Renovieren bei Auszug - ja oder nein?

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Sieben Fragen und Antworten rund um das Thema Schönheitsreparaturen

In den letzten zehn Jahren hat der Bundesgerichtshof in Sachen Schönheitsreparaturen und Renovierung bei Auszug immer wieder mieterfreundlich entschieden. Trotzdem scheint noch eine große Unsicherheit bei Mietern vorhanden zu sein. Es erreichen uns regelmäßig Fragen zu den Renovierungsfristen, Schönheitsreparaturen, Wandfarben und insbesondere zur Renovierungspflicht bei Auszug aus einer Mietwohnung. Wir haben mit Rechtsanwalt Michael Böhler die wichtigsten Fragen erörtert.

123recht.de: Herr Böhler, vor gut zehn Jahren hat der Bundesgerichtshof starre Fristen zu Schönheitsreparaturen in Mietverträgen für unwirksam erklärt. Was genau sind Schönheitsreparaturen und was genau bedeutete das Urteil?

Michael Böhler
Partner
seit 2006
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Hussenstraße 19
78462 Konstanz
Tel: 07531-9450300
Web: http://www.anwaltskanzlei-dotterweich.de
E-Mail:
Miet- und Pachtrecht, Zivilrecht, Erbrecht, Vertragsrecht

Rechtsanwalt Böhler: Sie beschreiten ein weites Feld: Unter Schönheitsreparaturen versteht man das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken inklusive Holzverkleidungen, das Streichen der Fußböden bzw. Reinigen der Teppichböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Versorgungsleitungen, der Innentüren sowie der (Doppel-) Fenster und Außentüren von innen. Außenanstriche dagegen sind genau so wenig Schönheitsreparaturen wie das Abschleifen und Versiegeln eines Parkett- oder die Erneuerung eines Teppichbodens. Da die Pflicht zur Instandsetzung und Instandhaltung der Wohnung grundsätzlich beim Vermieter liegt, muss dieser seine gesetzliche Möglichkeit nutzen, die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen im Mietvertrag auf den Mieter abzuwälzen.

Mit seinem bahnbrechenden Urteil vom 23.06.2004 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die bisher dahin üblichen sog. „starren" Fristenregelungen für Schönheitsreparaturen unwirksam sind (VIII ZR 361/03). Wenn man z.B. Bad und Küche alle drei Jahre, weitere Wohnräume alle fünf Jahre und sonstige Räume alle sieben Jahre renovieren soll, dann benachteiligt das den Mieter unangemessen. Dies deshalb, weil ohne Rücksicht auf die tatsächliche Renovierungsbedürftigkeit zum Farbeimer gegriffen werden musste. Man sollte beachten, dass die Rechtsprechung nur Formularverträge betrifft. Eine individuelle Vereinbarung auch „starrer" Fristen bleibt weiterhin möglich. Allerdings muss dann ein tatsächliches Aushandeln stattgefunden haben. Das ist zugegebenermaßen selten, weil der Vermieter in der Regel den Mietvertrag zur Unterschrift vorlegt.

123recht.de: Ist das Urteil noch aktuell? Gibt es heute überhaupt noch unwirksame Formulierungen zu Schönheitsreparaturen?

Rechtsanwalt Böhler: Seit 2004 sind nur noch so genannte „weiche Fristen" möglich, die auf den tatsächlichen Zustand der Wohnung eingehen, weshalb das Urteil nach wie vor Aktualität besitzt. Der BGH hat seine Rechtsprechung auch weiter festigen können, weil ihm immer wieder vergleichbare Klauseln zur Entscheidung vorgelegt worden sind.

Und auch heute gibt es noch häufig unwirksame Fristenregelungen, weil noch zahlreiche vor 2004 eingegangene Mietverhältnisse existieren, wobei gesagt werden muss, dass auch vor dem Urteil viele Vermieter bereits „weiche" Fristenpläne verwendet haben und deshalb nicht jede Regelung unwirksam sein muss. Nicht selten sind weiter Mietverträge, in denen Renovierungsmaßnahmen vom Mieter übernommen werden sollen, die gar nicht unter die Definition der Schönheitsreparaturen fallen.

123recht.de: Wenn ich so eine unwirksame Formulierung in meinem Mietvertrag entdecke, muss ich dann überhaupt renovieren, oder bin ich komplett davon befreit?

Rechtsanwalt Böhler: Wenn es sich unzweifelhaft um eine „starre Fristenregelung" handelt, dann schuldet der Mieter nur die besenreine Rückgabe, wie der Bundesgerichtshof am 28.06.2006 (VIII ZR 124/05) entschieden hat. Dann muss die Wohnung nur vollständig geräumt, ordentlich durchgekehrt und von groben Verunreinigungen befreit werden.

123recht.de: Der Mieter renoviert seine Wohnung, obwohl er es nicht musste - kann er seinen Aufwand erstattet bekommen?

Rechtsanwalt Böhler: Ja, denn der Vermieter ist dann unberechtigt um die investierte Arbeitszeit und das verwendete Material bereichert. Die Durchsetzung eines solchen Anspruchs ist zwar häufig problematisch, da der Mieter den Aufwand beweisen muss und häufig nicht alles beweissicher dokumentiert wird, doch ist eine Rückforderung möglich. Zu beachten ist aber, dass Eile geboten ist, weil Ansprüche des Mieters auf Aufwendungsersatz sechs Monate nach Beendigung des Mietverhältnisses verjähren!

123recht.de: Wenn mein Mietvertrag nun so formuliert ist, dass die Wohnung tatsächlich bei Auszug renoviert übergeben werden muss, muss ich dann einen Fachbetrieb beauftragen, oder kann ich auch einfach selbst streichen?

Rechtsanwalt Böhler: Die Schönheitsreparaturen sind fachmännisch in mittlerer Art und Güte auszuführen, doch kann dies stets auch in Eigenleistung erfolgen. So genannte „Fachhandwerkerklauseln" sind unwirksam, weil sie den Mieter wiederum unangemessen benachteiligen. Aber Vorsicht: Wer nur in unterdurchschnittlicher Weise renoviert, kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn der Vermieter anschließend einen Handwerker zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands beauftragen muss.

123recht.de: Müssen die Wände unbedingt weiß gestrichen werden?

Rechtsanwalt Böhler: Ein Streichen in der Farbe „weiß" kann nicht verlangt werden. Wer als Vermieter eine derartige Regelung in seinen Mietverträgen verwendet, kann am Ende ganz auf den Schönheitsreparaturen „sitzen bleiben", wie der Bundesgerichtshof am 18.02.2009 (VIII ZR 166/08) entschieden hat. Es geht den Vermieter nichts an, welche Farbe der Mieter für seine Räume wählt.

123recht.de: Aber gilt das auch bei einem Auszug? Angenommen ich muss renovieren und streiche die Wände rosa…

Rechtsanwalt Böhler: Ja. Denn wenn der Formular-Mietvertrag – auch hier kann individuell ein Streichen in „weiß" vereinbart werden – den Mieter in seiner Farbwahl für die von ihm gemieteten Räume einschränkt, wird er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unangemessen benachteiligt und die Abwälzung der Schönheitsreparaturen insgesamt hinfällig. In seiner Entscheidung vom 20.01.2010 (VIII ZR 50/09) hat er dies nochmals bestätigt.

Natürlich gibt es abgesehen von der Farbe „Weiß" Klauseln, die ein Vermieter verwenden kann. Denn der Bundesgerichtshof sieht natürlich auch dessen Interesse, die Wohnung in einem Zustand zurückzuerhalten, der von neuen Mietinteressenten akzeptiert wird. Stichwort sind hier „helle, deckende und neutrale Farben" – deren Verwendung benachteiligt den Mieter nach Auffassung der Karlsruher Richter nicht unangemessen, allerdings muss sich die Farbwahlklausel dann auf den Rückgabezeitpunkt beziehen. Der Mieter könne dann ja frei entscheiden, ob er z.B. in einer schwarz gestrichenen Wohnung leben will, denn es ist ihm dann bewusst, dass er zum Auszug hin renovieren muss (Urteil vom 18.06.2008, VIII ZR 224/07).

Ob Ihr „Rosa" bei einer solchen Klausel als hell und neutral einzustufen sein könnte, dürfte vom Einzelfall und möglicherweise auch vom letztlich gewählten „rosa"-Ton abhängen. Möglichweise ein neuer Fall für den Bundesgerichtshof…

123recht.de: Umstritten ist auch immer wieder, was vom Mieter behoben werden muss und was als "normale Abnutzung" nicht ersetzt oder verbessert werden muss. Können Sie Beispiele für die "normale Abnutzung" nennen? Was versteht man darunter?

Rechtsanwalt Böhler: Sie zielen auf den Begriff des „vertragsgemäßen Gebrauchs" ab. Dessen Inhalt ergibt sich aus dem jeweiligen Mietvertrag und weiteren Abreden mit dem Vermieter, z.B. hinsichtlich der Veränderung der Wohnung etwa durch Anschluss eines Kaminofens oder eine infolge Wanddurchbruchs ermöglichte Durchreiche von der Küche in das Esszimmer. Wer sich vertragsgemäß verhält, muss keine Ansprüche des Vermieters fürchten. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Wohnung im Laufe der Zeit abnutzt, z.B. kann ein Rollladen irgendwann seinen Dienst versagen oder ein Teppichboden ausgetauscht werden müssen.

Problematisch sind ja ohnehin nur Fälle des vertragswidrigen Gebrauchs wie beispielsweise die unbefugte Überlassung der Wohnung an Dritte, die unerlaubte Haustierhaltung oder Lärm- und Geruchsbelästigung bei Verstoß gegen die Hausordnung. Bei Schäden in der Wohnung kommt es auf den Einzelfall an, weshalb sich die Beratung eines auf das Mietrecht spezialisierten Rechtsanwalt empfiehlt.

123recht.de: Vielen Dank, Herr Böhler.