Arbeitszeugnis – Anspruch und Inhalt in der betrieblichen Praxis

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Fazit

Bei jeder beruflichen Veränderung, sei es bei einem geplanten Arbeitsplatzwechsel, im Rahmen einer Kündigung oder auch nur beim Wechsel eines Vorgesetzten, besteht beim Arbeitsnehmer und beim zukünftigen Arbeitgeber oder Vorgesetzten ein berechtigtes Interesse an Nachweisen durch Arbeitszeugnisse. Sie spielen während des gesamten Arbeitsverhältnisses eine entscheidende Rolle. Schon bei der Bewerbung ist das Arbeitszeugnis häufig entscheidend für die (Vor-) Auswahl der Bewerber und Kandidaten.

Kommt es zu einem Wechsel in eine andere Abteilung, in ein anderes Konzernunternehmen oder zu einem anderen Arbeitgeber, stellt sich die Frage nach einem Zwischenzeugnis.

Zum Streitpunkt kann das Arbeitszeugnis insbesondere im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen werden. Das ist häufig der Fall, denn dann treffen die gegenseitigen Standpunkte oft sehr konfliktgeladen aufeinander, und das durch die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht erforderliche Wohlwollen und der Grundsatz der Wahrheitspflicht treten bei der Erstellung in den Hintergrund.

In jedem Fall birgt das Thema viele Fragen und Probleme sowohl zum rechtlichen Anspruch als auch zu den damit verbundenen inhaltlichen Fragen.

  1. Wer hat einen Anspruch?
  2. Wer muss das Zeugnis ausstellen?
  3. Zu welchem Zeitpunkt kann man eine Zeugnis beanspruchen?
  4. Welche formalen Aspekte müssen beachtet werden?
  5. Was muss oder darf inhaltlich enthalten sein?

Wer hat einen Anspruch?

Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, unabhängig davon, in welchem Umfang er arbeitet. Es ist daher unerheblich, ob man eine Teilzeit-, Vollzeittätigkeit oder auch nur eine geringfügige Beschäftigung ausführt. Selbst nach einer Probezeitkündigung und einem dementsprechend kurzen Arbeitsverhältnis besteht dieser Anspruch, der in § 109 der Gewerbeordnung niedergeschrieben ist.

Wer muss das Zeugnis ausstellen?

Der Anspruch richtet sich immer gegen den Arbeitsgeber, so dass im Fall einer so genannten Arbeitnehmerüberlassung (zum Beispiel bei einer Zeitarbeit) auch der Verleihbetrieb zur Ausstellung verpflichtet ist.

Gerade in größeren Betrieben und Gesellschaften wird das Zeugnis von einem Vertreter des Arbeitgebers ausgestellt. Dieses geschieht meist schon deswegen, da dieser aufgrund seiner Vorgesetztenfunktion die Arbeit besser beurteilen kann. Erforderlich ist jedoch immer, dass das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Ausstellers deutlich gemacht wird, denn dieser muss erkennbar ranghöher als der Arbeitnehmer sein. Meist erfolgt dieses durch den Zusatz „i.V." und seine Funktionsbezeichnung (zum Beispiel „Teamleiter").

Leider werden viele Arbeitnehmer auch mit dem Thema Insolvenz des Arbeitgebers konfrontiert. In diesem Fall ist Folgendes zu unterscheiden: Wird ein Arbeitsverhältnis vor der Insolvenzeröffnung beendet, bleibt der Arbeitgeber grundsätzlich Schuldner des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Erlangt ein vorläufiger Insolvenzverwalter in vollem Umfang die Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverhältnisse oder wird das Arbeitsverhältnis erst nach der Insolvenzeröffnung beendet, schuldet der Insolvenzverwalter das Arbeitszeugnis. Das gilt unabhängig davon, ob und wie lange er den Arbeitnehmer beschäftigt hat oder eigene Kenntnisse über dessen Arbeitsleistung gewinnen konnte.

Zu welchem Zeitpunkt kann man eine Zeugnis beanspruchen?

Grundsätzlich ist das Zeugnis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und muss ausgestellt werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass ein qualifiziertes Zeugnis gemäß § 109 Absatz 1 Satz 3 der Gewerbeordnung nur auf Verlangen des Arbeitnehmers erstellt werden muss. Hier genügt eine einfache Aufforderung zur Ausstellung des Zeugnisses, ohne dass konkret ein „qualifiziertes" gefordert werden muss, denn ein einfaches Zeugnis muss der Arbeitgeber in jedem Fall ohne weitere Aufforderung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstellen.

„Bei Beendigung" bedeutet, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses absehbar sein muss, also vor Ablauf der Befristung, bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags oder bei Ausspruch der Kündigung, denn nur dann kann sich der Arbeitnehmer bereits mit diesem Zeugnis bewerben. Auch bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage wird der Arbeitgeber nicht von der Erteilung eines Zeugnisses entbunden.

Häufig wünscht der Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis. Es kann erforderlich sein, wenn der Vorgesetzte wechselt oder der Arbeitnehmer selbst im gleichen Unternehmen eine berufliche Veränderung plant. Es erfolgt zwar in beiden Fällen keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so dass § 109 Gewerbeordnung nicht einschlägig ist, aber der Anspruch besteht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, wenn der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse daran hat und „triftige Gründe" vorweisen kann. Dies liegt zum Beispiel neben den oben genannten Gründen auch bei einer längeren Unterbrechung aufgrund Elternzeit, bei Einstieg in eine Bewerbungsphase oder zur Vorlage bei Behörden vor.

Welche formalen Aspekte müssen beachtet werden?

Zweck eines Zeugnisses ist es, dem Arbeitnehmer bei seinem weiteren beruflichen Fortkommen zu dienen, so dass es auch nach außen den üblichen Gepflogenheiten entsprechen muss. Formal heißt das, dass es maschinenschriftlich mit Ausstellungsdatum und Unterschrift des Berechtigten auf Geschäftspapier zu erstellen ist. Es genügt jedoch, wenn die volle Firmenbezeichnung und die Anschrift auf dem Zeugnis angegeben werden, denn nicht jeder Kleinunternehmer verwendet ein eigenes Geschäftspapier. Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer verlangen, dass Kaffeeflecken, Durchstreichungen oder andere Unansehnlichkeiten entfernt werden. Schreibfehler sind zu berichtigen, da ein Leser dadurch auf eine Geringschätzung des Arbeitnehmers schließen könnte.

Was muss oder darf inhaltlich enthalten sein?

Inhaltlich ist zu unterscheiden, ob es sich um ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis handelt. Ein einfaches Zeugnis, das der Arbeitgeber, wie erwähnt, ohne Aufforderung zu erstellen hat, erstreckt sich inhaltlich nur auf Art und Dauer der Beschäftigung. Neben den Daten zur Person ist die Art der Beschäftigung genau und vollständig wieder zu geben. Hierzu gehört die Beschreibung der übertragenen Arbeitsaufgaben, besonderer Leitungsbefugnisse und eventuell absolvierter Fortbildungsmaßnahmen.

Im Rahmen eines qualifizierten Zeugnisses sind zusätzlich die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses zu bewerten, so dass eine Gesamtbeurteilung des Arbeitsnehmers möglich ist. „Leistung" heißt: Kriterien wie zum Beispiel Fachkenntnisse, Arbeitsqualität, Verantwortungsbereitschaft und Ausdrucksvermögen müssen aufgeführt sein. „Verhalten" bedeutet: Das Sozialverhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten soll beurteilt werden können. Es sind alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen zu erwähnen, die für einen zukünftigen Arbeitgeber von Bedeutung sein könnten.

Der Grundsatz der Wahrheit birgt gerade bei der Bewertung von Leistung und Verhalten ausreichend Konfliktstoff, insbesondere nach Beendigung von Arbeitsverhältnissen, denn es kommt hinzu, dass das Zeugnis immer aus der Sicht eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers erstellt werden muss. Subjektive Erwägungen sind möglichst zurück zu stellen, auch wenn das bei einer Beurteilung nur schwer möglich ist. Wohlwollend bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschwert werden darf. Allerdings besteht keine Pflicht, ungünstige Aussagen zu verschweigen.

Im Spannungsverhältnis zwischen Wahrheitspflicht und Wohlwollen hat sich in der Praxis ein System beschönigender Formulierungen herausgebildet und insbesondere bei einer so genannten Gesamtnote zu einer Notenskala geführt. Unterste Stufe ist dabei zum Beispiel die Formulierung, dass der Mitarbeiter „sich stets bemüht hat". Auf den ersten Blick klingt das positiv, wird jedoch allgemein für schlechte Leistungen benutzt. Im Gegensatz dazu wird der Passus „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" häufig als höchste Bewertung verwendet, auch wenn das grammatikalisch höchst bedenklich ist. Geheime Zeichen oder so genannte Zeugniscodes haben aufgrund § 109 Absatz 2 der Gewerbeordnung zu unterbleiben.

Es hat sich eingebürgert, dass ein Zeugnis mit einer so genannten Schlussformel endet. Darin wird dem Arbeitnehmer gedankt und für seine berufliche Zukunft alles Gute gewünscht. Ein Fehlen dieser Formel wird allgemein als negativ bewertet, aber der Arbeitnehmer hat keinen Rechtsanspruch auf diese Formel.

Im Übrigen kann der Arbeitnehmer eine Berichtigung des Zeugnisses verlangen und gegebenenfalls klagen, wenn das ihm erteilte Zeugnis in Inhalt und Form nicht den Bestimmungen entspricht.

Es bleibt festzustellen, dass das Thema Arbeitszeugnis im Verhältnis zu der vorwiegend zu klärenden Frage der Wirksamkeit von Kündigungen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Aber: Angesichts der aufgezeigten Problemfelder und der nicht unerheblichen Bedeutung für die berufliche Zukunft des Arbeitnehmers sollten sich beide Parteien nicht erst im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses mit diesem Thema rechtlich und inhaltlich auseinandersetzen. Zeitlich und inhaltlich festgelegte Prozesse zur Zeugniserstellung sollten in Unternehmen wichtiger Bestandteil aktiver Personalarbeit sein.


Per-Hendrik Ipland
Rechtsanwalt

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