Elternunterhalt - was Kinder und Eltern wissen sollten

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Neue Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Unterhalt von Kindern gegenüber Eltern

Nicht nur die Eltern sind gegenüber ihren Kindern zum Unterhalt verpflichtet, sondern auch die Kinder gegenüber ihren Eltern.

In dem Verfahren, das für einiges mediales Interesse gesorgt hatte, bejahte der Bundesgerichtshof (BGH) eine grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung, obwohl der Vater schon vor Jahrzehnten jeglichen Kontakt zum Sohn abgebrochen hatte (BGH, Urt. v. 12.02.2014 – XII ZB 607/12). Aber auch mehrere neue Entscheidungen zum Einsatz des eigenen Vermögens oder zur Leistungsfähigkeit des verheirateten Kindes zeigen die Brisanz des Themas. Durch die Alterung der Gesellschaft, die knappen Kassen der Sozialämter und die Tatsache, dass immer mehr Menschen ihren Lebensabend nicht in ihren eigenen vier Wänden sondern im Pflegeheim verbringen, gewinnt der Elternunterhalt zunehmend an Bedeutung.

Ausgangssituation

Wohnt der Elternteil noch zu Hause, kann der Bedarf bei fehlenden finanziellen Mitteln möglicherweise noch über die Leistungen zur Grundsicherung im Alter gedeckt werden. In diesem Fall droht keine Inanspruchnahme unterhaltspflichtiger Kinder. Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit zur Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen; eine Verletzung dieser Obliegenheit kann zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Grundsicherung führen (BGH, Beschluss v. 08. Juli 2015 – XII ZB 56/14).

Der Elternunterhalt kommt jedoch dann ins Spiel, wenn der Elternteil bedürftig ist und in einem Heim wohnt. Da der mit der Heimunterbringung entstehende Bedarf häufig nicht vollständig durch die Leistungen der Grundsicherung im Alter und der Pflegeversicherung gedeckt ist, tritt der Sozialleistungsträger für die fehlenden Kosten ein. Da aber vorrangig die Kinder für den Unterhalt der Eltern verantwortlich sind, geht in diesem Fall der Unterhaltsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Hier kommt es häufig zum Streit zwischen dem Träger der Sozialhilfe und den in Anspruch genommenen Kindern.

Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs

Der Unterhaltsanspruch eines Elternteils setzt voraus, dass dieser bedürftig und das in Anspruch genommene Kind leistungsfähig ist.

Bedarf

Bei Heimunterbringung entspricht der Bedarf regelmäßig den nicht gedeckten Kosten der Unterbringung einschließlich eines Barbetrages für die Bedürfnisse des täglichen Lebens.

Leistungsfähigkeit

Der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen das eigene Kind ist ein rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteter Anspruch. Das unterhaltspflichtige Kind soll keine spürbare und dauerhafte Senkung seines Lebensstandards hinnehmen. Der Elternunterhalt wird daher von dem Gedanken einer schonenden Belastung des unterhaltspflichtigen Kindes getragen. Dies zeigt sich darin, dass dem Kind gegenüber seinen Eltern ein höherer Mindestselbstbehalt zusteht. 2016 beträgt der Mindestselbstbehalt 1.800,00 €. Ist das unterhaltspflichtige Kind verheiratet, ist ein Familienselbstbehalt von mindestens 3.240,00 € zu berücksichtigen. Daneben erhöht sich der pauschalierte Selbstbehaltssatz um die Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens.

Einsatz des vorhandenen Vermögens

Wenn der Unterhaltsschuldner aufgrund seines Einkommens nicht leistungsfähig ist, hat er grundsätzlich auch sein vorhandenes Vermögen einzusetzen. Einschränkungen ergeben sich aber daraus, dass nach § 1603 Abs. 1 BGB sonstige Verpflichtungen des Unterhaltsschuldners zu berücksichtigen sind (vgl. zuletzt BGH, Urt. 09.03.2016 – XII ZB 963/14) und er seinen eigenen angemessenen Unterhalt einschließlich einer angemessenen Altersvorsorge nicht zu gefährden braucht. Entsprechend werden dem Unterhaltsschuldner je nach Lebenssituation hohe Vermögensfreibeträge gewährt, so dass in der Regel Vermögen unter 100.000 € nicht einzusetzen ist. Die Höhe der geschützten Altersvorsorge richtet sich nach dem Bruttoeinkommen und der Dauer der bisherigen Erwerbstätigkeit. Der Wert einer selbstgenutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens grundsätzlich unberücksichtigt (BGH, Urt. v. 07.08.2013 – XII ZB 269/12).

Nach der Entscheidung des BGH vom 29.04.2015 (XII ZB 236/14) besteht jedoch für den zur Zahlung von Elternunterhalt Verpflichteten, der verheiratet ist und kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, grundsätzlich kein Bedürfnis für die Bildung eines eigenen Altersvorsorgevermögens. Der Unterhaltsschuldner muss dann sein Vermögen überwiegend uneingeschränkt einsetzen, es sei denn er ist über seinen Ehegatten nicht hinreichend für das Alter abgesichert.

Anders wiederum bei einem Unterhaltspflichtigen, der selbst die Regelaltersgrenze bereits erreicht hat. Hier kann nach der Entscheidung des BGH vom 21.11.2012 (XII ZR 150/10) verwertbares Vermögen in der Weise für den Elternunterhalt eingesetzt werden, als dieses in eine an der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltspflichtigen orientierte Monatsrente umgerechnet und dessen Leistungsfähigkeit aufgrund des so ermittelten (Gesamt-)Einkommens nach den für den Einkommenseinsatz geltenden Grundsätzen bemessen wird.

Grundsätzlich ist dem Unterhaltspflichtigen über das Altersvorsorgevermögen hinaus ein so genannter Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden (Sonder-)Bedarfs zuzuerkennen. Die Höhe dieses Betrages lässt sich allerdings nicht pauschal festlegen; vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, in welchem Umfang hierfür Mittel zu belassen sind (BGH, Urt. v. 29.04.2015, a.a.O.).

Leistungsfähigkeit des verheirateten Kindes

Bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit des verheirateten unterhaltspflichtigen Kindes muss sichergestellt sein, dass der Elternunterhalt nur aus dem Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes geleistet und eine verdeckte Haftung des Schwiegerkindes ausgeschlossen wird. Die Leistungsfähigkeit berechnet sich daher nach der Rechtsprechung des BGH auf der Grundlage eines individuellen Familienbedarfs (zuletzt BGH, Urt. v. 23.07.2014 – XII ZB 489/13).

Mehrere Unterhaltspflichtige

Mehrere Kinder haften anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Die Berechnung der anteiligen Haftung bereitet in der Praxis häufig Probleme, da die Kinder unterschiedliche Lebens- und Einkommenssituationen haben.

Die sich ständig im Fluss befindliche Rechtsprechung des BGH zum Elternunterhalt bleibt weiter zu beobachten.