Stalking: Was Opfer tun können
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Der Ex-Partner lässt einen nicht in Ruhe, ein Nachbar ist im Überwachungsmodus, Promis werden von Fans verfolgt. Täglich hört man sowas im Bekanntenkreis oder in den Medien. Stalking kann strafbar sein, aber wann liegt Stalking vor und wie können Opfer sich schützen? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Dr. Voß.
123recht.de: Herr Dr. Voß, wann spricht man von Stalking?
Rechtsanwalt Dr. Voß: Das englische Wort Stalking entstammt ursprünglich dem Gälischen „stalc" bzw. dem Substantiv „stalcaire" und bedeutet übersetzt so viel wie „Jäger" oder „Falkner". Im Englischen bedeutet „to stalk" unter anderem „heranpirschen, jagen". In Deutschland wird neben der Begrifflichkeit „Stalking" auch das deutsche Wort „Nachstellung" verwendet.
Unter dem Begriff „Stalking" wird im deutschen Sprachgebrauch das willentliche und wiederholte bzw. beharrliche Verfolgen oder Belästigen einer Person verstanden. Das Opfer kann durch die Belästigung körperlich und psychisch unmittelbar, mittelbar oder langfristig bedroht oder geschädigt werden. Die Opfer von Stalkern leiden oft unter Folgen, die teilweise mit den Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung vergleichbar sind. Aber nicht zuletzt auch die Täter weisen oft psychische Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen auf.
"12% der Bundesbürger sind mindestens einmal im Leben vom Stalking betroffen"
In der Öffentlichkeit wird Stalking in erster Linie aufgrund prominenter Stalking-Opfer wahrgenommen. Eine Studie des Mannheimer Zentralinstituts für Seelische Gesundheit ergab jedoch beispielsweise, dass etwa 12% der Bundesbürger mindestens einmal im Leben vom Phänomen des Stalkings betroffen sind. Es handelt sich also beim Stalking um ein weit verbreitetes Phänomen mit einer sicherlich hohen Dunkelziffer.
123recht.de: Nicht jede Belästigung ist gleich Stalking. Wo ist dort die Grenze zu ziehen?
Rechtsanwalt Dr. Voß: Vom so genannten „Stalking" kann erst dann gesprochen werden, wenn Belästigungen über längere Zeit anhalten oder sich gar noch steigern und dabei die physische oder psychische Unversehrtheit des Opfers bedroht wird. Vorübergehender Zorn oder Liebeskummer ist hingegen kein Stalking.
Die offizielle präventivpolizeiliche Definition in Deutschland lautet zum Stalking:
„Das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird."Zusammengefasst kann von Stalking also dann gesprochen werden, wenn der Täter durch wiederholte Belästigungen das Opfer in seinem Lebensablauf beeinträchtigt. In besonders schwerwiegenden Fällen kann dies dann sogar strafrechtlich relevant sein.
Häufiger Fall: Opfer soll zu Liebesbeziehung bewegt werden
123recht.de: Was bezwecken die Täter damit und wie erfolgt Stalking in der Regel?
Rechtsanwalt Dr. Voß: Stalking bezeichnet im Grunde ein komplexes Verhalten, bei dem es vor allem um Belästigung, Überwachung, Verfolgung oder ähnliche Verhaltensweisen geht. Häufig versucht der Täter oder die Täterin, das Opfer zu einer Liebesbeziehung zu bewegen oder aber das Opfer zu schikanieren, weil es sich weigert, diesem Ansinnen zu folgen. Im weitesten Sinne kann bei Stalking von „Psychoterror" gesprochen werden, der in der Regel auf der irrigen Annahme des Täters beruht, dass das Opfer diese Form der „Zuneigung" erwidern wird. Sobald der Täter merkt, dass diese Bemühungen erfolglos sind, schlägt die ursprüngliche Motivation gerade in den Fällen, in denen beispielsweise versucht wurde eine Liebesbeziehung zu erzwingen, oft in Hass, Rache oder gar Vergeltung um.
Es kann sowohl Menschen treffen, die zuvor in einer Beziehung mit dem Täter standen, als auch völlig fremde Menschen. Stalking kann sich beispielsweise darin äußern, dass Telefonterror stattfindet, unzählige Liebesbriefe oder Geschenke verschickt werden, Waren oder Zeitschriften auf dem Namen des Opfers bestellt werden, aber es kann sich auch darin äußern, dass der Stalker sein Opfer auflauert, in die Wohnung einbricht, körperliche Gewalt ausübt oder auch Sachbeschädigungen ausübt.
123recht.de: Wer kann Opfer eines Stalkers werden und was sind die Folgen für die Opfer?
Hälfte aller Stalking-Opfer sind Ex-Partner
Rechtsanwalt Dr. Voß: Opfer können Expartner, Arbeitskollegen, flüchtige Bekannte, Prominente und auch dem Täter völlig fremde Personen sein. Etwa die Hälfte der Stalking-Opfer werden allerdings von Ex-Partnern verfolgt.
Stalking-Opfer leben meist in ständiger Angst, dass ihr Leben oder das ihrer Angehörigen in Gefahr ist und leiden daher oft unter Alpträumen, Depressionen, erhöhter Gereizt- oder Schreckhaftigkeit, Panikattacken, Konzentrationsproblemen, um nur eine kleine Auswahl an möglichen Folgen zu nennen. Häufig wird viel Geld für Alarmanlagen und Schutzvorrichtungen oder weitere Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben. Gerade im Falle des Telefonterrors wird in der Regel eine neue Telefonnummer beantragt, die danach geheim gehalten wird. Es kommt unter Umständen zum Arbeisplatz- oder Wohnortwechsel. In besonders schlimmen Fällen können Stalking-Opfer unter den Folgen des Stalkings so sehr leiden, dass sie sogar den Suizid als einzigen Ausweg sehen.
123recht.de: Wie kann ich mich davor schützen?
Rechtsanwalt Dr. Voß: Beim Stalking geht das Verhalten ausschließlich vom Täter aus, ein tatsächlicher und präventiver Schutz vor Stalking ist daher nicht möglich. Jeder kann Opfer von Stalking werden. Menschen, die sehr viel Kontakt zu anderen Personen haben, sind natürlich mehr gefährdet als diejenigen, die sehr wenig Kontakt zur Außenwelt haben. Wer beruflich viel Kontakt zu Menschen hat, einen großen Freundeskreis unterhält oder als Prominenter im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, läuft zwar zumindest aus statistischer Sicht größere Gefahr gestalkt zu werden, doch kann bereits ein Nachbar, Bekannter, ein abgewiesener Liebhaber oder gar der Expartner zum Täter werden. Es ist also faktisch unmöglich, sich vor Stalking effektiv zu schützen.
123recht.de: Angenommen ich werde gestalkt, wie verhalte ich mich am besten?
Rechtsanwalt Dr. Voß: Stalker lassen sich nicht durch Drohungen oder Gespräche von ihrem Verhalten abbringen. Hier ist in der Regel professionelle Hilfe nötig. Trotzdem sollte man, wenn möglich, zunächst dem Stalker sofort und unmissverständlich klar machen, dass kein Kontakt erwünscht ist und diese Haltung sollte dann konsequent, das heißt ohne weitere Gespräche oder Kontakt durch das deutliche Ignorieren weiterer „Annäherungsversuche" beibehalten werden.
Öffentlichkeit kann helfen, Dokumentation ist sinnvoll
Auch Öffentlichkeit kann helfen: Das Opfer sollte sein gesamtes Umfeld, also Familie, Freunde, Arbeitskollegen und Nachbarn informieren. Gleichzeitig sollte man sich nicht scheuen, bei gesundheitlichen Problemen aufgrund des Stalkings ärztliche und psychotherapeutische Hilfe aufzusuchen.
Sinnvoll ist es, zunächst alles zu dokumentieren, was der Stalker schickt, mitteilt oder unternimmt. Es gilt Beweise zu sammeln, damit, falls notwendig, erfolgreich durch gerichtliches Vorgehen oder im Rahmen eines Strafantrags oder einer Strafanzeige gegen den Stalker vorgegangen werden kann. Diese Dokumentation umfasst beispielsweise das Sammeln von E-Mails oder SMS, das direkte Ansprechen von Zeugen im Falle von Auflauersituationen, aber unter Umständen eben auch das Besorgen eigener ärztlicher Atteste usw.
In der Regel empfehlen sich dann zivilrechtliche Schritte. Hier kommen insbesondere Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatz und/oder Schmerzensgeldansprüche in Betracht. Zudem kann seit 2002 eine gerichtliche einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt werden, die dem Stalker bestimmte Verhaltensweisen untersagen und u.a. Näherungsverbote auferlegen kann. Die Opfer haben damit die Möglichkeit gerichtliche Schutzanordnungen gegen den Stalker zu erlangen. Verstößt der Stalker gegen eine solche Verfügung, stellt dieser Verstoß ein strafbares Verhalten wegen Missachtung einer gerichtlichen Anordnung dar.
123recht.de: Alles hilft nichts, im gegenteil: Der Stalker bedroht mich nun auch noch massiv, was soll ich jetzt tun?
In akuten Fällen sofort zur Polizei
Rechtsanwalt Dr. Voß: In akuten Fällen, etwa wenn der Stalker das Opfer verfolgt, in die Wohnung eindringt oder einen Angriff ankündigt, sollte sofort die Polizei informiert werden.
Seit März 2007 existiert der § 238 StGB, der bestimmte Stalkinghandlungen explizit unter Strafe stellt. Zudem verwirklichen Stalker durch ihr Verhalten oft weitere Straftatbestände des Strafgesetzbuches wie etwa den Hausfriedensbruch nach § 123 StGB, falsche Verdächtigung nach § 164 StGB, Beleidigungsdelikte nach §§ 185ff. StGB, Ausspähen von Daten nach § 202a StGB, Nötigung nach § 240 StGB, Bedrohung nach § 241 StGB, Sachbeschädigung nach § 303 StGB und Körperverletzungsdelikte nach §§ 223ff StGB, um nur einige exemplarisch aufzuführen.
Unter Umständen kann eine Strafanzeige oder ein entsprechender Strafantrag durchaus ein sinnvolles Vorgehen sein, gerade dann, wenn die Lebensgestaltung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt wird. Man kann davon ausgehen, dass Stalker in den meisten Fällen nicht das Unrecht ihrer eigenen Handlungen erkennen. Je länger das Opfer mit Maßnahmen wartet, desto mehr spielt sich das Verhalten des Stalkers gewissermaßen ein. Es empfiehlt sich deshalb in jedem Fall dringend anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen, damit das richtige Vorgehen gegen den Stalker ausgelotet werden kann.
123recht.de: Vielen Dank Herr Dr. Voß.
Beschluß des LG Bielefeld 8o521/04: <a class="textlink" rel="nofollow" href="http://www.justizfreund.de/beitraege/lg8o52104bi.pdf" target="_blank">http://www.justizfreund.de/beitraege/lg8o52104bi.pdf</a>
Zu beachten dabei ist folgendes:
Wie es auch im Unterlassungsanspruch verankert ist sind auch Kontakte über andere Personen wie zB. einen Rechtsanwalt nicht mehr möglich. Das ergibt sich aus dem Unterlassunganspruch einmal selbst. Desweiteren ist in dem Fall der mehrfach auf Unterlassung verurteilte (Insgesamt von 10 Richtern) auch verurteilt worden, weil er der Gegenseite hat Schriftstücke über seinen Anwalt zukommen lassen.
Da ist auch ein wiedersprüchlicher Fehler in der Entscheidung. Das Kontaktverbot soll die Belästigung durch Schriftstücke gänzlich minimieren. Wenn man nun (die gleichen) Schriftstücke der Gegenseite über einen Anwalt oder das Gericht etc. zukommen lassen kann wo ist dann die Minimierung?
Dieses Kontaktverbot hat den grossen Vorteil, dass einem der Stalker nicht einmal mehr Schriftstücke über das Gericht zukommen lassen kann. Dieser ist einem also gegenüber vollkommen rechtlos gestellt und das Kontaktverbot gilt Lebenslang bzw. 30 Jahre.
Im genannten Fall des LG-Bielefeld hat der auf Unterlassung verurteilte Stalker 4 Gerichtsverfahren gegen die gestalkte geführt und diese auch damit gestalkt. (Die Verfahren wurden dann letztlich allerdings zu 100% gewonnen wobei der Stalker in einem Verfahren noch gelobt wurde wie zuvorkommend und kostensparend er gegenüber der Gestalkten gehandelt hat. Auch ein Verfahren wegen eines Prozessbetrugs. Da gemäss der Entscheidung des OLG-Hamm der auf Unterlassung in Anspruch genommene Stalker der Gestalkten auch Prozessbetrug nicht vorwerfen durfte ist fraglich wie man dann ein Verfahren wegen Prozessbetrug gewinnen soll. Davor ist man also auch geschützt).
In den 2 letzten Gerichtsverfahren (2 waren schon gewonnen) hat der Stalker dem Gericht den Unterlassungsbeschluss zugesendet, dass er der Gestalkten keine Schriftstücke mehr zukommen lassen darf und sonst bis zu 125000 EUR zahlen muss oder bis zu 6 Monate in den Knast kommt. Die beiden Gerichte haben dann korrekterweise in den beiden Verfahren der Gestalkten keine Schriftstücke des Stalkers mehr zukommen lassen.
Das ist eine Gefahr, weil so konnte der Stalker die Gerichtsverfahren einfacher gewinnen.
Man sollte also als Gestalkte in dem Unterlassungsantrag Schriftstücke, die der Stalker in anhängigen Gerichtsverfahren an das Gericht schickt rausnehmen.
Das Kontaktverbot kann man dann natürlich evtl. noch auf persönliche Kontakte ausdehnen. Wenn es so einfach nur für Schriftstücke verhängt werden kann (Ist so gemäss 10 Richtern, die an dem Verfahren direkt beteiligt waren und gemäss etwa weiterer 20 Richter ), dann kann ein Kontaktverbot für persönliche Kontakte gar kein Problem sein.
Auch wenn in der Entscheidung steht, dass das Kontaktverbot für jeden gilt, für Richter gilt es nicht (Entscheidung habe ich allerdings jetzt nicht vorliegen).