Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) – worum geht es?

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1. Versicherung und Versicherungsbedingungen

Versicherungsrecht betrifft Verträge, in denen ein Versicherer gegen Prämie ein bestimmtes Schadensrisiko übernimmt. Der zugrunde liegende Versicherungsvertrag und die allgemeinen Versicherungsbedingungen betreffen dabei die Einstandspflicht und somit die Ersetzung eines entstandenen Vermögensnachteils durch die Versicherung im so genannten Versicherungsfall.

Die wichtigen Details solcher Verträge sind natürlich im „Kleingedruckten“ zu finden. Das Kleingedruckte sind hierbei die allgemeinen Versicherungsbedingungen. Es versteht sich von selbst, dass diese Bedingungen (ähnlich wie sonstige allgemeine Geschäftsbedingungen) von immenser Bedeutung für die Leistungspflicht des Versicherers sind.

Die Spielregeln hierfür finden sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) sowie im BGB. Hier finden sich detaillierte Regelungen zum Vertragsschluss, zu den verschiedenen Versicherungsarten sowie zu den gegenseitigen Pflichten und Obliegenheiten bzw. den Folgen bei Verstößen hiergegen.

2. Reform VVG

Das ursprüngliche VVG aus dem Jahr 1908 wird dem europarechtlich geforderten Verbraucherschutz nicht mehr gerecht. Gerade vor dem Hintergrund, dass Versicherungsbedingungen nicht mehr staatlich vorgegeben werden, sondern im Grundsatz der Vertragsfreiheit unterliegen, war eine Reform zugunsten des Verbraucherschutzes auch mehr als überfällig. Daher hat nun das reformierte Versicherungsrecht den Bundesrat passiert und wird zum 01.01.2008 (mit umfangreichen Übergangsregelungen) in Kraft treten.

Darin verarbeitet sind auch eine Reihe von kardinalen Gerichtsentscheidungen – etwa die Judikatur des BGH sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Überschussbeteiligung, Mindestrückkauf und Stornokosten bei Lebensversicherungen. Ein weiterer Eckpunkt etwa ist der Wegfall des sogenannten Alles-oder Nichts-Prinzips bei grob fahrlässigem Pflichtenverstoß (Beispiel: Der VN begeht einen Rotlichtverstoß, die Kaskoleistung fällt nur anteilig weg, je nachdem wie hoch das Verschulden im Einzelfall wiegt). Ganz wesentlich ist die gesetzliche Normierung von Beraterpflichten sowie die Dokumentationspflicht der Versicherer. Dies erleichtert die Beweisbarkeit und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei Verletzung der Pflichten.

Auch im Bereich der Anzeigepflichtverletzung ergeben sich Erleichterungen. Zukünftig muss der Versicherungsnehmer nur solche Dinge anzeigen, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat. Ein rückwirkendes Rücktrittsrecht ergibt sich regelmäßig dann aber auch nur noch, wenn der VN vorsätzlich gehandelt hat. Außerdem gibt es Ausschlussfristen.

Erfreulich ist, dass beim Vertragsschluss künftig vorher alle wesentlichen Vertragsbedingungen vorliegen müssen; erfreulich ist weiterhin, dass die nach diesseitiger Auffassung unbillige Klagefrist von 6 Monaten bei Leistungsablehnung durch den Versicherer zukünftig wegfällt. Außerdem müssen bei Vertragskündigungen die Prämienzahlungen zukünftig nur noch zeitanteilig für den bis zur Kündigung laufenden Zeitraum bezahlt werden. Der Grundsatz der Unteilbarkeit der Prämie fällt weg. Schließlich wird es den Direktanspruch bei Insolvenz des Versicherungsnehmers in der Pflichtversicherung geben. Dies führt zur erheblichen Verbesserung der Position des Geschädigten.

3. Inkrafttreten

Das neue Recht gilt zunächst für alle Verträge ab Inkrafttreten am 01.01.2008. Auf bis dahin laufende Verträge findet altes Recht bis zu 31.12.2008 Anwendung. Danach gilt auch hierfür grds. das neue Recht. Die Neuregelung zur Lebensversicherung und Überschussbeteiligung gilt auch für Altverträge ab dem 01.01.2008. Die Neuregelung zu den Rückkaufwerten gilt nur für Neuverträge ab Januar 2008.

4. Fazit

Das neue VVG wird viele, schon lange überfällige Verbesserung der Rechtsstellung des Verbrauchers bringen. Gerade im Bereich des Vermittlerrechts werden sich auch ganz neue Haftungsprobleme für Pflichtenverletzungen zugunsten der Versicherungsnehmer ergeben. Dies kann und soll im Rahmen dieses Kurzartikels nicht vertieft werden. Allerdings noch ein Hinweis: Die Versicherer versuchen nunmehr aufgrund der Reform auch viele Neuverträge mit im Detail ungünstigeren Klauseln zu verkaufen. Da bei Neuverträgen gerne auch bestehende Leistungen verkürzt werde, kann dabei nur zu besonderer Vorsicht geraten werden. Fair ist, das bieten inzwischen schon einige Versicherer an, auf den bestehenden Vertrag ab Januar 2008 das neue Recht anzuwenden. Vorsicht aber beim Neuabschluss eines alten Vertrages! Fragen Sie dabei genau beim Vermittler nach oder wenden Sie sich an den versicherungsrechtlich ausgerichteten Anwalt Ihres Vertrauens.


© RA Hans-Christoph Hellmann

Burgwedel, den 30.11.2007
Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt
RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

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