Der Kindesunterhalt beim Wechselmodell
Mehr zum Thema: Familienrecht, Wechselmodell, Umgang, Kindesunterhalt, Residenzmodell, UnterhaltHerabstufung des Barunterhalts wegen Mehraufwands für Ausübung des erweiterten Umgangsrechts mit dem Kind
Der Umfang des von den Kindseltern gelebten Umgangs hat auch Einfluss auf den vom umgangsberechtigten Elternteil zu zahlenden Kindesunterhalt. Geht der mit dem Umgang einhergehende Betreuungsaufwand über das übliche Maß hinaus, hat dieses Einfluss auf die Berechnung des Kindesunterhalts.
Der BGH hatte in einem familienrechtlichen Verfahren zu klären, welcher Kindesunterhalt durch den Kindsvater zu zahlen ist. Dabei kam es auf die zu klärende Frage an, welches Umgangsmodell von den Kindseltern gelebt wird (Residenzmodell oder Wechselmodell), Beschluss vom 12.03.2014, Az. XII ZB 234/13.
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Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung
Das Gericht stellte zunächst grundsätzlich zum Umgang fest:
"Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen "Obhut" sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der … Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt."Residenzmodell
"Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Eingliederungs- oder Residenzmodell), so ist die Obhut … dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen."
Wechselmodell:
"Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut … innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen."
Weiterhin führt der BGH dazu aus, dass die Feststellung zum Umgangsumfang beim Familiengericht liegt:
"Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt … dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu." …"Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht … bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht."
Grundsätzliches zur Berechnung des Kindesunterhalts
Der BGH führt weiterhin grundsätzliches zur Art und Weise der Berechnung des Kindesunterhalts aus:
"Mehrere gleich nahe Verwandte haften nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB für den Unterhalt eines Berechtigten anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen. Nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch dessen Pflege und Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil hat den Unterhalt durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Die gesetzliche Regelung geht mithin davon aus, dass ein Elternteil das Kind betreut und versorgt und der andere Elternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat.Dabei bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Soweit dieser allerdings noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, wie dies bei unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindern der Fall ist, leitet sich seine Lebensstellung von derjenigen der unterhaltspflichtigen Eltern ab. Wird das Kind von einem Elternteil versorgt und betreut, während der andere Teil Barunterhalt leistet, so ist die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils begrenzt."
Der Regelfall ist das Residenzmodell
"Diese Beurteilung ist solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert."
Wenn der andere Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, erbringt dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung des Kindes.
Anders verhält es sich beim Wechselmodell
"Anders wird es allerdings zu beurteilen sein, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt. In solchen Fällen wird eine anteilige Barunterhaltspflicht der Eltern in Betracht kommen, weil sie auch für den Betreuungsunterhalt nur anteilig aufkommen. Verfügen beide Elternteile über Einkünfte, ist der Elementarbedarf des Kindes an den beiderseitigen - zusammengerechneten - Einkünften auszurichten. Hinzuzurechnen sind Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung entstehen und deren Ansatz und Erstattung unter den jeweiligen Umständen angemessen ist. Für den so ermittelten Bedarf haben die Eltern anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und unter Berücksichtigung der erbrachten Naturalunterhaltsleistungen aufzukommen."
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