Disziplin bei der Freiwilligen Feuerwehr? Ja, aber nicht verkappt und rechtswidrig!

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Das Verwaltungsgericht Düsseldorf legt dar, wie das Mitgliedsrecht in der Freiwilligen Feuerwehr funktioniert.

Am Anfang war der Streit: Ein Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr ist mit verschiedenen anderen Kollegen, insbesondere auch Vorgesetzten, in eine langandauernde Meinungsverschiedenheit geraten. Ein Wort gab das andere, Führungsstile wurden kritisiert. Am Ende verbot der Leiter der Feuerwehr den Dienst im bisherigen Löschzug, das Betreten der Gebäude und forderte Schlüssel und Uniform heraus. Was war das nun? Eine Disziplinarmaßnahme? War das gerecht? Nein, entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf und gibt in seinem Urteil vom 17.06.2014 auch gleich entsprechende Nachhilfe im Recht der Freiwilligen Feuerwehr. (Az. 26 K 4527/12)

Warum ist überhaupt das Verwaltungsgericht zuständig?

Da durch die Aufnahme in die Freiwillige Feuerwehr ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zwischen dem Träger des Feuerschutzes und dem Bewerber begründet wird, ist der Streit über die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr und über daraus resultierende Rechte und Pflichten ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur, so dass der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO eröffnet ist. Die Rückgabe der Ausrüstungsgegenstände ist in diesem Zusammenhang ein Annex bzw. eine notwendige Folge und deshalb ebenfalls eine Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.

Hinsichtlich des verfügten Hausverbotes gilt: Für die Frage, ob ein derartiges Hausverbot dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist, ist maßgeblich darauf abzustellen, welche Rechtsnormen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten und damit das Hausverbot prägen. Mit dem Hausverbot wird - jedenfalls auch - der bestimmungsgemäße Gebrauch der öffentlichen Einrichtung "Feuerwehrhaus" untersagt. Deshalb ist, jedenfalls dann, wenn der Gebrauch der Einrichtung durch den vom Hausverbot Betroffenen nicht ausschließlich außerhalb ihrer Zweckbestimmung erfolgt, in der Sache zu prüfen, durch welche Rechtsnormen der bestimmungsgemäße Gebrauch der Einrichtung durch den von dem Hausverbot Betroffenen geregelt ist.

Der bestimmungsgemäße Gebrauch des Feuerwehrgebäudes und der Feuerwehrfahrzeuge ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Vorliegend trifft das Hausverbot den Kläger zwar sowohl in seinem Privatbereich als auch dienstlich. Hierbei steht jedoch im Vordergrund, dass der Kläger das Grundstück zu dienstlichen Zwecken nicht mehr betreten darf, weil es gerade im Rahmen der dienstlichen (ehrenamtlichen) Tätigkeit des Klägers immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Löschzugführung kam. Für private Zwecke hingegen ist ihm die Nutzung sogar ausnahmsweise erlaubt worden. Das Hausverbot ist mithin öffentlich-rechtlicher Natur.

Woran orientiert sich denn das Recht der Mitglieder in der Freiwilligen Feuerwehr?

Die ehrenamtlich tätigen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr stehen zur Gemeinde als deren Träger in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eigener Art, auf das wegen der vergleichbaren Interessenlage die zum Beamtenrecht entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden.

Der Rechtscharakter einer Personalmaßnahme der Freiwilligen Feuerwehr ist anhand der beamtenrechtlichen Grundsätze zur Differenzierung zwischen Änderungen des Amtes im statusrechtlichen, im abstrakt-funktionellen sowie im konkret-funktionellen Sinne zu bestimmen. Eine über innerorganisatorische Wirkungen hinausgehende Außenwirkung und damit Verwaltungsaktcharakter ist dementsprechend regelmäßig nur solchen Maßnahmen beizumessen, die das Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in seiner mitgliedschaftlichen Rechtsstellung betreffen. Wenn hingegen ausschließlich der Dienstposten des Betroffenen Änderungen erfährt, z.B. wenn dem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr lediglich bestimmte Funktionen übertragen oder entzogen werden, handelt es sich um eine der beamtenrechtlichen Umsetzung vergleichbare Maßnahme, der es an einer Außenwirkung fehlt.

Darf man ein Mitglied aus einem Löschzug herausnehmen und so "kalt stellen"?

Da der Kläger vom aktiven Dienst und mithin von der Teilnahme am Einsatz- und Ausbildungsdienst in einem bestimmten Löschzug entbunden wurde, ohne dass ihm anstelle dieser bisher zugewiesenen Aufgaben eine andere Aufgabe zugewiesen wurde, handelt es sich bei dieser Maßnahme eben nicht um einen bloßen innerorganisatorischen Akt im Sinne einer Umsetzung oder einer Dienstpostenänderung durch Entzug eines bestimmten Aufgabenkreises.

Die mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst des Löschzuges verbundene Aufforderung, die Ausrüstungsgegenstände zurückzugeben, greift angesichts der Verpflichtung eines Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, angemessene Schutzkleidung nach DIN EN 469 (vgl. § 12 der Unfallverhütungsvorschrift "Feuerwehren" - GUV VC 53 - vom Mai 1989 in der Fassung vom Januar 1997) sowie Dienstkleidung zu tragen (Regelung über die einheitliche Dienstkleidung der Feuerwehren, des Instituts der Feuerwehr NRW und der Aufsichtsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß RdErl. d. Innenministeriums v. 7.4.2009 - 74 - 52.07.03 - ) ebenfalls in den Kernbereich der Rechte- und Pflichtenstellung des Klägers ein. Auch diese Maßnahme stellt deshalb einen Verwaltungsakt dar.

Für einen Ausschluss aus dem Löschzug gibt es keine Ermächtigungsgrundlage.

Rechtsgrundlage für den Ausschluss vom Einsatzdienst im Löschzug kann nicht § 8 der Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr vom 1. Februar 2002 (LVO FF) sein. Nach dieser Bestimmung ist eine Beurlaubung (vom aktiven Dienst) aus wichtigem Grund durch die Leiterin oder den Leiter der Feuerwehr befristet möglich.

Die streitige Maßnahme findet ihre Rechtsgrundlage auch nicht in § 14 Abs. 2 LVO FF. Nach dieser Vorschrift bestimmt die Funktionen innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr die Leiterin oder der Leiter der Feuerwehr nach Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen. Dieser trifft also - nach pflichtgemäßem Ermessen - die Entscheidung darüber, welche konkrete Funktion das einzelne Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ausübt. Bestimmte Funktionen sind teils gesetzlich vorgeschrieben (z.B. Sprecher, Sicherheitsbeauftragter), teils in der LVO FF erwähnt (z. B. Fachberater, Jugendfeuerwehrwart). In der zur LVO FF ergangenen Anlage 3 sind sog. Funktionsabzeichen gelistet, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist, weil die Bestimmung einzelner Funktionen Ausdruck der Personalhoheit des Leiters der Feuerwehr ist. Diesem obliegt es, Funktionen einzurichten bzw. zu besetzen.

Anerkannt ist zudem eine Funktion zur besonderen Verwendung (zbV). Vorliegend hat der Leiter der Feuerwehr mit der angefochtenen Verfügung aber keine Bestimmung über die Funktion des Klägers getroffen. Er hat ihm auch nicht etwa eine Funktion im Sinne des § 14 Abs. 2 LVO entzogen, sondern er hat den Kläger vom aktiven Einsatzdienst schlechthin entbunden.

Soweit die Beklagte ihre Entscheidung damit begründet, die massiven Störungen zwischen dem Kläger und der Löschzugführung L aufgrund der vom Kläger getätigten verbalen Attacken gefährdeten die Einsatzbereitschaft des Löschzuges Y, vermag dies die getroffene Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Allerdings trifft den Beamten - auch den Ehrenbeamten - in Bezug auf Meinungsäußerungen eine Mäßigungspflicht auch und erst Recht bei Kritik am Vorgesetzten. Er hat Gehorsam und Zurückhaltung gegenüber dem Vorgesetzten auch dann zu wahren, wenn er mit den getroffenen Entscheidungen nicht einverstanden ist

Dennoch verletzt die von der Beklagten verfügte Maßnahme den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie ist weder erforderlich noch angemessen. Dem Kläger verbleibt nämlich kein angemessener Aufgabenbereich innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr. Damit geht die Maßnahme in ihrer Wirkung gegenüber dem Kläger über das hinaus, was erforderlich wäre, um das bezweckte Ziel - die Einsatzbereitschaft des Löschzugs sicherzustellen - zu erreichen. Zur Erreichung dieses Ziels hätte es eine für den Kläger weitaus weniger einschneidende Maßnahme dargestellt, wenn er einem anderen Löschzug zugeordnet worden wäre. Stattdessen ist der Kläger vom aktiven Dienst in einem Löschzug ohne Zuweisung einer neuen Verwendung ausgeschlossen worden. Die Erforderlichkeit dieser weitgehenden Aufgabenentbindung hat die Beklagte nicht schlüssig darzulegen vermocht. Der Leiter der Feuerwehr hat die Möglichkeit, den Kläger einem der acht anderen ehrenamtlichen Löschzüge der Feuerwehr zuzuweisen, vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügung nicht in Betracht gezogen, geschweige denn geprüft.

Darf man die Mitglieder denn nicht einfach sanktionieren?

Ungeachtet dessen ist die getroffene Maßnahme auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie nicht ausschließlich von sachlichen Gründen getragen ist. Vielmehr stellt sich die getroffene Maßnahme als "verkappte" Disziplinarmaßnahme dar. Für diese Einschätzung spricht bereits die äußere Form, in die der Leiter der Feuerwehr seine Entscheidung gegossen hat. Denn die Maßnahme ist dem Kläger in demselben Schreiben eröffnet worden, in dem ihm der Abschluss des disziplinarrechtlichen "Vorermittlungsverfahrens" und die Entscheidung mitgeteilt wurde, von Disziplinarmaßnahmen abzusehen. Hätte der Leiter der Feuerwehr allein eine "Umsetzung" oder "Dienstpostenänderung" beabsichtigt, so hätte es zudem nicht des zugleich ausgesprochenen Hausverbotes bedurft. Ein derartiges Hausverbot wird nämlich - wie die Vertreter der Beklagten im Erörterungstermin eingeräumt haben - regelmäßig nicht mit der Umsetzung oder Zuweisung einer anderen Funktion verbunden. Auch wurden zur Grundlage der Entscheidung über die Entbindung vom aktiven Einsatzdienst Erkenntnisse gemacht, die im Disziplinarverfahren gewonnen wurden.

Darüber hinaus sind die Erkenntnisse im Disziplinarverfahren unter Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze gewonnen worden. Hier ist insbesondere auf § 21 Abs. 1 S. 2 LVO FF zu verweisen, wonach die belastenden, die entlastenden und die Umstände zu ermitteln sind, die für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme bedeutsam sind. Vorliegend lässt sich anhand der vorgelegten Verwaltungsvorgänge nicht erkennen, dass versucht worden ist, die den Kläger entlastenden Umstände zu ermitteln. Warum in der Folge lediglich drei Mitglieder des betroffenen Löschzuges als Zeugen vernommen worden sind, von denen wiederum nur ein einziger zu den Unterzeichnern des Schreibens gehörte, und nach welchen Gesichtspunkten die Zeugen ausgesucht wurden, ist weder in der Akte dokumentiert noch aufgrund irgendwelcher andere Umstände nachvollziehbar. Die Auswahl der Zeugen erscheint geradezu willkürlich.

Darf denn das Hausverbot bestehen bleiben?


Das ausgesprochene Hausverbot bzw. Grundstücksbetretungsverbot ist darüber hinaus unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Entbindung vom aktiven Dienst im Löschzug rechtswidrig, weil es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Das Hausverbot verstärkt die Wirkung der Maßnahme "Entbindung von der aktiven Mitgliedschaft im Löschzug", indem es auch eine "passive" Zugehörigkeit zum Löschzug nach außen hin verwehrt. Die Rechtmäßigkeit der Entbindung vom aktiven Dienst hier unterstellt, erschließt sich dennoch nicht die Notwendigkeit, dem Kläger das Betreten des Grundstücks zu verbieten. Weder gab noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger versuchen würde, trotz Entbindung vom aktiven Dienst das Grundstück oder das Gerätehaus in einer Weise zu betreten, die die Funktionsfähigkeit des Löschzugs gefährden würde wäre. Durch die Verfügung eines absoluten Betretungsverbotes geht die Beklagte zudem weit über das vermeintlich angestrebte Ziel hinaus. Denn wie die teilweise Aufhebung des Betretungsverbotes zeigt, ist das Verbot weiter gefasst, als es von der Beklagten für erforderlich gehalten wird. Durch das unbeschränkte Betretungsverbot wird der Kläger gezwungen, für das Betreten zu privaten Zwecken - z.B. anlässlich genehmigter privater Feiern von Feuerwehrangehörigen - jeweils eine ausdrückliche Erlaubnis einzuholen.

Und die Moral von der Geschicht:

Willkürlich bestrafen lohnt sich nicht! Es empfiehlt sich doch ein Blick in die Rechtsgrundlagen der Freiwilligen Feuerwehr.

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