Private Krankenversicherung - Oberarzt ist gleich Chefarzt?

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Vertretung bei der Chefarztbehandlung

1. Einleitung

Bei der privaten Krankenversicherung handelt es sich um eine Schadenversicherung. Vereinfacht gesagt ersetzt diese Versicherung den Schaden, der dem Versicherten dadurch entsteht, dass eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit pp. zu einer Aufwendung führt. Selbstverständlich geschieht dies sodann im Rahmen der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen sowie der versicherungsrechtlichen Grundentscheidungen.

Grundvoraussetzung ist natürlich, dass ein wirksamer und fälliger ärztlicher Anspruch vorliegt. Nur wenn dieser überhaupt gegeben ist, stellt sich die Frage, ob versicherungsrechtlich ein Anspruch des Versicherungsnehmers (VN) gegen den Versicherer (VR) besteht.

Rechtsgrundlage für den Arztvertrag sind zunächst die §§ 611 ff. BGB. Der Arztvertrag ist ein Dienstvertrag. Für die Bestimmung der Höhe der Vergütung maßgeblich sind regelmäßig die GOÄ und die GOZ als Rechtsverordnungen des Bundes.

Regelmäßig werden sodann im stationären Bereich sog. Wahlleistungsvereinbarungen abgeschlossen für Zusatzleistungen, wie etwa der Chefarztbehandlung oder dergleichen. Hieraus entstehende Ansprüche muss dann im Zweifel der private Krankenversicherer an seinen Versicherungsnehmer erstatten.

2. Das Problem

Wahlleistungsvereinbarungen der Krankenhäuser sind rechtlich einwandfrei zulässig und im Rahmen der qualifizierten Chefarztbehandlung nicht hinwegzudenken. Voraussetzung ist zunächst nur, dass sie schriftlich abgefasst werden und das Verbot der unangemessen hohen Wahlleistungsvereinbarung beachtet wird. Problematisch ist aber in der Praxis, dass Chefärzte häufig die Leistungen nicht persönlich erbringen, dann nämlich durch den Oberarzt oder andere Vertreter erbringen lassen. Bei der Wahlleistungen gilt aber die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung. Da die Leistung des Chefarztes gerade zielgerichtet „gekauft" wird, ergibt sich umgekehrt regelmäßig die Pflicht zur persönlichen Behandlung – jedenfalls bei Kernleistungen. Aber natürlich wird dieser Grundsatz dadurch durchbrochen, dass die Krankenhäuser formularmäßige Vertreterklauseln verwenden, die eine Vertretung des Chefarztes ermöglichen. Diese Klauseln unterliegen einer Wirksamkeitskontrolle, wie jedwede allgemeine Geschäftsbedingung. Wer denn nun unter welchen Voraussetzungen die Wahlleistung vertreten darf, ist immer wieder Gegenstand von empfindlichen Rechtsstreitigkeiten.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr heute die Voraussetzungen präzisiert, unter denen ein Krankenhausarzt, der einem Patienten gegenüber aus einer Wahlleistungsvereinbarung verpflicht ist, die Ausführung seiner Leistungen auf einen Stellvertreter übertragen darf und gleichwohl seinen Honoraranspruch behält.

3. Der Fall (zitiert aus der Pressemitteilung des BGH vom 20.12.2007, Az. : III ZR 144/07)

„Der Kläger ist liquidationsberechtigter Chefarzt einer Klinik. Die Beklagte war Privatpatientin und befand sich dort in stationärer Behandlung. Sie schloss eine schriftliche Wahlleistungsvereinbarung. Da der Chefarzt an dem Tag, an dem die Beklagte operiert werden sollte, urlaubsabwesend war, unterzeichnete sie außerdem ein Schriftstück, das die Feststellung enthielt, sie sei über die Verhinderung des Klägers und den Grund hierfür unterrichtet worden. Weiterhin sei sie, da die Verschiebung der Operation medizinisch nicht vertretbar sei, darüber belehrt worden, dass sie die Möglichkeit habe, sich ohne Wahlarztvereinbarung wie ein "normaler" Kassenpatient ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln oder sich von dem Vertreter des Klägers, einem Oberarzt, zu den Bedingungen des Wahlarztvertrags unter Beibehaltung des Liquidationsrechts des Klägers operieren zu lassen. Die Beklagte entschied sich für die zweite Alternative. Die vom Kläger für die durch den Oberarzt ausgeführte Operation erstellte Rechnung beglich die Beklagte nur teilweise. Die auf Ausgleichung des Restbetrags gerichtete Klage war bislang erfolglos. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Anspruch weiter verfolgt".

Der Bundesgerichtshof wiederholt in seiner Entscheidung den bereits erwähnten Grundsatz für die Wahlleistungsvereinbarung, dass der Wahlarzt entsprechend dem in § 613 BGB* bestimmten Grundsatz die die gewünschte und seine Disziplin prägende Kernleistung grundsätzlich persönlich und eigenhändig erbringen müsse. Denn der Patient schlösse die Wahlleistungsvereinbarung (= besondere Leistung) aus Sorge um seine Gesundheit regelmäßig im besonderen Vertrauen in die herausgehobene medizinische Kompetenz des von ihm ausgewählten Arztes, die zudem durch ein zusätzlichen Honorars vergütet werde. Daher müsse insbesondere der als Wahlarzt verpflichtete Chirurg die geschuldete Operation grundsätzlich selbst durchführen.

Daher dürfe weiterhin eine Vertretervereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also etwa in dem Vordruck mit der Wahlleistungsvereinbarung, nur für die Fälle einer unvorhersehbaren Verhinderung des Wahlarztes getroffen werden. Überdies darf darin als Vertreter nur der ständige ärztliche Vertreter im Sinne der Gebührenordnung für Ärzte (im Zweifel der Oberarzt) bestimmt sein.

Natürlich könne der Patient auch im Wege einer weitergehenden Individualabrede mit dem Patienten die Ausführung seiner Leistung auf seinen Vertreter übertragen und zugleich vereinbaren, dass er gleichwohl seinen Honoraranspruch behalte. Dann aber bestehen besondere Aufklärungspflichten vor Abschluss der Vereinbarung, die dem Rechnung tragen müssen, dass der Patient sich dann oftmals in der bedrängenden Situation einer schweren Sorge um seine Gesundheit oder gar sein Überleben befindet und er daher zu einer ruhigen und sorgfältigen Abwägung vielfach nicht in der Lage sein werde.

Dann aber, so der BGH, sei der Patient so früh wie möglich über eine vorhersehbare Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zu unterbreiten, dass an dessen Stelle ein bestimmter Vertreter zu den vereinbarten Bedingungen die wahlärztlichen Leistungen erbringt. Weiter sei der Patient über die alternative Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen. Sei die jeweilige Maßnahme bis zum Ende der Verhinderung des Wahlarztes verschiebbar, so sei dem Patienten auch dies zur Wahl zu stellen.

4. Fazit

An dieser Stelle ist aufgrund des erst heutigen Veröffentlichkeitsdatums keine tiefschürfende Analyse der Entscheidung möglich. Schön ist aber, dass der Bundesgerichtshof ausdrücklich betont, dass der zur Dienstleistung Verpflichtete – hier der Chefarzt - die Dienste im Zweifel in Person zu leisten habe und nur im Falle einer unvorhergesehenen Verhinderung eine Vertretervereinbarung in allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsehen darf. Damit das Gericht wesentliche Strömungen der bisherigen oberlandesgerichtlichen Judikatur zutreffend auf. Ebenso stellt der BGH ausdrücklich klar, welchen Inhalt Individualvereinbarungen haben können und müssen, die als Ausnahme vom Kernleistungsgrundsatz eben strengen Anforderungen zu Ihrer Wirksamkeit unterfallen und gesteigerte Aufklärungspflichten begründen. Alles in allem eine wirklich begrüßenswerte Entscheidung im Spannungsfeld von Medizinrecht und privatem Krankenversicherungsrecht zugunsten der Patienten.

©RA Hans-Christoph Hellmann

Burgwedel, den 20.12. .2007
Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt

RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.