Fehlgeschlagene oder gefährdete Cross-Border-Leasing-Verträge

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ilex Rechtsanwälte & Steuerberater berät Kommunen bei diesen Verträgen

In den vergangenen Jahrzehnten haben insbesondere Kommunen grenzüberschreitende Finanzgeschäfte getätigt, welche auch unter dem Stichwort „Cross-Border-Leasing-Verträge“ bekannt sind. Bei diesen Kontrakten handelte es sich um sogenannte Karussell-Geschäfte, die auf eine Regelung im amerikanischen Steuerrecht zurückgehen. Je nach der konkreten Ausgestaltung der Vertragsbeziehung verkauft eine Kommune beispielsweise öffentliches Eigentum an eine ausländische Gesellschaft. hierin liegt die Einordnung als ein grenzüberschreitendes Geschäft begründet („cross border“). In der Praxis handelte es sich regelmäßig um amerikanische Gesellschaften. Im Einzelfall wurde das jeweilige Objekt nur für die Dauer von 99 Jahren an eine amerikanische Gesellschaft verpachtet. Die Pächterin, die in den Verträgen regelmäßig als „Investor“ auftaucht, konnte das Pachtobjekt / den Eigentumserwerb in den Vereinigten Staaten steuermindern geltend machen und sollte laut der Vertragskonstellation die deutsche Kommune an einen Teil der dortigen Steuerersparnis beteiligen (dieser Vorteil wird begrifflich als „Barwertvorteil“ bezeichnet). Nach und nach sind nun die für die Kommunen recht ungünstigen Vertragsbedingungen, die in den sehr umfangreichen Verträgen versteckt sind, an die Öffentlichkeit gedrungen. ilex Rechtsanwälte & Steuerberater prüft nunmehr im Auftrag von Kommunen die Vertragskonstellation derart umfassender Verträge und schlüsselt dabei wirtschaftliche Risiken und die Gefahren solcher Verträge schonungslos auf.

Was war der Anlass für Cross-Border-Leasing-Verträge?

Ulrich Schulte am Hülse
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Die so genannten „Cross-Border-Leasing-Verträge“ waren eine Modeerscheinung, die seit der Mitte der 1990iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts deutsche Kommunen wie beispielsweise Berlin, Bielefeld, Bonn, Bremen, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Duisburg, Heidenheim, Essen, Halle, Herford, Jena, Kaiserslautern, Kassel, Köln, Konstanz, Magdeburg, Mannheim, Ludwigshafen, Nürnberg, Rostock, Ulm, Wittenberg, Zwickau und viele weitere Städte erreichte. In diesem Zusammenhang wurden Straßenbahnen, Kläranlagen oder Messehallen scheinbar „zu Geld gemacht“. Daneben haben aber auch Zweckverbände kommunale Unternehmen in ganz Europa solche Vertragsbeziehungen mit „amerikanischen Investoren“ geschlossen.

Wie lief der Vertragsschluss ab?

Urplötzlich erschienen seinerzeit Finanzberater von international aufgestellten Großkanzleien in den Amtsräumen der Stadtkämmerer und priesen den klammen Kommunen derartige „Cross-Border-Leasing-Verträge“ an. Teilweise hörte der eine Kämmerer auch von dem anderen von den vermeintlichen Vorteilen derartiger Vertragsbeziehungen, mit denen man angeblich viel Geld verdienen könne. In Windeseile verbreitete sich das Geschäftskonzept unter den Verantwortungsträgern in den einzelnen Kommunen. Wie eine Sogwirkung wollten nun viele solcher „Cross-Border-Leasing-Geschäfte“ abschließen.
Während der Verhandlungen sprachen die Kämmerer der Kommunen selten direkt mit den „Investoren“, sondern vielmehr mit den Rechtsanwälten großer amerikanischer Kanzleien (beispielsweise mit den Sozietäten Weill, Gotshal & Manges LLP, Allen & Overy LLP oder mit der Clifford Chance LLP). Diese Sozietäten arbeiteten oftmals mit den sogenannten Arrangeuren zusammen, die das Geschäft einfädelten. Als Arrangeure wiederum traten Tochtergesellschaften renommierter Banken auf; beispielsweise die Deutsche Bank Export Leasing GmbH, einer Organgesellschaft der Deutschen Bank AG. Auch tauchten Finanztöchter von Konzernen auf, wie die DaimlerChrysler Services Structured Finance GmbH, von der sich der schwäbische Autobauer allerdings inzwischen getrennt hat.

Worin besteht die Crux?

In den ersten bekanntgewordenen Verträgen ging es oftmals um den Verkauf von Straßen- oder U-Bahnen. Auf diese Weise verkaufte Leipzig seine Straßenbahn an die amerikanische Bank First Union und leaste sie zurück. In den nachfolgenden Verträgen kamen dann ganze Abwassersysteme, Klärwerke und Müllverbrennungsanlagen an die Reihe; gefolgt von Bahnhöfen, Messehallen und Oberleitungen. Schließlich wurden Krankenhäuser verleast (Leipzig und Chemnitz) und selbst das Rathaus in Gelsenkirchen. Ziel dieses „juristischen Karussells“ war bzw. ist es, dem Trust das wirtschaftliche Eigentum nach US-amerikanischem Recht zu verschaffen, um in den Vereinigten Staaten Abschreibungen vornehmen und transaktionsspezifische Aufwendungen ertragssteuerlich geltend machen zu können. Der vermeintliche „Barwertvorteil“, durch den beide Vertragspartner vermeintlich profitieren sollten, war von Anfang an die Bereicherung auf Kosten eines Dritten; hier des amerikanischen Steuerzahlers. Schon darin steckte eine gewisse Ungeheuerlichkeit des Geschäftes.
Beginnend ab 2008 trat, teilweise bedingt durch die wirtschaftliche Schieflage des amerikanischen Versicherers AIG (American International Group inc.) und dessen Ratingrückstufung, eine wirtschaftliche Schieflage in der Vertragskonstellation ein. Einige "Berater" rieten daraufhin zur Anfechtung der Verträge, ohne darauf hinzuweisen, dass ein solcher Schritt teils immense Schadensersatzverpflichtungen der Kommune nach sich ziehen konnte.

Wie sehen die Vertragskonstellationen aus?

Die jeweils beschlossenen Vertragstypen unterscheiden sich in ihrem Inhalt. Gemeinsam ist ihnen, dass sie in der Regel über ein Vertragsvolumen von wenigsten 150 Mio. Euro geschlossen worden sind. Bis zum Jahre 1999 war ein typischer Vertragstyp „lease in lease out“ („verkauft und zurückgemietet“). Später wurde die öffentliche Infrastruktur auf 100 Jahre verpachtet und gleichzeitig für einen kürzeren Zeitraum (und zwar bis zu 30 Jahren) zurückgemietet. Die Miete für die gesamte Laufzeit stellte die Gemeinde einer Bank zur Verfügung. Diese bezahlte davon die laufende Miete an den amerikanischen „Investor“ und nach dem Ende der Mietzeit, den Rückkaufswert.
Eine typische Vertragskonstellation verläuft etwa wie folgt: Die Kommune überträgt ihr Eigentum an einem U-Bahn-Netz einem amerikanischen „Investor“ oder verschafft ihm wenigstens eigentumsähnliche Rechte. Schon der regelmäßig auftauchende Begriff des sogenannte „Investors“, wie er in den Verträgen bezeichnet wird, ist ungenau. Aus dem Blick der deutschen Kommune handelt es sich nämlich in Wirklichkeit um einen Fond, da niemand irgendetwas in ein Objekt investiert, wie der Name „Investor“ nahelegt. Es wird lediglich das Steuerrecht der Vereinigten Staaten ausgenutzt.
Im weiteren Verlauf wird dann das überschriebene Objekt von der Kommune zurückgemietet. Dieser Mietvertrag mit der Kommune als bloßer Mieter läuft dann beispielsweise für die Dauer von 99 Jahren. In der Regel erhält die Stadt nunmehr 4 % des Verkaufserlöses als einen kleinen Teil der Steuerersparnis ausgezahlt. Der Rest des Kaufpreises bleibt bis auf Weiteres in den Händen einer Bank. Die Stadt als reine Mieterin hat nunmehr während der Laufzeit des Vertrages vor allen Dingen Pflichten zu erfüllen.

Dr. Ulrich Schulte am Hülse,
Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht,

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