Rechtsmissbräuchlichkeit bei der Durchsetzung von Europarecht?

Mehr zum Thema: Wettbewerbsrecht, Rechtsmissbräuchlichkeit, Abmahnung
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Vor nicht allzu langer Zeit haben wir an dieser Stelle einen Beitrag über die Rechtsmissbräuchlichkeit von Abmahnungen auf den Gebieten des Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht veröffentlicht. Gem. der verallgemeinerungswürdigen Aussage des § 8 Abs. 4 UWG (Gesetz über den unlauteren Wettbewerb) ist das insb. dann der Fall, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

Von einem solchen Überwiegen der als missbräuchlich verstandenen Motive ist vor allem dann auszugehen, wenn der grundsätzlich Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann.

Zwar ist diese Regelung als Ausnahme konstruiert, was als besondere Ausgestaltung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch sinnig ist. Allerdings hat die jüngere Vergangenheit gezeigt, dass insb. im Bereich von Internet-Auktionen die Gerichte dazu gewillt sind, unangemessene Auswüchse mit dem Verweis auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung zu unterbinden. Insofern hat sich die Hoffnung bewahrheitet, dass § 8 Abs. 4 UWG kein stumpfes Schwert bleiben möge.

Keinesfalls kann aber geraten werden, diesen Schluss als Laie selbst zu ziehen. Das gilt insbesondere deshalb, weil sich im Bereich des gewerblichen Rechtschutz eine Vielzahl von Normen findet, die auf Grund von verbindlichen europäischen Richtlinien beruhen.

Der Europäische Gerichtshof hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass er ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein vom Geltungsanspruch des Europarechts besitzt und daher schon öfters erklärt, dass die Durchsetzung dieser Bestimmungen nicht über Gebühr durch entgegenstehendes nationales Recht eingeschränkt werden dürfen.

Für das Recht der Abmahnungen bedeutet das, dass für die Annahme, dass sie rechtsmissbräuchlich gewesen sei eine besonders genaue Prüfung zu erfolgen hat. Allerdings ist auch dem Europarecht der Begriff des Rechtsmissbrauchs nicht fremd, wie das Urteil EuGH, Urt. v. 03.06.2010 - Az. : C-569/08 zeigt.

Daher ist es in jedem Fall von Abmahnungen eigentlich unumgänglich, einen auf diesem Gebiet versierten Anwalt zu Rate zu ziehen. Nämlich nur ein solcher kann fachkundig Auskunft darüber geben, ob und inwieweit die geltend gemachten Ansprüche und damit die Abmahnung berechtigt ist und wie eine optimale Verteidigung gegen das Vorbringen der Gegenseite aussehen kann. Eine unsachgemäße Behandlung des Falles kann nämlich u.U. zu Gerichtsverfahren mit enormen Kosten führen und die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Abgemahnten empfindlich einschränken.