durch den Betroffenen wird das Fahrverbot mit der Abgabe der Erklärung durch den Betroffenen wirksam.)

Wenn in den letzten zwei Jahren vor der Bußgeld-Entscheidung keine Verkehrs-Ordnungswidrigkeit begangen wurde, wird im Regelfall angeordnet, dass der Betroffene eine Frist von vier Monaten ab Unanfechtbarkeit des Bußgeldbescheides hat, um den Führerschein abzugeben. Wichtig ist: Schon ab dem Zeitpunk des Beginns des Fahrverbots darf kein Fahrzeug mehr geführt werden, falls nicht die 4-Monats-Regelung greift: Dann beginnt das Fahrverbot spätestens mit Ablauf der 4-Monatsfrist, wenn der Führerschein bis dahin nicht abgegeben wurde – die Frist des Fahrverbots von 1 – 3 Monaten beginnt jedoch erst dann, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt ist. Wer also die Abgabe des Führerscheins verzögert, verlängert die Dauer des Fahrverbots. Auch wer den Führerschein noch nicht abgegeben hat, macht sich strafbar, wenn er mit einem Kraftfahrzeug am Verkehr teilnimmt, obwohl das Fahrverbot schon begonnen hat.

Nach dem Gesetz soll im Regelfall ein Fahrverbot verhängt werden, wenn ein Kraftfahrer mit einer Blutalkohol-Konzentration von mehr als 0.5 Promille gefahren ist. Daneben gibt es einen Bußgeld-Katalog (BKat), in dem geregelt ist, bei welchen Verkehrsverstößen im Regelfall ein Fahrverbot verhängt werden soll. Die wichtigsten und häufigsten Fälle sind:

  • Unterschreiten des Mindestabstandes von weniger als 3/10 des halben Tachowerts bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 km/h (Beispiel: Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug beträgt bei einer Geschwindigkeit von 120 km/h weniger als 18 Meter.);
  • gemessene Geschwindigkeitsüberschreitung beträgt mehr als 31 km/h innerorts (nach Toleranzabzug); oder
  • mehr als 41 km/h (nach Toleranzabzug) außerorts;
  • im letzten Jahr vor Erlass des Bußgeldbescheides wurde bereits ein Fahrverbot wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 26 km/h verhängt, wenn die neu gemessene Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) mehr als 20 km/h beträgt;
  • bei Rotlichtverstößen von mehr als 1 Sekunde Rotlichtdauer, oder wenn es zu einer Gefährdung oder Sachbeschädigung gekommen ist;
  • bei Überholverstößen, wenn es bei fehlendem Überblick zu einer Gefährdung oder Sachbeschädigung gekommen ist, oder wenn die Sicht witterungsbedingt unter 50 Meter beträgt.

Es handelt sich hierbei um Regelbeispiele. Das bedeutet, es kann bei groben und beharrlichen Verkehrsverstößen auch ein Fahrverbot angeordnet werden, wenn kein Regelbeispiel vorliegt, z.B. wenn gegen das Verbot des Telefonierens mit Handy beim Fahren bereits mehrmals verstoßen wurde.

Umgekehrt haben die Behörde oder das Gericht aber auch die Möglichkeit, trotz Vorliegen eines Regelbeispiels von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen. In diesem Fall wird das verhängte Bußgeld in der Regel verdoppelt. Die Anforderungen an ein Absehen vom Fahrverbot erhöhen sich, wenn der Betroffene in den letzten zwei Jahren bereits eine oder mehrere Eintragungen im Fahreignungsregister hat, insbesondere wenn diese erheblich sind oder es sich um eine Wiederholungstat handelt.

In der Rechtsprechung sind Fallgruppen entwickelt worden, wann von einem Fahrverbot abgesehen werden kann:

  • bei überlanger Verfahrensdauer (liegt vor, wenn das Verfahren länger als 2 Jahre dauert);
  • bei sog. „Augenblicksversagen“ des Fahrers (spielt in der Praxis keine große Rolle);
  • bei unklarer oder unübersichtlicher Beschilderung;
  • bei Angewiesensein auf das Fahrzeug wegen notwendiger Betreuung schwerkranker oder pflegebedürftiger Angehöriger;
  • bei freiwilliger Teilnahme an einem Aufbauseminar und einer verkehrspsychologischen Beratung, wenn in den letzten zwei Jahren regelkonform gefahren wurde;
  • bei wirtschaftlicher Existenzgefährdung, i.e. drohender Verlust des Arbeitsplatzes bei Arbeitnehmern oder Insolvenzgefahr bei Selbständigen infolge des Fahrverbots.

Die letzte Fallgruppe ist in der Praxis am bedeutsamsten. An sie sind strenge Voraussetzungen geknüpft. Das Absehen vom Fahrverbot soll die Ausnahme sein. Der Betroffene muss darlegen, weshalb er das Fahrverbot nicht im Urlaub nehmen kann, weshalb ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines Taxis nicht möglich oder zumutbar ist, und weshalb er auf häufige Benutzung seines Kraftfahrzeugs beruflich angewiesen ist. Bei Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber bestätigen, dass er den Arbeitnehmer zu entlassen beabsichtigt, falls dieser das Fahrverbot antreten muss. Bei Selbständigen soll eine betriebswirtschaftliche Auswertung für die letzten drei Monate und Übersicht über die zu erwartenden Einnahmeausfälle vorgelegt werden.

In der Praxis sind bei der Handhabung dieser Anforderungen zwischen den Amtsgerichten große Unterschiede festzustellen: Einige Bußgeldrichter schrauben die Anforderungen so hoch, dass sie unerfüllbar werden (so wird etwa verlangt, dass der Betroffene einen Kredit aufnehmen soll, um für die Dauer des Fahrverbots einen Fahrer anzustellen); einige Richter lassen die Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des Arbeitgebers ausreichen, während andere den Arbeitgeber zu diesem Zweck als Zeugen in die Verhandlung vorladen. Manchen Richtern reicht es hingegen schon aus, wenn der Betroffene glaubhaft vorträgt, dass er auf die Benutzung seines Fahrzeugs beruflich angewiesen ist.

Hier werden in der Praxis von Betroffenen häufig Fehler gemacht, die dazu führen, dass das Gericht sich weigert, von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen. Es empfiehlt sich daher auf jeden Fall, sich von einem Rechtsanwalt als Verteidiger im Bußgeldverfahren vertreten zu lassen, wenn ein Fahrverbot droht.

Das könnte Sie auch interessieren
Experteninterviews "Ausfahrt freihalten. Falschparker werden abgeschleppt!" Wirklich?