Dienstherr muss auch bei nicht privat versichertem Landesbeamten Beihilfe leisten

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Muss ein Beamter noch versichert sein?

 Landesbeamte können von ihrem Dienstherrn nicht gezwungen werden, eine private Krankenversicherung abzuschließen. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Musterverfahren (Az. 10 S 2821/09) und bestätigte die Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart. 

Geklagte hatte eine Landesbeamtin auf Beilhilfeleistungen, die ihr verweigert wurden, weil sie als  Beamtin nicht zusätzlich privat versichert war.

 Was in welcher Höhe wann die Landeskasse an Beihilfe leistet, regelt die jeweilige Beihilfeverordnung.

Als der Gesetzgeber die allgemeine Versicherungspflicht schuf, führte er den § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ein. Nach dieser Vorschrift  ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherungsunternehmen für sich und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und zu unterhalten. Diese Pflicht besteht u.a. nicht für Personen, die beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der jeweiligen Berechtigung. Genau bedeutet letzteres, dass Beihilfeberechtigte nach dieser Vorschrift verpflichtet sind, für den prozentualen Anteil eine Krankenversicherung zu unterhalten, der nicht von der Beihilfe gedeckt ist.

Das Finanzministerium Baden-Württemberg hat am 30. Oktober 2008 im Einvernehmen mit dem Innenministerium diese Vorschrift als Anlass genommen, § 1 Abs. 5 Beihilfeverordnung (Baden Würtemberg)  einzufügen. Nach dieser Vorschrift wird versicherungspflichtigen Personen nach § 193 Abs. 3 VVG Beihilfe nur gewährt, solange dieser Verpflichtung entsprochen wird, also eine Versicherung abgeschlossen ist.  Jeder bestehende Versicherungsschutz für Krankheits- und Pflegefälle ist gegenüber dem Dienstherrn nachzuweisen nachzuweisen. Die Vorschrift ist absolut – ohne Versicherungsvertrag gibt es auch keine Beihilfe, auch nicht prozentual.

Hierauf stütze sich auch der Dienstherr der klagenden Beamtin und wies ihr Erstattungsgesuch wegen nicht bestehenden Krankenversicherungsvertrages ab.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Würtemberg hat klar entschieden: Diese Vorschrift ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie gesetzessystematischem Zusammenhang keiner anderen Interpretation zugänglich als der eines (vollständigen) Ausschlusses von Beihilfeansprüchen.

§ 1 Abs. 5 BhV BW ist, so das Gericht, mit höherrangigem Recht unvereinbar und daher aufzuheben. § 1 Abs. 5 BVO n. F. ist nach Auffassung des Gerichts bereits nicht von der Ermächtigungsgrundlage des §101 Landesbeamtengesetz gedeckt, dem Landesgesetzgeber darf diese Materie so gar nicht regeln, die Kompetenz liegt allein beim Bund.

Zudem bestehen bei dieser Regelung verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG, dem Allgemeinen Gleichheitssatz. In die vergleichsweise Betrachtung hat der Verwaltungsgerichtshof die von der Vorschrift betroffenen Beihilfeberechtigten einerseits und die der Landesgesetzgebung in Baden-Württemberg unterliegenden Bürger andererseits einbezogen. Nur für die Beihilfeberechtigten trifft § 1 Abs. 5 Satz 1 BVO eine zusätzliche belastende Regelung, während die Bürger sich ausschließlich Sanktionen ausgesetzt sehen, die das Versicherungsvertragsgesetz bei Nichtversicherung vorsieht. Für eine solche einseitige Zusatzbelastung der Beihilfeberechtigten gibt es keinen sachlichen Grund.  

Eine entsprechende (unwirksame) Vorschrift findet sich auch in den Beihilfeverordnungen anderer Bundeländer, etwa § 10 Abs. 2 Bundesbeihilfeverordnung und § 10 Abs. 2 Landesbeihilfeverordnung Berlin. Im Einklang mit dem VGH Baden-Württemberg hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 08.12.2010 - 5 K 219.10, 5 K 219/10 entsprechend zur Unwirksamkeit der Landesvorschrift entschieden: Der völlige Ausschluss der Beihilfe bei fehlendem Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes ist unwirksam.

Mithin bedeutet das, der Beihilfeberechtigte darf nach der Vorschrift der Beihilfeverordnung nicht gezwungen werden, zusätzlich eine private Krankenversicherung abzuschließen, um überhaupt Beihilfe zu erhalten.

Nach § 193 Absatz 3 Versicherungsvertragsgesetz besteht eine Pflicht zur privaten Versicherung für Beamte allerdings nur nicht in dem Umfang, in dem sie Beihilfe erhalten. Für den nicht beihilfeberechtigenden Anteil bleibt es aber bei der gesetzlichen Pflichtversicherung.

Wer gegen dieses gesetzliche Gebot verstößt und sich nicht prozentual als Beamter versichert, setzt sich den Sanktionen des VVG aus – gleich wie jedem anderen Bürger:

Wer seiner Versicherungspflicht nicht rechtzeitig nachkommt, muss einen einmaligen Prämienzuschlag zur laufenden Prämie entrichten, § 193 IV, die Höhe richtet sich nach der Dauer der Zeit der Nichtversicherung. Für die ersten 6 Monate wird der volle Versicherungsbeitrag als Strafbeitrag noch einmal erhoben, danach nur noch ein Sechstel des Monatsbeitrages, das ganze beschränkt auf 5 Jahre.

Personen, welche diesen Versicherungsschutz nicht nachweisen können, können mit einem hohen Bußgeld belegt werden.

Zusammenfassend ist festzustellen: 

Eine Versicherungspflicht für Beamte gibt es trotz des vorgenannten Urteiles nach wie vor, nur folgt diese nicht aus der Beihilfeverordnung und schon gar nicht mit der Konsequenz, dass ohne Versicherung gar keine Beilhilfe geleistet wird.

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