Das einvernehmliche Ende des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag

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Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags beachten sollten

Das Arbeitsverhältnis kann auf vielfache Weise beendet werden. Meistens ist es eine einseitige Entscheidung des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers - die Kündigung. Es gibt aber auch eine Konsenslösung, um die Anstellung zu beenden, den Aufhebungsvertrag. 123recht.de beleuchtet im Interview mit Rechtsanwalt Johannes Kromer, was man bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag wissen sollte.

Hauptvorteil für den Arbeitgeber sind Kosten- und Zeitersparnisse

123recht.de: Herr Kromer, Worin liegt die Motivation des Arbeitgebers, einen Aufhebungsvertrag anzubieten?

Johannes Kromer
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Rechtsanwalt Kromer: Die Motive können vielfältig sein. In der Regel stehen Kosten- und Zeitersparnisse im Vordergrund. Durch den Aufhebungsvertrag wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgehoben. Würde der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, so könnte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben. Der Arbeitgeber hat sodann das Problem, dass er während der Prozessdauer keine Planungssicherheit hat.

Zwar einigt man sich bei den meisten Kündigungsschutzklagen relativ kurzfristig vor Gericht auf einen Vergleich, allerdings besteht immer das Risiko, dass ein Arbeitnehmer den Prozess ggf. über mehrere Instanzen bis zum Ende führt. Dort wird die Kündigung dann unter Umständen als unwirksam erachtet, sprich der Arbeitgeber hat auch für die Zeit des Prozesses Gehalt zu zahlen und den Arbeitnehmer zu beschäftigten. Da sich ein solcher Prozess über Jahre ziehen kann und auch einiges an Geld kostet, ist der Aufhebungsvertrag legitimes Mittel, hier schnelle Klarheit zu schaffen.

123recht.de: Muss ich auf ein solches Angebot eingehen?

Rechtsanwlt Kromer: Keineswegs. An dieser Stelle empfehle ich dringend, sich die Angelegenheit sehr genau anzuschauen und gegebenenfalls Rechtsrat einzuholen. Wie oben bereits ausgeführt, liegt der Abschluss des Aufhebungsvertrags regelmäßig im Interesse des Arbeitgebers. Dies sollte man sich zu Nutzen machen und entsprechende Forderungen stellen.

Aufhebunsgvertrag bietet gute Verhandlungsposition für Arbeitnehmer

123recht.de: Was könnten solche Forderungen sein?

Rechtsanwalt Kromer: Hier gibt es mehrere Punkte, die aus Arbeitnehmersicht interessant sind. Zunächst sind natürlich finanzielle Aspekte interessant, sprich die Abfindung.

123recht.de: Was ist hier möglich?

Rechtsanwalt Kromer: Das kommt natürlich auf die Verhandlungssituation an. Die Höhe der Abfindung wird sich maßgeblich an zwei Punkten orientieren: nach der Dauer der Beschäftigung und danach, wie „einfach" die Kündigung wäre.

123recht.de: Was verstehen Sie unter „einfacher Kündigung"?

Rechtsanwalt Kromer: Der Arbeitgeber steht vor der Überlegung, ob er mit seiner Kündigung „durchkommt". Das ist die Frage, welche Kündigungsschutzvorschriften Anwendung finden und warum der Arbeitnehmer gekündigt wird. Wer in einem kleinen Betrieb zum 3. mal beim Diebstahl erwischt wird, hat natürlich deutlich schlechtere Karten als ein schwerbehindertes Betriebsratsmitglied, dessen Nase dem Arbeitgeber nicht mehr passt.

Höhe der Abfindung hängt von der Beschäftigungsdauer ab

123recht.de: Können Sie Anhaltspunkte für die Abfindungshöhe geben?

Rechtsanwalt Kromer: Die Höhe dürfte in den meisten Fällen irgendwo im Bereich zwischen 0,3 und 1,5 Monatsgehältern je Jahr Beschäftigungsdauer liegen.

123recht.de: Was sind weitere zu regelnde Punkte in einem Aufhebungsvertrag?

Rechtsanwalt Kromer: Interessant sind natürlich noch das Beendigungsdatum und eine mögliche Freistellung bis dahin. Hier kann man sich durchaus an den üblichen Kündigungsfristen orientieren. Ein späterer Zeitpunkt der Beendigung ist natürlich interessant für die Suche einer Anschlussbeschäftigung, während der Arbeitgeber natürlich einen möglichst kurzen Zeitraum bevorzugt. Dabei sind so genannte Turboklauseln interessant.

Man einigt sich auf einen Beendigungszeitpunkt, gibt aber dem Arbeitnehmer das Recht, früher auszuscheiden. Um ihm dies schmackhaft zu machen, erhält er zusätzlich zur Abfindung noch einen gewissen Anteil am Gehalt, dass zwischen vorzeitigem Ausscheiden und vereinbarem Beendigungstermin gezahlt worden wäre. Üblich ist hier eine hälftige Teilung.

Zum Aufhebungsvertrag gedrängt worden? Arbeitnehmer ist in der Nachweispflicht

123recht.de: Immer wieder hört man davon, dass Arbeitgeber die entsprechenden Mitarbeiter überrumpeln und zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags drängen. Viele halten diesem Druck anscheinend nicht stand und unterschreiben den vorgelegten Vertrag, bereuen das aber später. Kann man hier etwas machen?

Rechtsanwalt Kromer: Hier gibt es leider die tollkühnsten Geschichten. Arbeitnehmer werden erheblich unter Druck gesetzt, Strafanzeigen oder die Diffamierung bei Kollegen und Familie angedroht. In einem solchen Fall kommt eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages in Betracht. Allerdings muss hierzu eine widerrechtliche Drohung vom Arbeitnehmer nachgewiesen werden. Dies ist in der Praxis nur sehr schwer durchsetzbar. Zudem darf der Arbeitgeber durchaus auch gewisse Handlungen androhen, wenn diese an sich legitim sind. So habe ich Anfang dieses Jahres zum Beispiel in einem Beitrag unter dem Titel "Durch Androhung einer Strafanzeige motivierter Abschluss eines Aufhebungsvertrages – widerrechtliche Drohung?" von einem Fall berichtet, indem – völlig zurecht – eine Strafanzeige angedroht und dies vom Gericht auch als angemessen betrachtet wurde.

123recht.de: Gibt es denn gewisse Punkte, weshalb ein Aufhebungsvertrag unwirksam sein könnte?

Rechtsanwalt Kromer: Eher nein. Nach dem gesetzlichen Grundgedanken handelt es sich hier um einen von beiden Parteien freiwillig geschlossenen Vertrag, in dem keine der Parteien besonders schutzbedürftig wäre. Wie gerade bereits erwähnt, kommt ggf. eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages in Betracht, wenn ich bei Abschluss des Vertrages getäuscht oder zum Abschluss des Vertrages gezwungen wurde. Weiter ist zu beachten, dass nur ein schriftlich abgeschlossener Aufhebungsvertrag wirksam ist.

Arbeitnehmern haben auch nach einem Aufhebungsvertrag Anspruch auf Arbeitslosengeld

123recht.de: Bekomme ich auch bei Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags Arbeitslosengeld?

Rechtsanwalt Kromer: Grundsätzlich ja. Die Agentur für Arbeit kann jedoch eine Sperrzeit verhängen. In § 159 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist eine Sperrzeit von 12 Wochen vorgesehen, wenn der Arbeitslose sein Beschäftigungsverhältnis selbst gelöst hat. Nach Ansicht des Bundessozialgericht (Urteil vom 12.07.2006 – A. B 11a AL 47/05 R) gilt dies jedoch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer durch Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags einer ansonsten drohenden Kündigung aus nicht verhaltensbedingten Gründen zum gleichen Beendigungszeitraum abwenden kann.

123recht.de: Der Arbeitgeber schreibt nun in den Aufhebungsvertrag, dass die Aufhebungsvereinbarung von ihm veranlasst wurde und ansonsten eine betriebsbedingte Kündigung droht. Bin ich damit sicher?

Rechtsanwalt Kromer: Jein. Tatsächlich ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass ein Aufhebungsvertrag keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld auslöst, wenn ich hierdurch einer betriebsbedingten Kündigung entgehen kann. Allerdings müssen hierfür zwei Voraussetzungen auch tatsächlich vorliegen: Der Beendigungszeitpunkt muss mit dem der maßgeblichen Kündigungsfrist zumindest identisch sein. Aber die Behauptung, dass ansonsten eine betriebsbedingte Kündigung erfolgen würde, muss auch zutreffen.

Erst bei Abfindung von 0,5 Monatsgehältern je Beschäftigungsjahr erfolgt Prüfung, ob betriebsbedingte Kündigung drohte

123recht.de: Wie prüft das Arbeitsamt, ob eine betriebsbedingte Kündigung wirklich drohte?

Rechtsanwalt Kromer: Das kann es natürlich nur eingeschränkt. In der Praxis lässt sich beobachten – so hat es das Bundessozialgericht in dem erwähnten Urteil auch angedeutet – dass eine Prüfung dann nicht stattfindet, wenn die Abfindung bei maximal 0,5 Monatsgehältern je Beschäftigungsjahr liegt.

123recht.de: Ist die Abfindung zu versteuern?

Rechtsanwalt Kromer: Auch hier lohnt es sich genau hinzusehen. Die Abfindung, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird, unterliegt zwar der Einkommenssteuer, allerdings nicht der Sozialversicherungspflicht. Während es früher noch einen gewissen Freibetrag gab, findet heute – auf Antrag – die so genannte Fünftelungsregelung nach § 24 EStG in Verbindung mit § 34 EStG Anwendung, so dass ein ermäßigter Steuersatz zu zahlen ist.

Werden durch die Abfindung jedoch auch noch offene Punkte aus dem Arbeitsverhältnis abgegolten, so ist von einer Sozialversicherungspflicht auszugehen.

Keine Berücksichtigung von Urlaub und Überstunden im Abfindungsbetrag

123recht.de: Wie werden offene Punkte in der Abfindung berücksichtigt?

Rechtsanwalt Kromer: Hier ist einfach auf eine saubere Gestaltung des Aufhebungsvertrags zu achten. Regelmäßig werden im Aufhebungsvertrag noch solche offene Punkte geregelt, wie z.B. Abgeltung von übrigem Urlaub und Überstunden. Hier muss eindeutig klar gemacht werden, dass diese nicht in dem Abfindungsbetrag berücksichtigt sind.

123recht.de: Vielen Dank für diese Tipps. Offensichtlich sind hier einige Punkte zu beachten. Können Sie unseren Lesern einen Einblick darüber verschaffen, wie Sie als Rechtsanwalt vorgehen, wenn ein Mandant Sie um Rat fragt?

Rechtsanwalt Kromer: Hier sind zwei unterschiedliche Beratungsfelder zu unterscheiden. Zunächst gibt es den Mandanten, der einen Aufhebungsvertrag vorgelegt und ggf. auch selber (nach-)verhandelt hat und nun einfach noch fachkundigen Rat einholen möchte, ob hier alle wesentlichen Punkte berücksichtigt sind und noch Fallen im Vertrag stecken. Dies ist eine sehr formalisierte Prüfung des Aufhebungsvertrages. Einige Kollegen, wie auch ich, bieten eine solche Prüfung auf www.123recht.de für einen recht überschaubaren Fixpreis im Bereich "Anwalt zum Festpreis" an.

Anders ist natürlich mein Vorgehen, wenn es noch darum geht, Inhalte des Aufhebungsvertrags zu verhandeln. An erster Stelle steht hier eine Bestandsaufnahme. Ich prüfe, ob eine arbeitgeberseitige Kündigung ernsthaft in Betracht kommt und welche Risiken der Arbeitgeber hierbei eingeht. Weiter ist strukturiert zu prüfen, welche weiteren Ansprüche meines Mandanten noch offen sind. Hierzu lasse ich mir beispielsweise den Arbeitsvertrag vorlegen. Oft findet sich hier noch der ein oder andere Punkt, der als zusätzliche Verhandlungsmaße eingebracht werden kann, wie zum Beispiel eine unwirksame Überstundenregelung, etc.

Schließlich vertrete ich auch Arbeitgeber, die einen Aufhebungsvertrag abschließen wollen. Der Ansatzpunkt ist hier letztendlich derselbe.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung. Ich setze mich bundesweit für Ihre Interessen ein.

Rechtsanwalt Kromer
Tannenweg 17
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Leserkommentare
von G.Recht am 09.01.2015 17:42:09# 1
Eine weitere abenteuerliche Herangehensweise eines AG widerfuhr mir in jungen Jahren: Vorlage eines Aufhebungsvertrags, der zwei Wochen zurückdatiert war. Auf meinen diesbezüglichen Einwand drohte man, daß man auch anders könne und das Papier das Haus selbstverständlich nicht verlasse.

Rückblickend auf die Folgezeit sei noch darauf hingewiesen, daß Aufhebungsverträge in Bewerbungsverfahren offensichtlich erklärungsbedürftig sind und zwar mit dem AN in defensiver Rolle.
    
von Rechtsanwalt Johannes Kromer am 10.01.2015 10:14:47# 2
Andererseits bieten Aufhebungsverträge gerade im Bewerbungsverfahren auch Chancen, nämlich dann, wenn man den Beendigungszeitraum relativ spät legt. Viele Arbeitgeber spielen hier mit, da Ihnen bewusst ist, dass sich so der Arbeitnehmer leichter um eine lückenlose Anschlussbeschäftigung bemühen kann. Dies könnte natürlich noch mit der Vereinbarung eines Zwischenzeugnisses kombiniert werden, wobei sich dann freilich die Gretchenfrage stellt, welche Wirkung ein Zwischenzeugnis auf den Personaler des Wunscharbeitgebers hat.