Die nicht angehörte Kommunikationsdesignerin

Mehr zum Thema: Versicherungsrecht, Berufstätigkeit, Berufsunfähigkeitsversicherung, Kommunikationsdesignerin, rechtliches Gehör
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Rechtliches Gehör im Prozess gegen die Berufsunfähigkeitsversicherung

„Kommunikation ist nicht alles. Aber ohne Kommunikation ist alles nichts", meinte Cay Baron von Brockdorff, ein deutscher Philosoph, der - laut Wikipedia - 1874 in Itzehoe geboren bis 1946 lebte und in Kiel verstarb.

Mangelnde Bereitschaft, jedenfalls Kommunikation zu berücksichtigen, musste leider auch eine Kommunikationsdesignerin in einem Berufsunfähigkeitsprozess vor dem Landgericht Neuruppin und dem Brandenburgischen Oberlandesgerichts erleben.

Jan-Martin Weßels
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Rechtsanwalt
Grindelallee 141
20146 Hamburg
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Berufsunfähigkeitsversicherung
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Welches Problem war hier zu lösen:

Wer Leistung von seiner Berufsunfähigkeitsversicherung verlangt, muss die Leistungsvoraussetzungen auch beweisen. Das ist natürlich nicht immer einfach. Notwendige Voraussetzung für einen Beweis ist zunächst, dass ich, um Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu erhalten, auch die notwendigen Tatsachen, insbesondere zu meinem Beruf vor Gericht vortrage und dazu vom Gericht auch die entsprechende Möglichkeit erhalte. Da hat es der Versicherer einfacher, da er sich zumeist auf das Bestreiten beschränken kann. Hier ergibt sich zuweilen ein Spannungsverhältnis zwischen den Beteiligten, welches nicht immer von den Land- und Oberlandesgerichten zutreffend aufgelöst wird, wie der Bundesgerichtshof in einem Fall zutreffend geurteilt hat.

Der Fall:

Der Kläger hatte eine Berufsunfähigkeitsversicherung für seine Ehefrau abgeschlossen. Als diese aufgrund psychischer Erkrankungen ihre berufliche Tätigkeit als Kommunikationsdesignerin nicht mehr ausüben konnte, lehnte der Versicherer die Leistung ab. Das Landgericht und das Oberlandesgericht gaben dem Versicherer Recht, da sie der Ansicht waren, der Kläger habe das berufliche Tätigkeitsbild der Versicherten als Kommunikationsdesignerin nicht ausreichend belegt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Er beanstandete, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt habe.

Gründe für die Entscheidung:

Insbesondere betonte der Bundesgerichtshof die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und stellte fest, dass das Berufungsgericht potenziell überspannte Anforderungen an den Nachweis der Berufstätigkeit gestellt hatte und sich mit der Begründung fälschlicherweise über einen Beweisantrag hinweggesetzt habe. Dies würde eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG darstellen. Es wurde bemängelt, dass das Berufungsgericht die Aussagen der Ehefrau zur Berufstätigkeit nicht hinreichend berücksichtigt hatte, um ein medizinisches Sachverständigengutachten zu ermöglichen.

Im Einzelnen:

  • Überspannte Anforderungen: Das Berufungsgericht habe zu hohe Anforderungen an den Nachweis der beruflichen Tätigkeit gestellt. Es habe sich darauf konzentriert, dass die von der Klägerin als Beispiel angegebene Arbeitswoche nicht zwingend repräsentativ für ihre gesamte Tätigkeit gewesen sei.
  • Vernachlässigung weiterer Angaben: Das Gericht habe die umfassenden Angaben der Klägerin zu ihren allgemeinen Tätigkeiten und deren Beeinträchtigung durch die Erkrankung nicht ausreichend berücksichtigt.
  • Fehlende Einholung eines Sachverständigengutachtens: Das Berufungsgericht hätte ggf. einen medizinischen Sachverständigen beauftragen müssen, um anhand der vorliegenden Informationen zu beurteilen, ob die Versicherte tatsächlich berufsunfähig ist.

Folgen der Entscheidung:

  • Neue Verhandlung: Das Berufungsgericht muss den Fall erneut verhandeln und dabei die Vorgaben des BGH berücksichtigen.
  • Mögliche Neubewertung: Es ist nun möglich, dass das Berufungsgericht bei einer erneuten Prüfung der Beweislage zu einem anderen Ergebnis kommt und die Leistungspflicht des Versicherers bejaht.

Fazit:

Der BGH hat mit seiner Entscheidung klargestellt, dass Gerichte bei der Beurteilung von Berufsunfähigkeitsfällen sorgfältig abwägen müssen. Es darf nicht zu hohe Anforderungen an den Versicherungsnehmer gestellt werden, gleichzeitig muss aber auch sichergestellt sein, dass Leistungen nur bei tatsächlicher Berufsunfähigkeit gewährt werden.

Wichtig ist wie der Fall zeigt, eine negative Entscheidung eines Gerichts auch über einen Anwalt überprüfen zu lassen, ob das Gericht bei seiner Beurteilung nicht einen Fehler gemacht hat.

(BGH Beschl. v. 29.5.2024 – IV ZR 189/23)

Übrigens, Fragen die in einem Berufsunfähigkeitsprozess fast immer eine Rolle spielen sind:

  • Welche konkreten beruflichen Tätigkeiten übte die Versicherte aus?
  • Welche gesundheitlichen Einschränkungen hatte sie?
  • Welche medizinischen Unterlagen liegen vor?
  • Welche Rolle spielen die Versicherungsbedingungen in diesem Fall?

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