Zwangsverwaltung von A-Z

Mehr zum Thema: Zivilrecht, Zwangsverwaltung
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

1. Antragsverfahren
Bei der Zwangsverwaltung wird auf Antrag eines Grundpfandgläubigers die zwangsweise Verwaltung einer Immobilie betrieben. Es handelt sich, ebenso wie bei einem Insolvenzverfahren, um ein Antragsverfahren.
Der Antrag muss das Grundstück, den Eigentümer, den Anspruch und den vollstreckbaren Titel bezeichnen (§ 16 Abs.1 ZVG). Ist der Antrag zulässig und begründet, wird das Grundstück gemäß § 148 ZVG beschlagnahmt.

2. Bestellung des Zwangsverwalters
Die Zwangsverwaltung erfolgt überlicherweise durch einen Zwangsverwalter, der der Aufsicht des Vollstreckungsgerichts untersteht. Die Bestellung des Zwangsverwalters erfolgt gem. § 150 Abs.1 ZVG d. das Zwangsvollstreckungsgericht.
Regelmäßig werden Rechtsanwälte bestellt. Alternativ kann das Gericht auf Antrag einen Institutszwangsverwalter bestellen.

3. Aufgaben des Zwangsverwalters
Aufgaben des Zwangsverwalters sind in § 152 ZVG geregelt.
Der Zwangsverwalter hat gemäß § 152 Abs. 1 ZVG das Recht und die Pflicht, alle Handlungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und eine ordnungsgemäße Benutzung sicherzustellen. Er hat die Immobilie in Besitz zu nehmen und danach im Wesentlichen die Miet- und Pachtzinsen einzuziehen und alle rechtlichen Belange zu klären. Darüberhinaus muss er notwendige Reparaturen veranlassen und für eine ausreichende Versicherung des Objektes Sorge tragen. Der Verwalter ist für die ihm obliegenden Verpflichtungen allen Beteiligten gegenüber verantwortlich. Er hat dem Gläubiger und dem Schuldner jährlich und nach Beendigung der Verwaltung Rechnung zu legen. Die Rechnung ist dem Gericht einzureichen und von diesem dem Gläubiger und dem Schuldner vorzulegen ( § 154 ZVG) .

4. Ziele der Zwangsverwaltung
a) Befriedigung aus den Nutzungserlösen
b) Sicherung des Objekts in seinem wirtschaftlichen Bestand
c) Ordentliche Erfassung und Beschreibung des Objekts, der tatsächlichen oder angeblichen Mietverhältnisse, Sicherstellung des Versicherungsschutzes
d) Klärung, Beseitigung und Verhinderung verwertungsschädlicher Miet-und Pachtverhältnisse
e) Unter Umständen: Verzicht auf Miet- und Pachteinnahmen in bestimmten Fällen (z.B kurz vor dem Versteigerungstermin)
f) Verbesserung des technischen, kaufmännischen oder rechtlichen Zustandes ( z.B öffentlich-rechtliche Klärungen; Rechtssicherheit schaffen; betriebswirtschaftliche Sanierung, Ermöglichung von Innenbesichtigungen durch Sachverständigen und Interessenten )

5. Nutzung
a) die bisherige Nutzung ist beizubehalten
b) die Nutzung erfolgt grundsätzlich durch Vermietung und Verpachtung
c) begonnene Bauvorhaben können in Absprache mit dem Grundpfandgläubiger fertiggestellt oder saniert werden

6. Zustimmungsvorbehalte des Gerichts (§ 10 ZwVwV)
a) Wesentliche Änderungen zu der nach § 5 gebotenen Nutzung - auch Fertigstellung begonnener Bauvorhaben
b) Abweichung vom Klauselkatalog des § 6 Abs. 2
c) Ausgaben, die entgegen dem Gebot des § 9 Abs. 2 aus bereits vorhandenen Mieten nicht gedeckt sind
d) Zahlungen von Vorschüssen an Auftragnehmer im Zusammenhang mit der Erbringung handwerklicher Leistungen
e) Ausbesserungen und Erneuerungen am Zwangsverwaltungsobjekt, die nicht zu der gewöhnlichen Instandhaltung gehören, insbesondere wenn der Aufwand der jeweiligen Maßnahme 15 % des vom Verwalter nach pflichtgemäßen Ermessen geschätzten Verkehrswertes des Zwangsverwaltungsobjektes überschreitet
f) Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen im Zusammenhang mit Baumaßnahmen nach § 5 Abs.3 InsO

7. Grenzen der Zwangsverwaltung
Das Vorhaben des Zwangsverwalters, ein beschlagnahmtes Gebäude durch Umbau nachhaltig zu verändern oder in die vom Schuldner dem Objekt zugedachte Nutzung in einer Weise einzugreifen, die die wirtschaftliche Beschaffenheit des Grundstücks in ihrem Gesamtcharakter berührt, ist durch das Vollstreckungsgericht nicht genehmigungsfähig,
BGH, Beschl. v. 10.12.2004- IX a ZB 23/03, ZInsO 2/2005 S. 86 ff.

8. Zusammentreffen von Zwangsverwaltung und Insolvenzverwaltung
a) Vorrang der Zwangsverwaltung
Die Anordnung der Zwangsverwaltung geht der Verwaltung des Grundeigentums durch den Insolvenzverwalter vor (BGH, DB 199, 206; StuB 1999, 281 f, mit Anm. Schmittmann; InsbürO 3/2006 S. 90 ff. ).

b) Ende einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung
Mit Anordnung der Zwangsverwaltung endet i.Ü. auch die Wirkung einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung. In der Insolvenz über das Vermögen des Grundstückseigentümers hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich das Recht, das Grundstück für den vertraglich vereinbarten Zeitraum unentgeltlich zu nutzen (BGHZ 109, 55).

c) Ersatzanspruch
Wird dem Insolvenzverwalter dieses Recht durch eine Beschlagnahme des Grundstücks im Rahmen einer Zwangsverwaltung entzogen, hat der Gesellschafter den Wert des Nutzungsrechts zu ersetzen (BGHZ 127,1; NJW 1994, 2352; BGHZ 127; 17; NJW 1994, 2760; Insbür0 3/2006 S. 90.
Der Ersatzanspruch setzt aber voraus, dass der Insolvenzverwalter das Grundstück, hätte er es nicht herausgegeben, tatsächlich hätte nutzen können, etwa im Wege der Untervermietung (BGH, ZInsO 2005, 490; NZI 2005, 347 ff; InsbürO 3/2006 S. 90 ).

d) Kalte Zwangsverwaltung
Bei der "kalten Zwangsverwaltung" im Insolvenzverfahren wird die Immobilie, die mit Grundpfandrechten belastet ist, durch den Insolvenzverwalter verwaltet. Er führt die Erlöse nach Abzug der Kosten an die Grundpfandgläubigerin ab, ohne dass ein gerichtliches Zwangsverfahren angeordnet werden muss. Dadurch können Kosten und Kommunikationsschwierigkeiten vermindert werden.

9. Zwangsverwaltung und Steuern
a. Abgabenordnung
Steuerschuldner und damit Steuerpflichtiger bleibt nach § 33 Abs.1 AO der Vollstreckungsschuldner als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Der Zwangsverwalter tritt gemäß § 34 Abs.3, Abs.1 AO neben den Vollstreckungsschuldner, soweit seine Verwaltung reicht. Das Finanzamt vergibt für das der Zwangsverwaltung unterliegende Grundstück eine neue Steuernummer. An den Zwangsverwalter zu richtende Steuerbescheide müssen neben der Bezeichnung der der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücke auch die Person des Vollstreckungsschuldners angeben ( so BFH, BStBl. II 1988, 920; BB 1988, 2092 ff; InsbürO 3/2006 S. 90 ) .

b. Einkommenssteuer
Sowohl hinsichtlich der Einkommenssteuer als auch der Körperschaftssteuer bleibt der Schuldner erklärungspflichtig, BFH, BStBl. II 1988, 920.

c. Option zur Umsatzsteuer und Berichtigungspflicht
Grundsätzlich ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nach § 4 Nr. 12a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Probleme können dadurch entstehen, dass für bestimmte Vermietungs-und Verpachtungsleistungen bereits eine Umsatzsteuerpflicht besteht oder aber hierfür zur Umsatzsteuer optiert werden kann. Der Zwangsverwalter hat sich zu Beginn seiner Tätigkeit umfassend zu informieren, ob und inwieweit das Optionsrecht seitens des Vollstreckungsschuldners bereits ausgeübt wurde und muss klären, über welchen Zeitraum diese Optionen noch wirken, InsbürO 3/2006 S. 95. Von besonderer Relevanz für den Zwangsverwalter ist auch die Vorschrift über die Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a UStG. Sofern sich bei Immobilien die Verhältnisse, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von 10 Jahren ab der erstmaligen Verwendung ändern, schreibt § 15a UStG vor, dass eine zeitanteilige Berichtigung der in Anspruch genommenen Vorsteuer aus den Anschafftungs-oder Herstellungskosten zu erfolgen hat.

10. Haftung
Der Zwangsverwalter haftet grundsätzlich nur gegenüber den Verfahrensbeteiligten. Zu diesen rechnet der Ersteher regelmäßig nicht, vgl OLG Hamm, Urt. v. 15.09.2005 - 27 U 16/05 NZM 2006, 160, NJW Spezial 2006 S. 51

11. Beispiel:
Der Schuldner S hat eine Eigentumswohnung, die vermietet ist. Die Wohnung ist finanziert bei der X-Bank. S möchte zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens den Gläubigern einen außergerichtlichen Schuldenregulierungsvorschlag unterbreiten, bei dem die Gläubiger besser gestellt werden als bei Durchführung des Insolvenzverfahrens. 

Frage: Wie werden die Mieten im Insolvenzverfahren berücksichtigt?

Antworten:
a. Der/die Grundpfandgläubiger/in ( hier: X-Bank) hat einen gesetzlichen Anspruch darauf, aus den Einkünften des Grundstücks vor den persönlichen Gläubigern befriedigt zu werden(§ 1123 BGB; BGH 9.11.2006 IX ZR 133/05 ZIP 2007, 35 = ZInsO 2006, 1321).
b. Die Grundschuldhaftung begründet bereits ex lege und ohne Beschlagnahme ein gegenwärtiges Pfandrecht an den Miet-/Pachtforderungen, durch das ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO entsteht, vgl Uhlenbruck Insolvenzordnung § 129 Rnr. 121.
c. Der Grundpfandgläubiger kann mit dem Insolvenzverwalter eine Vereinbarung treffen zur Nutzung des Grundstücks und des Nutzungsentgelts.
d. Der Grundpfandgläubiger kann die Zwangsverwaltung beantragen- damit entzieht der Zwangsverwalter dem Insolvenzverwalter die Mieterlöse.
e. Ist über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist auf Antrag des Insolvenzverwalters die Einstellung der Zwangsverwaltung anzuordnen, wenn der Insolvenzverwalter glaubhaft macht, dass durch die Fortsetzung der Zwangsverwaltung eine wirtschaftliche Nutzung der Insolvenzmasse wesentlich erschwert wird, § 153 b ZVG. Die Einstellung ist mit der Auflage anzuordnen, dass die Nachteile, die dem betreibenden Gläubiger aus der Einstellung erwachsen, durch laufende Zahlungen aus der Insolvenzmasse ausgeglichen werden, § 153b ZVG.Nachteile erwachsen dem Gläubiger, wenn der Zwangsverwalter durch Vermietung oder Verpachtung Nutzungen des Grundstücks erzielen würde, die bei Fortführung der Zwangsverwaltung laufende Zahlungen aus den Überschüssen ( §§ 155abs.2, 157, 158 ZVG)an den Gläubiger ermöglichen würden, Stöber Zwangsversteigerungsgesetz 19. Auflage 2009 § 153b Rdnr. 5.

Ergebnis:
Im Normalfall stehen die Mieten des Schuldners im Insolvenzverfahren dem Grundpfandgläubiger zu, der diese über die Zwangsverwaltung, kalte Zwangsverwaltung oder Nutzungsvereinbarung mit dem Insolvenzverwalter

Das könnte Sie auch interessieren
Zivilrecht Kontoschutz beim Bezug von Sozialleistungen - Was ist neu?