Strafrecht am Spieltag: "Pyrotechnik ist kein Verbrechen", oder?

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Eine Betrachtung der Strafbarkeit von pyrotechnischen Gegenständen im Stadion

Über Sinn und Unsinn der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände, insbesondere bengalischer Fackeln in Fußballstadien, gehen die Meinungen auseinander. Einig scheint man sich häufig indes darüber, dass deren Entzünden jedenfalls verboten und darüber hinaus sogar strafbar, mindestens jedoch ordnungswidrig sein muss. Entsprechende Urteile sind aus den Medien bekannt, in denen Strafen, z.B. wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz und versuchten (gefährlichen) Körperverletzungen, ausgesprochen wurden. Die Gewerkschaft der Polizei in NRW stellte dies in einem Merkblatt aus 2011 ebenfalls klar (http://bit.ly/18ycd3d) und meint, dass selbst die Verwendung niederklassifizierter pyrotechnischer Gegenstände jedenfalls als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Auch die „Arbeitsgemeinschaft Fananwälte“ geht von einer Ordnungswidrigkeit nach dem Sprengstoffgesetz aus (http://bit.ly/18zvKQT).

Den einen oder anderen wird es daher überraschen, dass die eigentliche Rechtslage durchaus komplexer ist und die bloße Verwendung von Pyrotechnik in Stadien keineswegs so pauschal beurteilt werden kann.

Matthias Düllberg
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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
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Verbot von Pyrotechnik

Zunächst ist festzuhalten, dass jedwede Verwendung pyrotechnischer Gegenstände tatsächlich verboten ist und regelmäßig unangenehme Reaktionen der Polizei und Sanktionen der Vereine nach sich ziehen wird.

Aufgrund der Versammlungsstättenverordnungen der Länder sind Betreiber von Stadien und Veranstalter von Ligaspielen bußgeldbewehrt verpflichtet, den Einsatz von Pyrotechnik zu unterbinden. Dieser Verpflichtung kommen sie durch entsprechende Hinweise in den Stadionordnungen, Aushänge und Kontrollen nach. Wenngleich die angesprochenen Verordnungen zwar selbst Ausnahmen zulassen, soweit der zugrundeliegende Brandschutz hinreichend und in Abstimmung mit der zuständigen Behörde gewahrt bleibt, besteht hierauf seitens der Fans kein Anspruch. Derartige Ausnahmen werden von Vereinen und Verbänden strikt abgelehnt, weshalb die Besonderheiten der Versammlungsstättenverordnungen im Rahmen dieses Artikels weitestgehend ausgeklammert bleiben sollen.

Schon wegen der dargelegten Verbote gibt es kaum haltbare Einwände gegen polizeirechtliche Maßnahmen, soweit diese präventiv zur Gefahrenabwehr und im Rahmen der einzelnen Befugnisse erfolgen. Von der Sicherstellung, bis hin zu Platzverweisen und Festnahmen ist hier vieles denkbar und möglich. Auf die und auf die Verwendung von Pyrotechnik selbst können dann im Weiteren Stadionverbote gestützt werden. Zudem wird eine umfassende zivilrechtliche Haftung für das verbotswidrige Abbrennen von Pyrotechnik kaum zu verhindern sein.

Einen Straftatbestand erfüllt die Verwendung aber trotz des Verbotes oftmals nicht.

Strafbarkeit nach dem Sprengstoffgesetz

Eine Strafbarkeit des nicht gewerbsmäßigen Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände nach dem Sprengstoffgesetz  (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG, der eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht) scheidet bereits dann aus, wenn durch die Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) konformitätsbewertete oder zugelassene Gegenstände verwendet werden. Dies folgt ausdrücklich aus § 40 Abs. 5 SprengG.

Im Zulassungsverfahren überprüft die BAM die Gegenstände anhand der grundlegenden Sicherheitskriterien, versieht sie im Falle der Zulassung mit CE Zeichen, Registrier- und Identifikationsnummer und  weist sie danach den Kategorien I, II, III, IV für Feuerwerke und T1, T2, sowie P1, P2 für pyrotechnische Gegenstände zu. Zahlreiche der bengalischen Fackeln, die in Fankurven entzündet werden, sind als Signalfackeln im Bereich der Seenotrettung auf diesem Wege zugelassen und der Kategorie P1 zugeordnet worden, womit in all diesen Fällen kein Gegenstand im Sinne der Strafvorschrift abgebrannt wird.

Mitunter wird das mit dem Argument anders gesehen, dass bei einer zweckfremden Verwendung der Gegenstände die ursprünglich erteilte Zulassung erlösche, so dass der Tatbestand des § 40 SprengG deshalb erfüllt sei. Diese Sichtweise verkennt jedoch, dass eine zweckfremde Verwendung nichts an der objektiven Zulassung ändert, auf die das Gesetz abstellt. Die Zulassung erfolgt anhand der Prüfung des Gegenstandes selbst und wird nicht dadurch aufgehoben, dass ein zugelassener und klassifizierter Gegenstand zweckfremd verwendet wird. Eine Rücknahme bzw. ein Widerruf der Zulassung käme einzig durch die BAM selbst gegenüber dem Zulassungsinhaber in Betracht, wenn die grundlegenden Sicherheitskriterien nicht mehr vorlägen. Dies hat die BAM unter dem 05.03.2013 in einem Informationsblatt ausdrücklich klargestellt (http://bit.ly/13m4nY2). Auf Nachfrage wurde dort zudem bestätigt, dass die Einschätzung dem Bundesministerium des Innern vorgelegen hat und von diesem nicht beanstandet wurde.

Eine Strafbarkeit gemäß  § 40 Abs. 3 SprengG, der für den Fall der wissentlichen Gefährdung von Menschen oder Gegenständen von erheblichem Wert sogar eine Strafe von bis zu 5 Jahren vorsieht, wird in den meisten Fällen mangels entsprechenden Vorsatzes ausscheiden – dazu sogleich mehr. Darüber hinaus, wegen des Verweises auf die Erlaubnispflicht des § 27 SprengG aber bereits dann, wenn Pyrotechnik solcher Kategorien verwendet wird, die gerade nicht dieser Erlaubnispflicht unterliegen (§ 4 1.SprengV) .

Strafbarkeit aufgrund (versuchter) Körperverletzungsdelikte

Eine versuchte (gefährliche) Körperverletzung wird aufgrund fehlenden Vorsatzes in der Regel ebenfalls nicht vorliegen.

Der Versuch einer Straftat setzt neben dem „unmittelbaren Ansetzen“, hier also dem Anzünden des Gegenstandes, Vorsatz bezüglich aller Tatbestandsmerkmale und mithin auch bezüglich der Verletzung anderer Menschen voraus. Für die Annahme eines solchen Vorsatzes reicht die sog. „billigende Inkaufnahme“ aus.

Auf den ersten Blick spricht nun sicher einiges dafür, dass derjenige, der einen um die 2000°C-heißen, stark rauchenden Gegenstand inmitten einer Menschenmenge anzündet, die Verletzung anderer stets billigend in Kauf nimmt. Es ist allerdings ebenso beachtlich, dass diese 2000°C nur in einem sehr eng umgrenzten Radius erreicht werden, der bei besonnenem Umgang zudem noch der vollständigen Kontrolle des Verwenders unterliegt. Dieser kann ihn, trotz Hintze, immerhin in der ungeschützten Hand halten. Nicht ohne Grund werden die Notfackeln regelmäßig von der BAM in die Kategorie P1 (= „Pyrotechnische Gegenstände – außer Feuerwerkskörpern und pyrotechnischen Gegenständen für Bühne und Theater –, die eine geringe Gefahr darstellen“) eingestuft, so dass allein aufgrund der Verwendung ohne Weiteres nicht auf die Billigung der Gefährdung anderer geschlossen werden kann. Wer ausschließlich etwas gefährliches tut, dabei aber (glaubhaft) davon überzeugt ist, dass es zu keinerlei Gefährdung kommen wird und diese auch nicht beabsichtigt, handelt allenfalls fahrlässig und gerade nicht vorsätzlich im Sinne eines versuchsbegründenden Tatentschlusses.

Ordnungswidrigkeiten aufgrund des Sprengstoffgesetzes

Auch die Voraussetzungen der Ordnungswidrigkeiten des Sprengstoffrechts sind, soweit tatsächlich ein zugelassener Gegenstand der Kategorien P1, T1 oder I verwendet wird, häufig nicht erfüllt.  

Derartige Gegenstände dürfen unproblematisch gemäß § 20 Abs. 2 der 1.Sprengstoffverordnung (1.SprengV) an Personen über 18 (Klasse I Feuerwerk sogar an Personen über 12) Jahre verkauft, von diesen besessen und überdies gemäß § 4 1.SprengV ohne Erlaubnis verwendet werden. Schon deshalb scheidet eine Ordnungswidrigkeit nach § 41 Abs. 1a) SprengG aus, der sich über das erlaubnislose Verwenden von zugelassenen Gegenständen verhält.

Soweit die Gewerkschaft der Polizei in dem eingangs zitierten Merkblatt eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 41 Abs. 1 Nr.16 SprengG i.V.m. §§ 23 Abs.1, 2; 46 Nr. 8b) 1.SprengV darstellt, sind die Voraussetzung entgegen dortiger Auffassung nicht erfüllt.

§ 46 Nr. 8b) 1.SprengV mit dem Verweis auf § 23 Abs.1 und 2 1.SprengV bewehrt zwar tatsächlich das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände an bestimmten Orten und ohne erforderliche Erlaubnis mit einem Bußgeld, bezieht sich dabei aber weder auf Fußballstadien, noch auf Feuerwerk der Kategorie I und pyrotechnische Gegenstände der Kategorien P1 und T1. Auch ein Verstoß gegen den Absatz 3 des § 23 (der dann allerdings nicht über § 46 Nr. 8b) 1.SprengV, sondern gemäß  § 46 Nr. 8c) 1.SprengV geahndet würde) liegt nicht vor. Hierin wird zwar augenscheinlich zumindest eine Anmeldepflicht auch für die Verwendung von Gegenständen der Kategorie P1und T1 konstatiert, die allerdings nur gegenüber Inhabern eines Berechtigungsscheines und im Zusammenhang mit Feuerwerken gilt, welche ihrerseits bereits erlaubnispflichtig sind.

Teilweise wird noch angenommen, dass im Falle einer zweckfremden Verwendung der Gegenstände gegen eine vollziehbare Anordnung im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 3 SprengG verstoßen würde, die unmittelbar aus der Gebrauchsanweisung folge. Auch zu dieser Thematik hat die BAM in dem oben bereits genannten Informationsschreiben unwidersprochen Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass eine solche Anordnung allenfalls dann angenommen werden könne, wenn die entsprechenden Teile der Gebrauchsanleitung selbst Teil der Zulassung waren, was aber, wie auf konkrete Nachfrage mittgeteilt wurde, regelmäßig nicht der Fall sei.

Das SprengG und die 1.SprengV bieten noch eine ganze Reihe weiterer bußgeldauslösender Tatbestände, die allerdings ebenfalls für die Verwendung erlaubnisfreier Gegenstände nicht einschlägig sind.

Fazit

Die damit geschilderte Straflosigkeit nach den sprengstoffrechtlichen und allgemeinstrafrechtlichen Regelungen bezieht sich nach dem Vorgesagten selbstverständlich nur auf die gefährdungslose Verwendung zugelassener pyrotechnischer Gegenstände der genannten Kategorien. Die Nutzung nicht zugelassener Gegenstände ist ebenso strafbar, wie die Nutzung zugelassener Gegenstände in einer vorsätzlich gefährdenden Weise. Kommt es tatsächlich zu Gesundheitsbeeinträchtigungen ist in der Regel jedenfalls der Tatbestand der (fahrlässigen) Körperverletzung erfüllt. Der Slogan „Pyrochechnik ist kein Verbrechen“ ist angesichts der rechtlichen Situation aber dennoch nicht nur formaljuristisch deshalb richtig, weil unter keinem Aspekt ein Verbrechenstatbestand verwirklicht wird (§ 12 StGB). Vielmehr ist die bloße Verwendung pyrotechnischer Gegenstände der Klassen I, P1 oder T1 insgesamt nicht per se strafbar oder ordnungswidrig.

Dennoch kann und wird es angesichts des jeweiligen Einzelfalls immer wieder Anhaltspunkte geben, die durchaus auch in Richtung einer Strafbarkeit interpretiert werden können und deshalb zur Einleitung von Ermittlungsverfahren führen. Seit einiger Zeit ist diesbezüglich eine Tendenz erkennbar, relativ schnell die Voraussetzungen eines Verletzungsvorsatzes und dadurch die Voraussetzungen (versuchter) Körperverletzungsdelikte anzunehmen.  Die m.E. überzeugende Einschätzung der BAM hat sich vermutlich ebenfalls noch nicht bei allen Polizeidienststellen, Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verteidigern herumgesprochen. Zudem bleibt es letztlich den Verantwortlichen des DFB und insbesondere der Vereine natürlich unbenommen, Pyrotechnik grundsätzlich abzulehnen. Hierfür mag es zureichende und nachvollziehbare Gründe geben. Auf „die eindeutige Rechtslage“  als beliebtes Totschlagargument sollte dabei m.E. allerdings ebenso verzichtet werden, wie auf eine pauschale Kriminalisierung von Befürwortern und Verwendern pyrotechnischer Effekte im Stadion, die in dieser Rechtslage gerade keine hinreichende Stütze findet.

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