Prüfungsanfechtung

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Prüfungsrecht - Eine Einführung

 

Prüfungen begegnen einem das ganze Leben. Es ist dabei nicht zu leugnen, dass die persönliche und berufliche Entwicklung von den erzielten Noten entscheidend abhängt. So ist beispielsweise gerade für Juristen die Gesamtnote in den beiden Staatsexamina von enormer Bedeutung.

Die Erhebung von Studienbeiträgen, die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen und die Verkürzung der Regel-Studienzeiten führen zu einem enormen Zeit- und Leistungsdruck, der die Studierenden dazu zwingt in möglichst kurzer Zeit viele mündliche und schriftliche Prüfungen zu bestehen und dabei noch ein überdurchschnittliches Ergebnis zu erzielen, um im nationalen und internationalen Wettbewerb mithalten zu können. Dies führt nicht nur im juristischen Bereich zu hohen Durchfallquoten.

Als eifriger Prüfungskandidat bereitet man sich unzählige Wochen, Monate, gar Jahre auf eine entscheidende universitäre oder staatliche (Abschluss-)Prüfung vor und wird am Ende mit einer Note belohnt, die die erbrachte Leistung nicht genügend widerspiegelt. Im schlimmsten Fall wird die Prüfung mit "nicht bestanden" bewertet. Somit scheint der angestrebte Beruf in weite Ferne zu rücken, wenn entscheidende Prüfungen nicht bestanden werden oder die erzielte Note nicht zum gewünschten Erfolg führt. Der Prüfungskandidat steht dann vor der schwierigen Frage, ob ein Vorgehen gegen die Prüfungsentscheidung mittels einer Prüfungsanfechtung sinnvoll ist.

Dabei ist anzumerken, dass jeder Prüfungskandidat bei berufsbezogenen Prüfungen einen verfassungsrechtlich garantierten Schutz auf fehlerfreie Ermittlung und Bewertung seiner Leistungen hat. Die Entscheidungen der jeweiligen Prüfungsbehörde haben sich bei berufsbezogenen Prüfungen an die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) auszurichten und messen zu lassen. Dies ist somit ein verfassungsrechtlich verankerter Schutz, den viele Prüfungskandidaten oftmals unterschätzen.

Gerade deshalb lohnt es sich, die möglichen Ursachen für das Nichtbestehen oder auch das Verfehlen einer bestimmten Note mit Hilfe von Widerspruch und Klage zu hinterfragen.

Denn ebenso, wie es Recht und Pflicht der eingesetzten Prüfer ist, Fehler der Kandidaten aufzudecken, haben diese auch das Recht, ebensolche der Prüfer aufzudecken.

Die nachfolgenden Fragen und Antworten geben einen kurzen Überblick über das rechtliche Instrument der Prüfungsanfechtung:


1. Was wird unter dem Begriff „Prüfungsanfechtung" verstanden?

Prüfungsanfechtung meint, seine Rechte wahrzunehmen, um entweder eine Notenverbesserung zu erreichen oder gegen das Nichtbestehen einer Prüfung vorzugehen.

2. Können nur Abschlussprüfungen angefochten werden?

Typischerweise werden Abschlussprüfungen angefochten. Aber auch gegen die Ergebnisse in Teilprüfungen kann vorgegangen werden. In diesem Zusammenhang ist nicht nur die eigentliche Abschlussprüfung (Staatsexamina, Diplomprüfungen, Bachelorprüfungen und Masterprüfungen) Gegenstand von Verfahren. Auch vorgeschaltete Prüfungen im Rahmen des Grund- und/oder Hauptstudiums, innerhalb von Praktika, Seminaren, Klausuren und Zwischenprüfungen, aber auch Promotion, Dissertation und Habilitation können überprüft werden.

3. Kann jede Prüfungsentscheidung angefochten werden?

Ja, wenn die Prüfungsentscheidung vom Staat oder anderen Trägern hoheitlicher Gewalt (wie Universitäten, Schulen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammer, Steuerberaterkammer etc.) stammt. Diese Entscheidungen stellen einen Verwaltungsakt dar, der mit Widerspruch und Klage angegriffen werden kann.


4. Kann auch angefochten werden mit dem Ziel der Notenverbesserung?

Ja, dies macht einen beachtlichen Anteil aller Prüfungsanfechtungen aus und lohnt sich ganz besonders, wenn dadurch ein Notensprung erreicht wird.

5. Was gilt es unbedingt bei einer Prüfungsanfechtung zu beachten?

Um überhaupt gegen eine Prüfungsentscheidung mit dem Ziel des Bestehens der Prüfung oder der Notenverbesserung vorzugehen, müssen Fristen eingehalten werden.

Die Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung ist grundsätzlich mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Danach muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden. Es ist dabei ratsam diesen vorsorglich einzulegen mit dem Antrag auf Akteneinsicht. Danach kann über das weitere Vorgehen entschieden werden. Der Widerspruch kann – wenn die Anfechtung nicht erfolgversprechend sein sollte und der Widerspruch nicht begründet wurde – ohne Kostentragungspflicht zurückgenommen werden.

6. Ist es sinnvoll einen Rechtsanwalt mit der rechtlichen Beratung und Vertretung bei einer Prüfungsanfechtung zu beauftragen?

Die Erfahrungen mit bisherigen Mandanten haben gezeigt, dass diese oftmals durch die Prüfungsentscheidung emotional befangen und enttäuscht sind. Durch diese emotionale Befangenheit ist es praktisch unmöglich eine substantiierte und vor allem objektive Begründung des Widerspruchs zu fertigen. Da das Rechtsinstrument der Prüfungsanfechtung viel Fingerspitzengefühl und vor allem die richtige Wortwahl erfordert, sollte daher ein Rechtsanwalt beauftragt werden. Dieser hat neben der fachlichen Qualifikation den nötigen Abstand zu der bewerteten Prüfungsleistung und kann neutral darüber urteilen.

7. Mit welchen Kosten muss bei einer Beauftragung eines Rechtsanwalts im Rahmen einer Prüfungsanfechtung gerechnet werden?

Grundsätzlich  richten sich die Kosten einer Beauftragung nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).

Prüfungsanfechtungen sind aber i.d.R. mit einem erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden, so dass in den meisten Fällen eine Honorarvereinbarung getroffen wird. Diese kann – je nach Begründungsaufwand – unterschiedlich gestaltet werden.

8. Wie hoch sind die Erfolgschancen einer Prüfungsanfechtung?

Dies hängt vom jeweiligen Einzelfall und von weiteren Faktoren ab. In der Regel sind Prüfungsanfechtungen, die sich auf Verfahrensfehler berufen, erfolgversprechender.

Bei Prüfungsanfechtungen wegen eines Bewertungsfehlers sind die Erfolgsaussichten geringer. Aber auch im Rahmen von Bewertungsfehlern besteht durch das  sog. „Überdenkungsverfahren" die Möglichkeit die positiven Aspekte der Prüfungsarbeit herauszustellen und die negativen Aspekte zu relativieren.

Ziel einer Widerspruchsbegründung ist es daher den Prüfer durch die richtige Wortwahl und dem Vorbringen von gewichtigen Argumenten zu einer Änderung seiner Bewertung zu überzeugen.

9. Gibt es neben der Prüfungsanfechtung noch andere Möglichkeiten, die Prüfung zu wiederholen?

Ja, dies hängt aber im Einzelfall vom jeweiligen Studienfach ab. So gibt es beispielsweise im Bereich des niedersächsischen juristischen Staatsexamens die Möglichkeit eines Gnadenversuchs, wenn der Prüfungskandidat durch alle regulären Prüfungen durchgefallen ist. Die Zulassung dieses Antrags wird jedoch sehr restriktiv gehandhabt, da er mit engen Voraussetzungen verbunden ist.

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