BGH schafft endlich Klarheit: Altfälle im Kapitalanlagebereich noch nicht generell verjährt

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BGH schafft endlich Klarheit: Altfälle im Kapitalanlagebereich noch nicht generell verjährt

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 23. Januar 2007 im Hinblick auf die Verjährung von Forderungen entschieden, dass sog. Altfälle - also Fälle, die auf eine rechtlich relevante Handlung vor dem 01. Januar 2002 zurückgehen (z.B. fehlerhafte Anlageberatung, die im Jahr 2001 zum Beitritt zu einem Immobilienfonds führte) generell noch nicht verjährt sind.

Ausgangspunkt der Entscheidung ist das im Zusammenhang mit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 neu geregelte Verjährungsrecht nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB). Vor dem 01. Januar 2002 führten Pflichtverletzungen - etwa von Kapitalanlageberatern, Banken und anderen Finanzdienstleistern wegen Falschberatung - regelmäßig zu Schadensersatzansprüchen der Betroffenen, die erst nach dreißig Jahren verjährten. Nach dem seit Januar 2002 geltenden Recht unterliegen solche Ansprüche nunmehr einer Verjährungsfrist von nur noch drei Jahren (vgl. § 195 BGB, der die sog. regelmäßige Verjährungsfrist normiert). Diese Reduzierung hat in der Praxis drastische Auswirkungen, da viele Pflichtverletzungen oft erst nach Ablauf von drei Jahren erkennbar werden, etwa wenn sich eine Kapitalanlage entgegen anders lautender Anpreisung längerfristig negativ entwickelt.

Martin Diefenbach
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Erbrecht, Kapitalanlagenrecht

Bislang war unter Rechtsexperten umstritten, wann die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren bei den sog. Altfällen zu laufen beginnt. Nach dem insofern einschlägigen Übergangsrecht für solche Fälle (vgl. Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB) sollte bei Ansprüchen, die am 01. Januar 2002 noch nicht verjährt waren, die nunmehr dreijährige Verjährungsfrist „von dem 1. Januar 2002 an berechnet" werden. Dieser Wortlaut gab Anlass zu unterschiedlichen Auslegungen hinsichtlich des Verjährungsbeginns von Altansprüchen, insbesondere in Fällen, bei denen zwar die zu einem Schaden führende Pflichtverletzung (etwa eine zum Vertragsschluss führende Beratung) vor dem 01. Januar 2002 erfolgte, der Betroffene von dem Schaden und den insofern wesentlichen Umstände allerdings erst nach dem 01. Januar 2002 Kenntnis erhielt (sog. Überleitungsfälle).

Diesbezüglich haben Anwälte von Banken, Fondsgesellschaften und sonstigen Kapitalanlagediensten die Ansicht vertreten, dass die oben dargestellten Altansprüche spätestens zum 31. Dezember 2004 verjährt sind. Es entsprach guter anwaltlicher Praxis, die von dem Thema betroffenen Mandanten zum Ende des Jahres 2004 vorsorglich auf die Gefahr der Verjährung ihrer Ansprüche zum 31. Dezember 2004 hinzuweisen.

Für die Altfälle wurde von den Befürwortern einer anlegerfreundlicheren Entscheidungspraxis die Vorschrift des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ins Feld geführt, wonach die Kenntnis über die den Anspruch begründenden Umstände sowie die Person des Schuldners als subjektive Voraussetzung des Verjährungsbeginns zu berücksichtigen ist. Erforderlich ist insofern, dass ein Anlagegeschädigter Kenntnis über alle wesentlichen Fakten haben muss, die zur gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs benötigt werden.

Es wurde argumentiert, dass es bei dem neuen Verjährungsrecht Ziel des Gesetzgebers gewesen ist, ab dem Jahr 2002 eine durchweg kenntnisabhängige Verjährungsregelung zu schaffen.

Dieser Ansicht hat sich der BGH nun im Rahmen einer Entscheidung zur Verjährung eines Bereicherungsanspruchs im Zusammenhang mit der Darlehensfinanzierung einer Eigentumswohnung angeschlossen. Der Lauf dieser regelmäßigen Verjährungsfrist ist danach auch bei Altfällen unter Einbeziehung der subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu berechnen. Hat beispielsweise ein Kapitalanlagegeschädigter, der im Jahr 2000 einem Immobilienfonds beigetreten ist, durch bestimmte Umstände erst im Jahr 2005 Kenntnis von seinem Schaden erlangt, so ist nun klargestellt, dass sein Schadensersatzanspruch wegen Falschberatung erst zum Ende des Jahres 2008 verjährt.

Im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des BGH, die Klarheit in eine in der Praxis seit über zwei Jahren höchst kontrovers geführte Diskussion gebracht hat, sollten Anleger ihre Möglichkeiten zur Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Beitritt zu einem Kapitalanlagemodell (ggf. erneut) anwaltlich prüfen lassen.

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.