Fernwärme: Unwirksamkeit von Preisfestsetzungen nach der Rechtsprechung des BGH
Mehr zum Thema: Vertragsrecht, Fernwärme, Contracting, Unwirksamkeit, Preiserhöhung, BilligkeitBetroffene Kunden sollten gegen Wärmversorger vorgehen
Bereits in seinem Abschlussbericht zur Sektorenuntersuchung Fernwärme im August 2012 stellte das Bundeskartellamt fest, dass im Vergleich der Preise zwischen den teuersten und den günstigsten Netzgebieten Unterschiede von mehr als 100% bestehen. Aufgrund des Anfangsverdachts missbräuchlich überhöhter Preise wurden durch die Behörde Missbrauchsverfahren gegen mehrere Versorgungsunternehmen eingeleitet. Die langwierigen Verfahren sind mittlerweile mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass Versorger insgesamt rund 55 Mio. EUR an ihre Kunden zurückzahlen müssen.
Entwicklung des Wärmemarktes
Missbräuchliche Preisgestaltungen sind bei der Versorgung mit Fernwärme (sowie bei so genannten Nahwärme- und Contractingverträgen) schon lange keine Ausnahme mehr. Gerade in Versorgungsgebieten, in denen ein Anschluss- und Benutzungszwang die Kunden zur Abnahme der Fernwärme vom örtlichen Versorger zwingt, liegen die Fernwärmetarife häufig erheblich über den Kosten, die bei einer Versorgung mit anderen Energieträgern entstehen würden. Mittlerweile ist es zudem eine weit verbreitete Praxis, dass beim Kauf einer Immobilie eine Abnahmepflicht im Grundbuch eingetragen wird. Auch so entfällt die Möglichkeit, bei Preissteigerungen den Energieversorger zu wechseln.


seit 2009
Erstattungsanspruch des Wärmekunden
Die Einleitung kartellrechtlicher Verfahren gegen Versorger ist selten. Zudem sind diese Verfahren langwierig und enden häufig mit einer so genannten Verständigungslösung, die für die Kunden nur geringe Entlastungen bringt. Betroffenen Kunden ist daher anzuraten, selbst gegen Versorger vorzugehen. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) setzt den Wärmversorgern mittlerweile enge Grenzen, innerhalb derer sich Preisgestaltungen bewegen dürfen. Bei Verstoß gegen diese Grenzen bleibt der zu Vertragsbeginn vereinbarte Preis gültig und dem Kunden steht für zu viel gezahlte Beträge ein Erstattungsanspruch zu (BGH Urteil vom 06.04.2011, Az. VIII ZR 66/09, Tz. 19). Unter anderem sieht der BGH folgende Preisanpassungsregelungen als unwirksam an:
pauschale Kopplung der Preisentwicklung an die Preise für extra leichtes Heizöl (BGH Urteil vom 06.04.2011, Az. VIII ZR 273/09)
Abbildung der Bezugskosten durch einen Preisänderungsparameter, der von den tatsächlich Bezugskosten, die dem Versorger beim Einkauf des Energieträgers entstehen, abweicht (BGH Urteil vom 25.06.2014, Az. VIII ZR 344/13)
Weitergabe von Aufwendungen, die der Versorger ohne die Möglichkeit der Abwälzung auf den Kunden aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte (BGH Urteil vom 19.07.2017, Az. VIII ZR 268/15)
Sonderfall: Überprüfbarkeit der Anfangspreise bei Anschluss- und Benutzungszwang
Die weit verbreitete Praxis der Kommunen, durch Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang für die Fernwärme ihrer Stadtwerke vorzuschreiben, führt bei missbräuchlichen Preisvereinbarungen zu noch weiter gehenden Rechten der Wärmekunden. Betroffene können hier, soweit die Tarife unverhältnismäßig hoch sind, nicht nur gegen Preiserhöhungen, sondern auch gegen die zu Vertragsbeginn vereinbarten Anfangspreise vorgehen. Denn der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Tarife von Unternehmen, die mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil angewiesen ist, nach sog. billigem Ermessen festgesetzt werden müssen und entsprechend § 315 BGB einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterworfen sind (BGH NJW 1987, 1622). Dies ist zum Teil aus der Monopolstellung der Versorgungsunternehmen hergeleitet worden, gilt aber auch für den Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs (BGH Urteil vom 17.10.2012, Az. VIII ZR 292/11; BGH Urteil vom 28.03.2007, AZ. VIII ZR 144/06; BGH Urteil vom 21.09.2005, Az. VIII ZR 7/05; BGH Urteil vom 05.07.2005, AZ. X ZR 60/04).
Verjährungsfrist ist zu beachten
Kunden, denen Rückzahlungsansprüche zustehen, sollten beachten, dass ihre Ansprüche zu verjähren drohen. Die Ansprüche unterliegen der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB. Die Verjährung wird dadurch gehemmt, dass Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Die außergerichtliche Zahlungsaufforderung an den Versorger ist dagegen nicht dazu geeignet, den Eintritt der Verjährung zu verhindern.
