Es geht um meinen Arbeitgeber, der sämtliche Gesetze ignoriert. Daraus resultiert für mich ein gesundheitsgefährdender psychischer Druck.
Ich arbeite im Einzelhandel, in einem Shop am Flughafen. Dort ist täglich geöffnet, in der Hauptsaison von 4-21 Uhr, jetzt von 5-21 Uhr. Wir arbeiten dort in wechselnden Schichten.
Seit ich dort arbeite, habe ich kein einziges Mal eine Pause gahabt. Meine Kolleginnen auch nicht. Wir arbeiten mindestens 8, oft auch 9 Stunden am Stück. Wenn man mal schnell hinter der Kasse in ein Brötchen beißt, ist das für meinen Chef schon eine "Pause".
Bei uns ist es außerdem gang und gäbe, dass der Arbeitsplan beinahe täglich geändert wird. Der Arbeitgeber setzt uns nicht einmal darüber in Kenntnis. Oft schaut man auf den Arbeitsplan und sieht "oh, schon wieder wurde mein ganzer Plan geändert". Dadurch muss man natürlich ständig private Termine absagen, freie Tage fallen weg. Man muss sozusagen Tag und Nacht einsatzbereit sein.
Nun kam es gestern zum Beispiel dazu, dass eine Kollegin sich krankgemeldet hat. Heute hätte ich einen freien Tag gehabt, mir wurde jedoch gestern (nicht einmal 20 Stunden vor der heutigen Schicht) gesagt, dass ich einspringen muss. Ich habe gesagt, dass das nicht möglich ist, weil ich vormittags einen wichtigen Termin habe. Das wurde mit dem Satz "Deinen Termin musst du absagen" abgetan. Ein "Nein" wird dabei nicht geduldet.
Jetzt ist meine Frage: DARF ich überhaupt "nein" sagen? Wir haben extremen Personalmangel und alle Kolleginnen sind krank - MUSS ich deshalb meinen wichtigen Termin an meinem freien Tag absagen und einspringen?
Der Personalmangel ist bei uns sozusagen Dauerzustand.
Außerdem: ich habe einen Teilzeitvertrag mit flexibler Arbeitszeit. Die genaue Klausel im Vertrag lautet
"Der Arbeitnehmer wird nach Dienstplan flexibel im Schnitt 3 Tage pro Woche bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden beschäftigt (in Teilzeit).
Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (Montag - Sonntag) richten sich nach Dienst- bzw. Schichtplänen, die jeweils im Voraus von der Betriebsleitung angefertigt werden. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Festlegung bestimmter gleich bleibender Arbeitszeiten. Wunschtermine können eingereicht werden.
Abweichungen von der Arbeitszeitregelung und insbesondere Überstunden
bedürfen der ausdrücklichen Anordnung durch die Betriebsleitung oder der Geschäftsführung des Arbeitgebers."
Aber "flexible Arbeitszeit" bedeutet doch nicht, dass ich Tag und Nacht einsatzbereit sein und alle privaten Termine spontan verschieben muss, oder? Wenn ich an meinem eigentlich freien Tag spontan doch eingetragen werde und dann nicht hingehe - ist das dann Arbeitsverweigerung?
Diese Überstunden, die einer "ausdrücklichen Anordnung" bedürfen, sind bei mir übrigens absoluter Standard. Der Chef trägt uns immer standardmäßig für viel zu viele Stunden ein, da er nicht genug Arbeitskräfte hat.
In meinem Arbeitsvertrag steht ja "Teilzeit, im Schnitt 3 Tage" - ich komme aber mindestens 4-6 Tage die Woche. Aus meinem Teilzeitvertrag ist also stillschweigend ein Vollzeitvertrag geworden - dem habe ich nie zugestimmt. Kann ich mich dem widersetzen?
Die Filiale schließt bald, wegen Umstrukturierungen am Flughafen und da alle anderen Mitarbeiter gekündigt haben, sind wir nun nur noch zu viert (vorher waren wir bis zu 10).
Das bedeutet: der Frühdienst ist jetzt täglich 5 Stunden alleine im Laden. Man kann in dieser Zeit nicht einmal auf Toilette gehen, weil man den Laden ja nicht unbeaufsichtigt lassen kann.
Darüber haben wir uns natürlich schon beschwert, aber das stößt nur auf taube Ohren. Es ist sehr anstrengend und unangenehm für mich, zu wissen, dass ich die nächsten 5 Stunden nicht auf Toilette gehen darf. Man traut sich nicht mal mehr, etwas zu trinken..
Hinzu kommt, dass irgendwie ständige Rufbereitschaft erwartet wird. Man muss telefonisch ständig erreichbar sein, für den Fall dass sich spontan etwas im Arbeitsplan ändert. Letzte Woche wurde ich angerufen, dass ich in der nächsten Nacht um 4 Uhr den Laden aufmachen soll. Diese Rufbereitschaft ist natürlich vertraglich nicht geregelt und wird auch nicht extra vergütet. Es steht mir natürlich frei, in meiner Freizeit grundsätzlich das Telefon auszuschalten, aber das kann doch wirklich nicht die Lösung sein?
Meine Kolleginnen und ich leiden sehr unter diesem Betrieb, eine Eigenkündigung kann sich allerdings keiner von uns leisten. Meiner Meinung nach darf unser Arbeitgeber aber auch nicht immer so weiter machen. Er eröffnet bald eine neue Filiale und wer weiß, wie dort mit den Mitarbeitern umgegangen wird.
Vielleicht kann mir ja jemand meine Fragen beantworten, damit ich beim nächsten Mal weiß, ob ich zu allen Überstunden "ja und amen" sagen muss.
Danke schon einmal im Voraus.
Arbeitgeber missachtet sämtliche Gesetze insb. zur Arbeitszeit
/// MUSS ich deshalb meinen wichtigen Termin an meinem freien Tag absagen und einspringen?
Nein. Eine derart kurzfristige Ansage geht nicht. Personalmangel ist keine ausreichender Grund, schon gar nicht als Dauerzustand.
Allerdings Nein sagen dürfen und tatsächlich auch Nein zu sagen sind zweierlei.
/// Dienst- bzw. Schichtplänen, die jeweils im Voraus von der Betriebsleitung angefertigt werden.
Das ist dein bzw. euer Hebel.
/// ... dass irgendwie ständige Rufbereitschaft erwartet wird. Man muss telefonisch ständig erreichbar sein, für den Fall dass sich spontan etwas im Arbeitsplan ändert.
Nein, Nein und nochmals Nein. Selbst schuld.
/// Letzte Woche wurde ich angerufen, dass ich in der nächsten Nacht um 4 Uhr den Laden aufmachen soll.
Keine RB ohne vertragliche Verankerung und schon gar nicht ohne Vergütung; s.o. sich trauen muss man schon.
Du hast ein Recht darauf, entsprechend deinen vertraglichen Pflichten eingeteilt zu werden. 'Ja und Amen zu allem': Nein. Die Kunst wird darin bestehen, dies konstruktiv und sachlich zu kommunizieren.
Danke schon einmal für die Antwort!
Leider rastet mein Chef total aus, wenn man sich ihm widersetzt. Geltende Gesetze haben für ihn keinen Wert.
Ich würde mich gerne trauen, einfach mal "nein" zu sagen, wenn er mich wieder dazu zwingen will, spontan einzuspringen, aber dazu muss ich erst mal ganz sicher sein, dass er mir dann nicht rechtliche Probleme machen kann ("Arbeitsverweigerung" oder so).
Ich bin mir so unsicher, weil der Chef bei ganz dringlichen betrieblichen Belangen ja glaube ich wohl von mir fordern kann, dass ich spontan einspringe. Oder überhaupt nicht? Wenn - wie im Moment - alle meine Kolleginnen krank sind, dann bin ich doch sozusagen gezwungen, zur Arbeit zu kommen. Sonst öffnet ja morgens keiner den Laden.
Oder ist das einfach sein Problem, weil ich die Personalplanung nicht hinkriegt?
Mir geht es nur darum: Kann er mir rechtlich Schwierigkeiten machen, wenn ich an freien Tagen einfach zuhause bleibe und keiner den Laden öffnet und er plötzlich alleine dasteht?
/// Sonst öffnet ja morgens keiner den Laden.
Wessen Problem ist das? Deines????
a) du musst in deiner Freizeit nicht erreichbar sein für deinen Chef
b) du musst in deiner Freizeit nicht erreichbar sein für deinen Chef
(hundert Mal schreiben!)
Du musst das Telefon deswegen nicht ausschalten - aber auch nicht rangehen, wenn du die bekannte Nummer erkennst.
Es ist einfach sein Problem, weil er die Personalplanung nicht hinkriegt.
Dein Problem ist das Neinsagen; damit fängst du am besten da an, wo die Dinge klar sind. Und eine gewisse Klugheit wirst du auch brauchen.
Natürlich wird er dir 'Probleme mache', so wie der gestrickt ist. Nur: 'wasch mich, aber mach' mir den Pelz nicht nass' kann nicht funktionieren. Wenn du allerdings kneifst und gar nciht erst anfängst, dich zu wehren, hast du ganz sicher schon verloren.
Vielleicht fängst du damit an, in deiner Freizeit nicht ans Telefon zu gehen, wenn er anruft.
Vielleicht sagst du morgen: Chef, ich mach' jetzt meine Pause - und verlässt den Laden dann auch für 30 Min.
Und vor allem solltest du weder stündlich noch täglich kontrollieren, ob der Einsatzplan geändert worden ist. Nach der Veröffentlichung nimmst du ihn zur Kenntnis, fotografierst ihn ab (oder was sonst möglich ist) und hältst dich daran - wenn der Chef was ändert, hast du das einfach nicht mitbekommen.
Aber vmtl. wirst du den Kampf nicht alleine führen können - im Verbund geht das besser.
Richtig ist auch, dass dein Chef leicht kündigen kann, wenn und solange es um einen Kleinbetrieb geht. Aber das ist ein Thema für sich.
Und ganz nebenbei hältst du das fast schon vergangene Niveau aufrecht, abseits von diesen überheblichen:"Nö" oder "Nein"-Antworten, wo zwar jeder weiß, was der Fragesteller wissen will, aber weil die Frage wohl nicht genug ausformuliert ( oder der eigene Alltag zu frustrierend) wir da überheblich geantwortet. Und möglichst ohne Informationen, Wissen bleibt ja die eigene Macht.
Hallo Exabyte,
vorweg: Sobald es an die Gesundheit geht, bitte zum Arzt!
Kein Job rechnet sich, wenn man davon krank wird.
Wenn ein Arbeitnehmer ausfällt, muss der AG vorher überlegen, wie er das regelt. Arbeitnehmer werden eben mal krank und der Arbeitgeber kann nicht automatisch damit rechnen, dass seine anderen Angestellten einspringen. Außer, er regelt das vorher. Und das sind dann Springer oder Hintergrunddienste, die auch zu bezahlen sind, wenn sie nicht einspringen.
WEnn Sie Ihre Erreichbarkeit gegenüber dem Arbeitgeber abstellen, dann dürfen Sie auf den Dienstplan vertrauen. Wenn z.B. das Handy weg ist, ist es weg. Der AG hat wie Sie ja inzwischen wissen, sowieso nicht das Recht, Sie einfach so anzufordern, aber mit mangelnder Erreichbarkeit sind Sie dann schuldlos aus dem Schneider.
-- Editiert von altona01 am 27.10.2016 20:48
@altona
Danke für die Blumen, das tut gut und ich weiß es zu schätzen.
Vielen Dank für eure Antworten!
Nachdem ich mich gestern für 5 Tage krank gemeldet habe, hatte ich dann auch sozusagen prompt die Kündigung auf dem Tisch. Die liegt mir zwar noch nicht schriftlich vor, aber, sagen wir, es ist als solche zu deuten.
Ich bin gespannt, mit welchem rechtlichen Hintergrund sie diese begründen wollen, aber erst mal heißt es für mich: Pech gehabt.
Oder Glück. Bei so einem Arbeitgeber kann ich eigentlich eher lachen als weinen, dass ich dort weg muss.
Nachdem ich meine Gesundheit für diesen Laden aufs Spiel gesetzt habe, Tag und Nacht eingesprungen bin usw. kam die Kündigung dann per Whatsapp - welch Ironie.
Da der Betrieb nur 4-5 Mitarbeiter beschäftigt und davon eine auch noch kein halbes Jahr lang, greift kein Kündigungsschutz oder?
Kündigungsschutzklage kann ich trotzdem einreichen oder? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es rechtens ist, dass man mich wegen einer 5tägigen Krankmeldung kündigt.
Oder kann der Chef jederzeit eine "verhaltensbedingte" bzw. Verdachtskündigung aussprechen und man hat als Arbeitnehmer einfach Pech gehabt?
ZitatDa der Betrieb nur 4-5 Mitarbeiter beschäftigt und davon eine auch noch kein halbes Jahr lang, greift kein Kündigungsschutz oder? :
Es sind ggf. auch andere Standorte/Filialen mit einzubeziehen und Teilzeitkräfte nur anteilig.
ZitatOder kann der Chef jederzeit eine "verhaltensbedingte" bzw. Verdachtskündigung aussprechen :
Nein, es ist die normale Kündigungsfrist einzuhalten. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Nicht vergessen, sich rechtzeitig bei der Arbeitsagentur zu melden.
Nee, Kündigungsschutz greift nicht. Allerdings ist die Kündigung so nicht wirksam. Die muss schon unterschrieben sein und als Hard Copy vorliegen. Einer Begründung bedarf es allerdings nicht. Hier würde ich mich auf Formalien konzentrieren. Ist die Frist eingehalten? Was ist mit Urlaub? Wann liegt die schriftliche Kündigung vor? Erst ab da beginnt die Frist zu laufen. Jetzt keinen Fehler machen, das ist wichtig. Dies bedeutet auch, nach den Kranktagen ganz offiziell die Arbeitskraft wieder anbieten.
Wenn der Chef arbeitsrechtlich nicht allzu bewandert ist, können da noch ein paar Monate Bezahlung rausspringen. Und, bitte sofort zur Agentur für Arbeit gehen, dass da nicht eine Sperre kommt.
wirdwerden
ZitatUnd, bitte sofort zur Agentur für Arbeit gehen, dass da nicht eine Sperre kommt. :
Warum?
Da muss er doch erst hin, wenn es eine Kündigung gibt?
ZitatKündigungsschutzklage kann ich trotzdem einreichen oder? :
Wenn denn tatsächlich mal eine Kündigung kommt, dann sollte man das machen.
Denn auch wenn es keinen Kündigungsschutz geben sollte, es greift auch hier ein Willkürverbot.
Die Agentur für Arbeit sollte immer dann eingeschaltet werden, wenn der Arbeitsplatz gefährdet ist. Es steht auch irgendwo in den Voraussetzungen für ALG I. Deshalb jetzt tun, damit man hinterher nicht noch Nebenkriegsschauplätze hat.
wirdwerden
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