Hinsendekosten sind beim Widerruf eines Fernabsatzvertrags (Versandhandel) zu erstatten

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Wer kennt das nicht? Man bestellt sich im Internet oder telefonisch bei einem Versandhandel eine schicke Bluse und wenn man sie anprobiert, sieht sie auf einmal ganz anders aus als im Katalog. Kein Problem, es gibt ja das Widerrufsrecht, also die Möglichkeit, die Bluse zurückzusenden und den geschlossenen Kaufvertrag zu widerrufen. Häufig versuchen die Unternehmen jedoch, dem Käufer in diesem Falle zumindest die Kosten für die Zusendung der Ware pauschal in Rechnung zu stellen. Dieser Methode hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine klare Absage erteilt.

"Im Falle des Widerrufs eines Fernabsatzvertrags sind die Kosten der Hinsendung der Ware vom Unternehmer zu tragen" So lautet der Leitsatz des Urteils des BGH vom 7.7.2010 (Az. VIII ZR 268/07). Für die Verbraucher bedeutet dies vereinfacht gesagt:

Wird eine Ware im Versandhandel gekauft, so dürfen dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware bei Ausübung seines Widerrufsrechts nicht in Rechnung gestellt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Bestellung online, telefonisch oder per Fax erfolgt.

Der BGH hatte im Wege der Vorabentscheidung beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefragt, "ob die Bestimmungen des Art. 6 I 2 und II der Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatz-Richtlinie) dahin auszulegen seien, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstünden, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat".

Der EuGH hat die Frage mit Urteil vom 15.4.2010 (NJW 2010, 1941 - Handelsgesellschaft Heinrich Heine GmbH ./. Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen e.V.) wie folgt beantwortet:

"Art. 6 I Unterabs. 1 S. 2 und II der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Ware auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt."

Zur Begründung führt der EuGH zum einen aus, dass die genannten Vorschriften sämtliche Kosten erfassen, die mit der Ausübung des Widerrufsrechts verbunden sind. Sie beziehen sich bei Ausübung des Widerrufs auf sämtliche Kosten, nicht nur auf die Kosten, die durch den Widerruf selbst entstanden sind. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.

Zum anderen spricht auch der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 97/7/EG für diese Auslegung. Dort heißt es: "Damit es sich um mehr als ein bloß formales Recht handelt, müssen die Kosten, die, wenn überhaupt, vom Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts getragen werden, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren begrenzt werden." Sofern dem Verbraucher aber die Kosten für die Hinsendung der Waren auferlegt werden, handelt es sich um eine Belastung, die geeignet ist, ihn von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Diese abschreckende Wirkung wird nach Ansicht des EuGH auch nicht dadurch beseitigt, wenn ihm die Kostentragungspflicht vor Abschluss des Vertrages mitgeteilt wird.

Im Ergebnis sind nach dem Urteil des BGH die § 346 iVm. §§ 312d, 355 BGB richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernabsatzvertrags ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht.

Alles gut für die Verbraucher? Vielleicht nicht, denn dieses Urteil könnte sich auch negativ auswirken. Denn im Gegensatz zu unseren europäischen Nachbarländern gibt es in Deutschland die Regelung, dass Verbraucher bei Ausübung des Widerrufs grundsätzlich keine Rücksendekosten übernehmen müssen (Ausnahme: Bestellungen unter 40 € Warenwert). Das Urteil des EuGH führt daher zu der Forderung des Bundesverbands des Deutschen Versandhandels e.V., dass der Gesetzgeber die derzeitige Regelung abschaffen solle, mit der Folge, dass zwar die Kosten für die Zusendung der Ware beim Widerruf erstattet werden, der Verbraucher dann aber die Kosten der Rücksendung in jedem Fall zu zahlen hat. Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Gesetzgeber in dieser Sache tätig werden wird.