Antwort vom 23. Februar 2016 | 22:17
Von Status: Lehrling (1740 Beiträge, 708x hilfreich)
Praktischerweise besteht bei einem Händler, der eine Widerrufsbelehrung mit einer solchen Formulierung benutzt ...
"Können Sie uns die empfangenen Waren nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand herausgeben (dazu zählen auch entfernte oder beschädigte Siegel), müssen Sie uns insoweit Wertersatz leisten. Für die Verschlechterung der Sache und für gezogene Nutzungen müssen Sie Wertersatz nur leisten, soweit die Nutzungen oder die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Unter „Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise" versteht man das Testen und Ausprobieren der jeweiligen Ware, wie es etwa im Ladengeschäft möglich und üblich ist."
ein (fast) ewiges Widerrufsrecht ( über ein Jahr! ), und außerdem kann der Händler dann nach Ausübung eines Widerrufsrechts überhaupt keinen Wertminderungsersatz vom widerrufenden Verbraucher verlangen.
1. Jedenfalls verliert der Händler auch bei der kleinsten Abweichung vom Text der amtlichen Muster-Widerrufsbelehrung das Privileg einer "per Gesetz" ordnungsgemäßen Belehrung ( was Voraussetzung für den Beginn der 14-tägigen Widerrufsfrist ist ). Dann ist penibel zu prüfen, ob die Version des Händlers ordnungsgemäß informiert - ansonsten beginnt die 14-Tagesfrist nicht, läuft also auch nicht ab und bewirkt somit jedenfalls kein Erlöschen des Widerrufsrechts durch "Fristablauf".
2. Das Gesetz sieht jedenfalls KEINEN Wegfall eines Erstattungsanspruchs bei Entfernung oder gar nur Beschädigung einer Versiegelung vor ( Ausnahme: versiegelte Daten-/Film-/Tonträger ).
Eine als AGB-vertragliche Beschränkung des Widerrufsrechts zu wertende Klausel wäre jedenfalls wg. unzulässiger Abweichung von den Widererufs-Vorschriften unwirksam; die Belehrung über eine (vermeintlich vertraglich geregelte ) Beschränkung des Widerrufsrechts also unrichtig/nicht ordnungsgemäß.
3. Aufgrund der Verwendung einer a) vom amtlichen Belehrungsmuster abweichenden, und b) nicht ordnungsgemäß informierenden Widerrufsbelehrung wird
- die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt,
- dem Händler das Recht abgeschnitten, nach einem Widerruf für Verschlechterungen Wertmiinderungsersatz geltend machen zu können.
4. Der neunmalkluge Händler verfälscht außerdem den Wettbewerb und wirkt unlauter auf die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern ein, wenn er unrichtig über die gesetzlichen Verbraucherrechte informiert - und setzt sich dem Risiko hoher Kosten für den Fall aus, daß er deshalb von dazu befugten Stellen und/oder Konkurrenten gerichtlich/außergerichtlich belangt wird.
RK