Rote Ampel überfahren – Kasko immer leistungsfrei?

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Generell gilt, wer ein Rotlicht missachtet und dadurch einen Verkehrsunfall verursacht, muss für seinen Schaden selbst aufkommen. Der Kaskoversicherer ist dann nämlich wegen grober Fahrlässigkeit leistungsfrei, § 61 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Dies rechtfertigt sich nach nahezu einhelliger Auffassung aus den mit dem Rotlichtverstoß verbundenen Gefahren für den Straßenverkehr.

Nunmehr ist es aber so, dass es an den Voraussetzungen für grobe Fahrlässigkeit trotz Rotlichtverstoßes fehlen kann. Hierzu hat etwa das OLG Köln kürzlich entschieden, dass grobe Fahrlässigkeit zu verneinen ist, wenn die Ampel nur schwer zu erkennen oder verdeckt ist oder wenn besonderen schwierige, insb. überraschend eintretenden Verkehrssituationen vorliegen (OLG Köln, Urteil vom 27.02.2007 – 9 U 1/06).

1. Der Fall

Im vorliegenden Fall wollte der Geschädigte nach rechts einbiegen und musste dazu parallel zur (an einem Platz gelegenen) befahren Straße liegende Straßenbahngleise überfahren. An der fraglichen Stelle, wo der Geschädigte abbiegen konnte, galt eine Ampel, die nur Rot- und Gelblicht anzeigte. Nach dem Abbiegen kam es zum Zusammenstoß mit einer von links herannahenden Straßenbahn.

Der Geschädigte trug im Prozess vor, er sei nicht ortskundig gewesen und habe die Ampel nicht bemerkt. Er habe an der betreffenden Einmündung ein Rangiermanöver durchgeführt, um einem anderen Verkehrsteilnehmer die Einfahrt in die Stichstraße des Platzes zu ermöglichen. Er habe das Fahrmanöver mit Schrittgeschwindigkeit seitlich nach vorne ausgeführt und sei dabei mit dem Frontbereich seines Fahrzeuges leicht in den Fahrbahnbereich der Straßenbahn geraten. Die Wahrnehmung der Ampelanlage sei zusätzlich dadurch erschwert gewesen, dass sie lediglich atypisch seitlich an einem Laternenmast angebracht gewesen sei. Zudem sei die Sicht auf die Schienen zum Unfallzeitpunkt zur linken Seite hin durch eine Eislaufbahn nebst Verkaufsständen behindert gewesen. Der Versicherer hingegen hat sich dennoch auf grobe Fahrlässigkeit berufen und deshalb nicht geleistet.

2. Die Entscheidung des Landgerichts

Das zuständige Landgericht gab dem Versicherer Recht. Wenn der Geschädigte beim Einfahren in den Mündungsbereich schlicht vergessen habe, sich erneut über das Rotlicht zu vergewissern, begründe dies objektiv und subjektiv grobe Fahrlässigkeit. Soweit der Geschädigte die Ampelanlage (was schwer vorstellbar wäre) nicht wahrgenommen habe und damit auch ein Stoppschild übersehen habe, so entlaste ihn das nicht, weil auch das langsame Einfahren Ortsunkundiger in einen Kreuzungsbereich unter Missachtung des Rotlichts einen Verstoß gegen elementare Verkehrsregeln darstelle.

3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Anders entschied hingegen das OLG. Es gäbe keinen Grundsatz, nach dem das Nichtbeachten eines Rotlichts stets als grob fahrlässige Herbeiführung anzusehen sei. Zwar sei in aller Regel aufgrund der erheblichen Gefährdung für den Straßenverkehr anzunehmen, dass grobe Fahrlässigkeit objektiv vorläge, es könne aber nach den jeweiligen Umständen daran bzw. an der (subjektiven) Vorwerfbarkeit gegenüber dem Geschädigten fehlen. Dies könne der Fall sein, wenn die Ampel nur schwer zu erkennen oder verdeckt sei bzw. bei besonders schwierigen, insbesondere überraschend eingetretenen Verkehrssituationen (unter Verweis auf entsprechende BGH-Urteile).

Im vorliegenden Fall bejahte das Gericht diese Voraussetzungen unter Berücksichtigung des Fahrmanövers des geschädigten Klägers sowie den erschwerten Blick auf die Ampeln, der „das Einfahren in den Straßenbahnbereich in einem milderen Licht erscheinen lässt".

4. Fazit:

Wie das OLG aufzeigt, kann die Frage nach der groben Fahrlässigkeit nicht pauschal beantwortet werden, sondern es verbleibt nach wie vor ein Spielraum, der von den Besonderheiten des Einzelfalls bestimmt wird. Aus einem objektiv groben Pflichtverstoß (der lag hier zweifelsohne vor) kann eben nicht regelhaft auf die fehlenden subjektive Entschuldbarkeit geschlossen werden.

Mit anderen Worten, die persönlichen Gründe für das Verhalten sind zu beachten und können den Fahrlässigkeitsvorwurf entkräften. Zulässig ist danach zwar, vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Verstoßes auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit zu schließen. Dies ist dann aber nicht unumstößlich und kann durch sorgfältige Abwägung im Einzelfall abgeändert werden. Die Entscheidung zeigt exemplarisch auf, welche Argumente in die Beurteilung einfließen. Die Begründung ist aber nicht ganz einfach. Die alleinige Ortskundigkeit genügt nämlich regelmäßig nicht (vgl. etwa das LG Frankfurt am Main für das Überfahren eines Stoppschildes), sodass es entscheidend auf das Vorliegen einer Reihe von Kriterien ankommen dürfte.

Wegen der erheblichen finanziellen Bedeutung, soweit grobe Fahrlässigkeit angenommen wird, sollten Sie sich mit einer ablehnenden Entscheidung daher nicht einfach abfinden und ggf. einen Anwalt hinzuziehen!

Abschließend sei noch angemerkt, dass die so genannte „Alles-oder-Nichts-Entscheidung" bei grober Fahrlässigkeit durch die VVG-Reform zum 01.08.2007 jedenfalls für Neuverträge abgeschafft wird. Nach dem dann geltenden § 81 Abs. 1 VVG-2008 ist der Versicherer bei grober Fahrlässigkeit dann nur noch berechtigt, die Leistung entsprechend des Verschuldens zu kürzen (zu quoteln). Es ist aber anzunehmen, dass sich dann das aufgezeigte Problem auf die Leistungshöhe verlagern wird.

Sollten Sie Probleme mit Ihrem Versicherer haben, wenden Sie sich doch für ein erstes unverbindliches Gespräch an unsere Kanzlei bzw. den Autor. Unsere Kontaktdaten entnehmen Sie bitte der Präsenz bei 123-Recht.

Burgwedel, den 17.08.2007
Hans-Christoph Hellmann
Rechtsanwalt

RA Hellmann ist u. A. Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Verkehrsrecht und Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein. Darüber hinaus hat er den Fachanwaltslehrgang Versicherungsrecht erfolgreich absolviert.

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