Mitgefangen, mitgehangen: so schnell wird man Gesamtschuldner

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Die gesamtschuldnerische Haftung - wenn aus der entspannten WG-Zeit ein finanzielles Fiasko wird

Gemeinsam mit dem Mitbewohner den Mietvertrag zu unterschreiben, klingt auf den ersten Blick logisch und sicher. Aber nur, solange der Mitbewohner auch brav seinen Mietanteil zahlt. Denn jeder Mieter kann für die Gesamtmiete in die Haftung genommen werden.

Der Vermieter kann wählen, welchen Mieter er in Anspruch nimmt

123recht.de: Herr Kakridas, ich habe meine Hälfte der Miete immer bezahlt, aber mein Mitbewohner nicht. Wieso bekomme ich denn jetzt die Mahnung?

Alexandros Kakridas
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Rechtsanwalt Kakridas: Vorausgesetzt, Sie haben beide gemeinsam einen Mietvertrag als Mieter unterzeichnet, kann sich der Vermieter prinzipiell aussuchen, wen er auf die Mietforderung in Anspruch nimmt. Denn der Vermieter als Gläubiger der Mietzinsforderung kann grundsätzlich frei wählen, welchen der Mieter er in die Pflicht nehmen will.

Das wurde auch von der Rechtsprechung des BGH bestätigt. Auch Unkenntnis bezüglich der fehlenden Mietzahlung durch den Mitbewohner schützen einen übrigens nicht. Man muss sich daher immer wieder selbst erkundigen, ob der Mitbewohner seinen Anteil am Mietzins auch bezahlt hat.

Jeder Schuldner steht beim Gläubiger für die Gesamtschuld ein

123recht.de: In dem Zusammenhang fällt ja immer wieder der Begriff "gesamtschuldnerisch". Was bedeutet das und warum gibt es das?

Rechtsanwalt Kakridas: Eine Gesamtschuld kann entweder durch gesetzliche Vorgaben oder mittels Vertragsschluss entstehen. Bei einem gemeinsamen Mietvertrag wäre dies also eine Gesamtschuld durch vertragliche Vereinbarung.

Letztlich bedeutet gesamtschuldnerisch, dass mehrere "Schuldner" gegenüber dem "Gläubiger" verpflichtet sind, die gesetzliche oder vertragliche Schuld zu leisten. Und zwar jeder einzelne für die gesamte Leistung. Auf den Mietvertrag übertragen stehen die Mieter, jeder für sich, für den vollen Mietzins gegenüber dem Vermieter ein. Den vollen Mietzins kann der Vermieter daher von jedem einzelnen Mieter verlangen.

Der Vermieter darf insgesamt die Leistung aber natürlich nur einmal fordern, wenn diese von einem Mieter bezahlt worden ist.

Die Gesamtschuld gibt es in erster Linie aufgrund spezieller gesetzlicher Bestimmungen. Wenn mehrere Personen z.B. gleichzeitig einen Schaden herbeiführen, so ist es auch gerechtfertigt, dass jeder für sich für den Schaden aufkommen muss.

Dies ist natürlich besonders vorteilhaft für den Geschädigten bzw. dem Gläubiger einer Gesamtschuld. Er kann sich schließlich den Leistungsfähigsten heraussuchen. Selbst eine mögliche Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners ist belanglos, solange mindestens ein (weiterer) Schuldner in der Lage ist, die Leistung, z.B. den Schadenersatz, voll zu erbringen.

Bei Kündigung einer Mietwohnung müssen alle Mieter gemeinsam kündigen

123recht.de: Ich wohne schon lange nicht mehr in der betreffenden Wohnung, habe aber nie regulär beim Vermieter gekündigt. Wie komme ich aus der gesamtschuldnerischen Haftung heraus? Genügt es, wenn mein Mitbewohner da etwas unterschreibt?

Rechtsanwalt Kakridas: Sofern Sie den Mietvertrag nicht rechtmäßig gekündigt haben, besteht dieser ihnen gegenüber noch weiter. Grundsätzlich gilt, dass seitens der Mieter nur gekündigt werden kann, wenn alle Mieter die Kündigung schriftlich erklären. Zieht daher ein Mitbewohner aus der Wohnung aus, kann der andere den Mietvertrag nicht einfach kündigen. Nur alle Mieter gemeinsam können wirksam kündigen. Der Vermieter kann dafür die Kündigung auch nur gegenüber allen Mietern gemeinsam aussprechen.

Um der gesamtschuldnerischen Haftung zu entgehen, reicht es daher nicht aus, dass Sie alleine kündigen oder der Mitbewohner erklärt, zukünftig alleine das Mietverhältnis fortzusetzen, sofern der Vermieter nicht seine Zustimmung erklärt.

Wenn der Vermieter aber mitmacht, kann ein neuer Mietvertrag mit dem verbliebenen Mitbewohner geschlossen werden, oder die Parteien einigen sich auf einen Aufhebungsvertrag mit dem Inhalt, dass das Mietverhältnis mit Wirkung für alle Mieter einvernehmlich beendet wird.

Sofern der Mitbewohner sich aber nicht der Kündigung anschließen möchte, weil er den Wunsch hat, in der Wohnung zu verbleiben, der Vermieter aber den Mitbewohner nicht als einzigen Mieter akzeptiert, bleibt meist nur noch der Gang zum Gericht.

Derjenige Mitmieter, der das Mietverhältnis kündigen möchte, hat nämlich gegen den anderen Mieter einen Anspruch, dass dieser an der Beendigung des Mietverhältnisses mitwirkt, indem er sich seiner Kündigung anschließt. Dieser Anspruch besteht uneingeschränkt bei nicht verheirateten Paaren oder z.B. bei Mitgliedern einer Wohngemeinschaft.

Für Eheleute gibt es aber rechtliche Besonderheiten, welche zu beachten sind.

123recht.de: Wenn ich für meinen Mitbewohner mitzahlen muss - wie bekomme ich mein Geld zurück?

Rechtsanwalt Kakridas: Sie können von Ihrem Mitbewohner den anteiligen Ausgleich verlangen. Wenn Sie z.B. den vollen Mietzins bezahlt haben und vereinbart worden ist, dass jeder zur Hälfte die Miete bezahlt, dann können Sie die hälftige Miete vom Mitbewohner zurückverlangen, notfalls kann dieser Anspruch auch gerichtlich durchgesetzt werden.

123recht.de: Den Mietvertrag haben wir bereits eingangs genannt. Haben Sie weitere typische Beispiele für gesamtschuldnerische Haftung in Verträgen, die uns im Alltag begegnet?

Rechtsanwalt Kakridas: Wie bereits angeführt, kann neben den gesetzlich vorgesehenen Fällen eine Gesamtschuld - freiwillig - vertraglich ausdrücklich vereinbart werden. Solche vertragliche Vereinbarungen sind in vielfältiger Weise denkbar. In der Praxis recht häufig ist z.B. die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Bürgen oder die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten ihrer Personengesellschaft.

Keine automatische Gesamtschuld durch Eheschließung

123recht.de: Sind Eheleute immer automatisch Gesamtschuldner? Haftet man als Ehepartner immer für die Schulden des anderen?

Rechtsanwalt Kakridas: Eine automatische Gesamtschuld nur aufgrund der Eheschließung gibt es nicht. Auch Eheleute müssen mit einem Dritten eine entsprechende vertragliche Vereinbarung schließen oder unterfallen einer Gesamtschuld aufgrund spezieller gesetzlicher Vorgaben.

Bedeutsam ist letzteres vor allem im Steuerrecht, Eheleute haften z.B. als Gesamtschuldner, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der jeweilige Ehepartner kann jedoch auf Antrag im Vollstreckungsverfahren so gestellt werden, als sei er Einzelschuldner.

Ansonsten gilt der Grundsatz, jeder Ehepartner haftet primär für seine Verbindlichkeiten selbst, seine Schulden werden nicht automatisch zu Schulden des Ehepartners. Geringfügige Ausnahmen wären allenfalls z.B. bei "Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs" der Eheleute denkbar, bei dem der nicht handelnde Ehegatte auch dann aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet wird, wenn der handelnde Ehegatte nur im eigenen Namen tätig geworden ist. Die entsprechende Norm wird aber äußerst restriktiv ausgelegt.

123recht.de: Gibt es die gesamtschuldnerische Haftung auch im Geschäftsleben, oder nur bei "privaten" Belangen?

Rechtsanwalt Kakridas: Selbstverständlich gibt es eine Gesamtschuld nicht nur im privaten Belangen, sondern – vor allem – auch im geschäftlichen Bereich. Zu nennen wäre hier insbesondere die Gesamtschuld der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft bei Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft oder die gesamtschuldnerische Haftung alter und neuer Arbeitgeber beim Betriebsübergang für bestimmte Verbindlichkeiten.

Vollmacht zur Kündigung kann Ärger vermeiden

123recht.de: Was raten Sie unseren Lesern zu guter Letzt bezüglich eines gemeinsamen Mietvertrages?

Als aller erstes sollte vor Abschluss eines gemeinsamen Mietvertrages sorgfältig überprüft und abgewogen werden, mit wem man gemeinsam ein Mietverhältnis eingeht. Insbesondere sollte man sich vorab ehrlich austauschen, wie es um die jeweilige individuelle finanzielle Situation des anderen Mitbewohners beschaffen ist, da man ansonsten im schlimmsten Fall gegenüber dem Vermieter in voller Höhe haftet. Sie können sich Ihren Anteil zwar vom Mitbewohner wiederholen, wenn dieser aber pleite ist, bleibt man häufig auf der Forderung sitzen.

Notfalls wäre es unumgänglich, sich vorab entsprechende finanzielle Belege, wie Kontoauszüge, Arbeitsvertrag etc. zeigen zu lassen. Auch dies stellt eine vertrauensbildende Maßnahme dar, die wichtig ist, da man sich – häufig für verhältnismäßig lange Zeit – vertraglich gemeinsam bindet.

Ein weiterer Tipp zur Absicherung wäre in Anbetracht der erwähnten Probleme bei der gemeinsamen Kündigung die individuelle Anfertigung entsprechender gegenseitiger Vollmachten zur Kündigung. Es empfiehlt sich daher schon frühzeitig, - möglichst bei Abschluss des Mietvertrages - dass sich die Mitbewohner gegenseitig eine Vollmacht erteilen, die den anderen Mitmieter ermächtigt, eine Kündigung auch für den anderen Teil auszusprechen.

Dies hat den Vorteil, dass die gemeinsame Kündigung auch ohne weitere Zustimmung des Mitbewohners erfolgen kann. Damit spart man sich späteren möglichen Ärger und großen Aufwand, falls der Mitbewohner z.B. auszieht und unbekannt verzogen sein sollte. Die Vollmacht sollte natürlich unwiderruflich erteilt werden. Bei der Anfertigung einer solchen Vollmacht kann man auch anwaltlichen Beistand hinzuziehen.

Die Vollmachtsurkunde solle bei dem Kündigungsschreiben im Original vorgelegt werden, um zu verhindern, dass der Vermieter die Kündigung wegen Formunwirksamkeit zurückweist.

123recht.de: Vielen Dank Herr Kakridas!

Rechtsanwalt
Alexandros Kakridas

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