Straßenbaubeiträge: "Die meisten Bescheide sind angreifbar"

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Was Grundstückseigentümer bei Straßenerneuerungen wissen sollten - ein Interview mit Rechtsanwalt Galka

Die Straße vor dem Haus wird immer schlechter, Schlaglöcher werden nur notdürftig geflickt. Irgendwann beschließt die Gemeinde, die Straße neu zu machen. Im ersten Moment ist die Freude groß: endlich! Doch dann kommt der Gebührenbescheid: 10.000 Euro, zahlbar binnen einem Monat. Was jetzt? 123recht.de hat bei Rechtsanwalt Janus Galka nachgefragt.

Anlieger müssen Erneuerung einer Straße anteilig bezahlen

123recht.de: Herr Galka, was genau sind Straßenbaubeiträge?

 Janus Galka
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Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sattlerstraße 9
97421 Schweinfurt
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Rechtsanwalt Galka: Straßenausbaubeiträge sind Abgaben, die Gemeinden von Grundstückeigentümern in der Regel für Erneuerung und Verbesserung von Straßen erheben. Betroffen sind Grundstückseigentümer, die durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße einen „besonderen Vorteil" haben. Nicht notwendig ist, dass das Grundstück durch die Baumaßnahme einen Wertzuwachs erhält oder die Straße vom Anlieger tatsächlich genutzt wird.

123recht.de: Muss jede Gemeinde die gleichen Straßenbaubeiträge erheben, oder gibt es Unterschiede?

Rechtsanwalt Galka: Gesetzlich geregelt werden Straßenausbaubeiträge in den Kommunalabgabegesetzen der Bundesländer. Je nach Bundesland sind Gemeinden sogar verpflichtet, diese Beiträge zu erheben. Allerdings müssen Einzelheiten des Abrechnungsmaßstabs zwingend durch eine gemeindliche Satzung festgelegt sein. Jede Gemeinde kann also in einem gewissen Rahmen die Beitragserhebung selbst steuern. Dadurch unterscheiden sich die Berechnungsmodalitäten von Gemeinde zu Gemeinde. Allerdings sind die gemeindlichen Satzungen gerichtlich voll nachprüfbar, insoweit werden meist „Mustersatzungen" verwendet, in denen der Berechnungsmodus vorgegeben ist. Damit gehen die Gemeinden dann auf „Nummer sicher".

Je größer der Nutzen für die Allgemeinheit, desto kleiner die Beteiligung der Eigentümer

123recht.de: Wie sieht so ein Berechnungsmodus aus? Wie viel kann umgelegt werden, und richtet sich das auch nach der Art der Straße?

Rechtsanwalt Galka: Bei Straßenausbaubeiträgen kommt es tatsächlich nach den meisten gemeindlichen Satzungen entscheidend auf die Straßenkategorie an. Je nachdem, ob die Gemeinde die Straße beispielsweise als Hauptverkehrsstraße oder Anliegerstraße einstuft, kommt je nach Satzungsregelung ein Anliegeranteil zwischen 50 % oder 80 % in Frage. Bei der Festlegung der Straßenkategorie ergeben sich in der Praxis oft Streitfragen, die für die Grundstückseigentümer von großer Bedeutung sind. Eines lässt sich pauschal sagen: Die Gemeinde darf jedenfalls nicht die gesamten Aufwendungen umlegen, ein gewisser Gemeindeanteil muss auch immer von ihr selbst getragen werden, denn die Straße wird schließlich auch von der Allgemeinheit genutzt. Je größer der Nutzen für die Allgemeinheit, desto kleiner ist der Anliegervorteil und somit auch die Beteiligung der Eigentümer an den Kosten.

123recht.de: Macht es einen Unterschied, ob die Straße nur repariert oder vollständig erneuert wird?

Rechtsanwalt Galka: Dies kann sogar der entscheidende Unterschied sein. Wird eine Straße nur repariert, liegt in der Regel keine Erneuerung und auch keine Verbesserung vor. Durch eine Reparatur wird die Straße letztlich nur im ordnungsgemäßen Zustand gehalten, so dass hierfür grundsätzlich keine Beiträge in Frage kommen und solche Maßnahmen vollständig durch die Gemeinde finanziert werden. Im Einzelfall gibt es natürlich Grenzfälle, die dann notfalls gerichtlich entschieden werden müssen, ob die Maßnahme tatsächlich eine Beitragspflicht auslöst oder nicht.

Eine Straße hat eine Lebensdauer von ca. 20 Jahren

123recht.de: Oft flicken Gemeinden Schlaglöcher nur per „Schnellreparatur". Können Anlieger dann für die tatsächlich anstehende Straßenerneuerung herangezogen werden, wenn die Gemeinde vorher immer nur das Notwendigste getan hat?

Rechtsanwalt Galka: Die Gemeinden tragen die Verantwortung für den Zustand der eigenen Straßen. Kommen sie ihren Instandhaltungspflichten nicht nach und wird die Straße erneuerungsbedürftig, kann es dazu kommen, dass die Erneuerung von der Gemeinde selbst zu tragen ist. Die Beitragspflicht entsteht im Falle einer vollständigen Erneuerung der Straße nämlich erst nach Ablauf der „Lebensdauer" der Straße. Hier nimmt die Rechtsprechung einen Zeitraum von etwa 20-25 Jahren an. Geht die Straße folglich aufgrund fehlender Instandsetzung vorher kaputt, kann die Gemeinde nicht eine vollständige Sanierung zu Lasten der Bürger beispielsweise bereits fünf Jahre nach der letzten beitragspflichtigen Sanierung durchführen.

123recht.de: Was ist mit Baumaßnahmen an der Kanalisation, der Straßenbeleuchtung oder den Fußwegen? Können die auch im Rahmen von Straßenbaubeiträgen umgelegt werden?

Rechtsanwalt Galka: Bei Straßenausbaubeiträgen hat man vor allem die Kosten für die Fahrbahn im Sinn, die umgelegt werden. Umlagefähig sind aber auch die Kosten der mit der Straße im Zusammenhang stehenden Anlagenteile, wie z.B. Gehwege, Straßenbeleuchtung, Grünanlagen. Bei der Kanalisation ist allerdings nur der so genannte Straßenentwässerungsanteil abrechnungsfähig, d. h. der Anteil der Kosten, der auf die Entwässerung der Straße entfällt.

Die geforderten Beträge liegen im Schnitt zwischen 5.000 und 10.000 €

123recht.de: Was soll man machen, wenn der Gebührenbescheid kommt? Überprüfen, zum Anwalt, einfach zahlen?

Rechtsanwalt Galka: Die Berechnung der Beiträge ist in der Praxis sehr komplex und die meisten Bescheide sind angreifbar. Allerdings ist die Rechtsprechung in diesem Rechtsgebiet so umfangreich, so dass man als Betroffener kaum nachvollziehen kann, wo im Einzelfall Fehler liegen könnten. Insoweit stellt ein auf Verwaltungsrecht und insbesondere Beitragsrecht spezialisierter Anwalt sicherlich eine Hilfe dar, zumal ein fundiert begründeter Rechtsbehelf durchaus eine erhebliche Ersparnis bringen kann. Die von den Gemeinden durchschnittlich geforderten Beträge liegen zwischen 5.000 und 10.000 €.

Erhält man einen Bescheid, ist Untätigkeit die schlechteste Lösung. Man hat in der Regel nur einen Monat Zeit, Widerspruch einzulegen. Im Zusammenhang damit muss man auch wissen, dass ein solcher Widerspruch keine so genannte „aufschiebende Wirkung" entfaltet. Grundsätzlich ist man also trotz Einlegung eines Widerspruchs verpflichtet, den geforderten Betrag innerhalb der im Bescheid angegebenen Frist zu zahlen. Gegen diese Zahlungspflicht vorzugehen ist auch möglich, hierzu ist ein so genannter "Antrag auf Aussetzung der Vollziehung" notwendig, der allerdings auch gut begründet sein sollte.

Ratenzahlung nur aus Kulanz

123recht.de: Angenommen, der Gebührenbescheid ist rechtmäßig - das kann ja eine ziemliche Summe sein, die man vorher nicht eingeplant hatte. Kann man das in Raten zahlen?

Rechtsanwalt Galka: Bei Straßenausbaubeiträgen handelt es sich immer um hohe Summen, die grundsätzlich auf einmal zu entrichten sind. Möchte ein Betroffener eine Ratenzahlung, muss auch dies bei der Gemeinde im Rahmen einer Stundung beantragt werden. Man zahlt dann je nach Ausgestaltung der Stundungsabrede in mehreren Raten. Diese Möglichkeit ist allerdings vom guten Willen der Gemeinde abhängig.

123recht.de: Kann ich mich im Vorfeld einer Straßenerneuerung aktiv an der Planung beteiligen und meine Interessen vertreten?

Rechtsanwalt Galka: Die Straßenerneuerung an sich ist grundsätzlich keine Maßnahme, für die eine besondere Beteiligung der Anlieger vorgesehen ist. Die Art und Form der Beteiligung hängt stark von der Bürgernähe der handelnden Personen in der einzelnen Gemeinde ab. In manchen Gemeinden erfahren die Bürger von einer Maßnahme erst aus der Zeitung, in anderen Gemeinden werden die Anlieger aber auch aktiv in die Planung einbezogen und können Wünsche äußern.

Gemeinde muss über Ausmaß, zeitliche Planung und Kosten aufklären

123recht.de: Was raten Sie Anliegern generell, wenn eine Straßenerneuerung ansteht?

Rechtsanwalt Galka: Wenn ich als Anlieger von einer Straßenerneuerung erfahren würde, so wäre mein erster Ansprechpartner die Gemeinde, um mir Auskünfte zum Umfang und Dauer der Maßnahme sowie über eventuell bereits bekannte Gesamtkosten der Maßnahme einzuholen. Käme dann ein Beitragsbescheid, würde ich diesen auf Fehler prüfen und ggf. Rechtsmittel einlegen.

123recht.de: Vielen Dank!

RECHTSANWALT
Janus Galka, LL.M. Eur.
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Europajurist (Univ. Würzburg)
Dipl. Verwaltungswirt (FH)

Sattlerstraße 9
97421 Schweinfurt
Tel. 09721 71071

Pleichertorstraße 10
97070 Würzburg
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Leserkommentare
von valgard am 30.01.2015 07:45:16# 1
Was wenn der Hausbesitzer diese Summe nicht bar zur Verfügung hat.
Und auch keinen Kredit bekommt.
Man denke an die Oma über 70 die mit 600 Euro Rente in ihrem kleinen alten Häuschen auf dem Land lebt.


    
von buecherwurm62 am 02.05.2017 20:29:44# 2
wie wird die strassen sicherungspflicht einer gemeinde überprüft und wer macht sowas , ,was müssen sie tun und wie ,was passiert wenn eine gemeinde jahrelang nix tut trotz vieler beschwerden finde nix richtiges im netz oder google ich falsch
    
von Lena61 am 13.08.2018 02:28:13# 3
Die ganze Sache hat einen bitteren Beigeschmack. Ganz abgesehen davon, dass es aus verschiedenen Gründen nicht mehr zeitgemäß ist, von den Bürgern so horrende Summen zu fordern, ist es inzwischen auch so:
Einige Städte in Deutschland haben sich von den Strassenausbaubeiträgen abgekoppelt, einige nicht. Dass führt doch zuUngerechtigkeiten.
Entweder alle oder keiner....... Mit diesem niedrigen Lohhnnivieau in Deutschland wird man ja als Hauseigentümer oft mit solchen Forderungen in den Ruin getrieben...... Nein...........Das ist keine gute Regelung.
    
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