Verkauf von Examensklausuren in Niedersachsen - Folgen für Nichtbesteher

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Was droht durch den Täuschungsvorwurf und welche Ansprüche haben regulär durchgefallene Prüflinge?

Bereits letzte Woche berichtete SPIEGEL ONLINE über den unglaublichen Fall in Niedersachsen, in dem ein Richter die Klausurlösungen an Prüflinge des Zweiten Juristischen Staatsexamens verkauft haben soll. Rechtsanwalt Christian Reckling wurde zu dieser rechtlichen Problematik von SPIEGEL ONLINE interviewt.

Juristen droht die Aberkennung des Staatsexamens

Aus prüfungsrechtlicher Sicht droht im Falle der Erhärtung des Täuschungsvorwurfs nicht nur die Feststellung, dass der entsprechende Examensdurchgang für nicht bestanden gewertet wird (§ 15 Abs. 1 NJAG). Für den Fall, dass das Prüfungsamt auch einen besonders schweren Fall der Täuschung annimmt, droht der vollständige Ausschluss, mithin die Aberkennung des Staatsexamens.

Soweit die betroffenen ehemaligen Rechtsreferendare bereits im Berufsleben stehen und beispielsweise in ein Beamtenverhältnis übernommen worden, drohen auch in diesem Fall drastische Sanktionen. Im schlimmsten Fall kann die Rücknahme der Ernennung ins Beamtenverhältnis vom Dienstherrn ausgesprochen werden.

Besteht ein Anspruch auf Neuprüfung für regulär durchgefallene Prüflinge?

In rechtlicher Hinsicht taucht aber noch eine weitere Problematik auf. Wie wirkt sich ein Täuchungsversuch auf diejenigen aus, die in den betroffenen Prüfungsdurchgängen die Staatsprüfung gerade nicht bestanden haben. Kann der betroffene Prüfling eine Neubewertung bzw. eine Wiederholung der Prüfung verlangen?

Unter dem Grundsatz der Chancengleichheit taucht zu dieser Frage das Problem auf, dass der Anforderungsmaßstab der Bewertungen durch die Täuschungsversuche verzerrt sein könnte. Denn die Bewertung fällt automatisch nachteilig für all diejenigen aus, die nicht bestanden haben, wenn andere Prüflinge Kenntnis von der Musterlösung hatten. Im Falle einer einseitigen Begünstigung, d.h. ein Prüfling hat in einem Prüfungsverfahren mit weiteren Prüflingen getäuscht, kann der Prüfling, dem diese Vorteile entgangen sind, sich nicht auf dieses Unrecht berufen. Es gibt insoweit keinen Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht" (vgl. BFH, Urt. v. 20.07.1999 - VII R 111/98). Mit anderen Worten: Der Prüfling, der nicht getäuscht hat, kann sich grundsätzlich nicht auf die Vorteile des anderen Prüflings berufen, der sich unerlaubter Hilfsmittel bedient. Dieser Nachteil kann insoweit nicht im Rahmen des Bewertungsvorgangs "angerechnet" werden.

Die erbrachte Leistung kann aber dennoch falsch bewertet worden sein, wenn die besseren Leistungen der bevorteilten Prüflinge die Bemessung der "durchschnittlichen Anforderungen" in der vorstehend dargestellten Weise beeinflusst haben (Nieheus/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 537).

Hilft regulär durchgefallenen Prüflingen jetzt noch ein Widerspruch gegen Ihre Note?

Ein weiteres Problem taucht dann noch im Hinblick auf die Widerspruchseinlegung gegen die Prüfungsentscheidung auf. Zwar mag die Prüfungsentscheidung zunächst bestandskräftig geworden sein, da die Monatsfrist für die Widerspruchseinlegung seit Bekanntgabe des Justizskandals i.d.R. abgelaufen sein dürfte. Allerdings könnte ein Wiederaufgreifen des Verfahrens möglich sein, so dass das Landesjustizprüfungsamt in Celle die Voraussetzungen im Einzelfall prüfen muss.

Betroffene Prüflinge sollten sich daher anwaltlich beraten lassen, da auch für das Wiederaufgreifen des Verfahrens Fristen laufen.