Gerichtliches Gutachten vs. Privatgutachten - Was gilt?

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Widersprechen sich ein gerichtliches Gutachten und ein Privatgutachten, so darf sich der entscheidende Richter nicht einfach ohne Begründung auf das gerichtliche Gutachten verlassen, sondern muss vielmehr die Einwände aus dem privaten Gutachten ernst nehmen, ihnen nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. (BGH, 12.1.2011 - IV ZR 190/08)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit der Klage auf Leistung aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu beschäftigen. Der Versicherte hatte im Jahr 1998 einen Bandscheibenvorfall erlitten und war infolge dessen berufsunfähig. Er erhielt zunächst Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.

Versicherungsverträge über Berufsunfähigkeit sehen regelmäßig vor, dass der Versicherer nachprüfen darf, ob sich der Gesundheitszustand verbessert hat und eine Berufsunfähigkeit künftig nicht mehr vorliegt. Von diesem Nachprüfungsverfahren hatte die beklagte Versicherung im hier entschiedenen Fall Gebrauch gemacht.

In dem Verfahren wurde über ein gerichtliches Gutachten festgestellt, der Versicherte sei jetzt nur noch zu 35% berufsunfähig. Die Klägerseite legte jedoch ein gegenteiliges Privatgutachten vor. Dennoch wies der Richter der Vorinstanz die Klage ab und verließ sich ohne genauere Prüfung auf die Erkenntnisse des gerichtlich bestellten Gutachters.

Dem trat der BGH mit der Begründung entgegen, dass auch ein Privatgutachten grundsätzlich beachtet werden müsse. Der entscheidende Richter hätte die Einwände aus dem privaten Gutachten ernst nehmen und sich inhaltlich damit auseinandersetzen müssen. Im Zweifel wären Nachfragen an den gerichtlich bestellten Gutachter erforderlich und ggf. eine Gegenüberstellung durchzuführen gewesen.

(BGH, 12.1.2011 - IV ZR 190/08)

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