Europarichter wollen direkte Klagen gegen EU-Richtlinien zulassen

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- Alleinige Betroffenheit soll nicht mehr Maßstab sein

Die Bürger und Unternehmen in der Europäischen Union werden künftig möglicherweise leichter und direkt gegen Richtlinien und Verordnungen der EU vorgehen können. Das jedenfalls sieht eine Entscheidung vor, die das Europäische Gericht Erster Instanz am Freitag überraschend verkündet hat (Az: T-177/01). Beobachter erwarten allerdings, dass die EU-Kommission hiergegen Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof einlegen wird.

Bislang können EU-Bürger und Unternehmen nur dann direkt gegen Maßnahmen der EU klagen, wenn sie "unmittelbar und individuell" betroffen sind, beispielsweise wenn die Europäische Kommission wegen angeblicher Wettbewerbsverstöße Strafen gegen einzelne Unternehmen verhängt. Gegen Richtlinien und Verordnungen, die alle Bürger beziehungsweise Unternehmen gleichermaßen treffen, war dagegen kein direkter Rechtsweg gegeben. Nach dem erstinstanzlichen Luxemburger Urteil soll es dagegen künftig nicht mehr auf die Zahl der Betroffenen ankommen.

Im konkreten Fall hatte die EU-Kommission die Fischereibestimmungen für die Gebiete südlich von Irland verschärft und die bisher zugelassenen Netze mit einer Maschenweite von 80 Millimetern verboten. Dagegen klagte ein französischer Bootsbesitzer. Nach den bisherigen Maßstäben wäre diese Klage unzulässig, erklärte hierzu das Gericht Erster Instanz. Dies sei aber höchst unbefriedigend, weil dem Unternehmen keine zumutbare Alternative bleibe.

Konkret müsste der Bootsbesitzer absichtlich gegen die neue Regelung verstoßen. Hierfür würden dann die französischen Behörden eine Strafe verhängen, gegen die er dann in Frankreich klagen könne. Erst die französischen Gerichte könnten den Streit dann den Europarichtern in Luxemburg vorlegen. Dies sei unbefriedigend und für die Betroffenen unzumutbar, so das Gericht Erster Instanz. Zudem sei auch nur eine direkte Klagemöglichkeit mit den Grundrechten vereinbar.

Eine natürliche Person kann zurzeit vor dem EuGH nicht klagen, da sie nicht klagebefugt ist: Natürliche Personen können nur klagen, wenn sie ein unmittelbare und individuelle Betroffenheit vorweisen können. Da Richtlinien aber erst mit der nationalen Umsetzung für den einzelnen Bürger Wirkungskraft entfalten, kann der Bürger erst gegen die konkrete Umsetzung des jeweiligen Mitgliedstaates und somit gegen nationales Recht klagen. Auch eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Richtlinie vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) wäre unzulässig, da vor dem BVG nur gegen Akte der staatlichen, deutschen, an das Grundgesetz gebundenen öffentlichen Gewalt vorgegangen werden kann.

(afp/123recht.de)

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