Pflegeversicherung muss zahlen
Mehr zum Thema: Versicherungsrecht, Pflegeversicherung, Anfechtung, Täuschung, genetische, ErkrankungGenetischer Defekt bei Kind: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch die Versicherung vom Gericht für unwirksam erklärt
In dem entschiedenen Fall hatten die Eltern 2 Jahre nach der Geburt ihres Sohnes eine private Pflegeversicherung abgeschlossen. In der U6 Untersuchung 11 Monate nach der Geburt wurde eine motorische Entwicklungsverzögerung festgestellt. Zur Durchführung einer MRT-Aufnahme des Kopfes befand sich das Kind 18 Monate nach der Geburt für eine Nacht im Krankenhaus. 4 Monate vor Abschluss der privaten Pflegeversicherung wurde bei einer Untersuchung durch einen Humangenetiker eine Entwicklungsverzögerung um etwa 8 Monate festgestellt und die Empfehlung einer Chromosomenanalyse bei der U7 Untersuchung ausgesprochen. Diese Untersuchung erfolgte 2 Monate nach Abschluss der privaten Pflegeversicherung und ergab einen angeborenen genetischen Defekt, der zu einer lebenslangen Pflegebedürftigkeit führt. Die Versicherung erklärte die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und lehnte die Zahlung des vereinbarten monatlichen Pflegegeldes ab.
Versicherungsnehmer müssen nur die Fragen beantworten, die die Versicherung stellt
Rechtsanwalt Leif Debor aus der Kanzlei Willig, Koch & Kollegen erwirkte daraufhin eine Entscheidung des OLG Celle, in dem die Versicherung zur Zahlung verurteilt wurde. Er argumentierte damit, dass die Fragen aus dem Antragsformular nicht falsch beantwortet wurden. Eine konkrete Frage nach genetischen Erkrankungen wurde nicht gestellt. Die gestellte Frage nach einer Pflegebedürftigkeit sei bei einem Kleinkind dahin zu verstehen, ob ein krankheitsbedingter Pflegebedarf bestehe. Da eine solche erst im Dezember 2013 und damit nach Abschluss der Versicherung festgestellt wurde, könne eine Falschbeantwortung nicht festgestellt werden. Der potentielle Kunde einer Versicherung sei auch nicht verpflichtet, von sich aus Informationen mitzuteilen, nach denen die Versicherung gar nicht fragt.
Dieser Argumentation folgte das OLG Celle.
Der Versicherungsnehmer müsse sich grundsätzlich darauf verlassen können, dass der Versicherer die aus seiner Sicht gefahrerheblichen Umstände erfrage. Nach der gesetzlichen Wertung obliege dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Wenn der Versicherer dieses versäume, könne es dem Versicherungsnehmer grundsätzlich nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog als abschließend ansieht und nicht weitergehende Überlegungen dazu anstellt, was den Versicherer unter Umständen darüber hinaus interessieren könnte.
Insofern sei der Auffassung zuzustimmen, dass eine spontane Anzeigepflicht nur bei Umständen bestehe, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden könne. Dieses sei hier nicht der Fall, weil die bei Abschluss des Versicherungsvertrages bestehende Entwicklungsverzögerung bei einem Kleinkind nicht als Erkrankung anzusehen sei.
OLG Celle Urteil vom 17.12.2015 AZ 8 U 101/15 (rechtskräftig)