Das Recht zu schweigen

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Schweigerecht: Was es bedeutet, was es nutzt und was beachtet werden sollte

„Sie haben das Recht zu schweigen." Das Fernsehen dürfte weitgehend dazu beigetragen haben, dass nahezu jedermann hierzulande diesen Satz kennt und weiß, dass er in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren nicht zur Aussage verpflichtet ist. Rechtlich betrachtet folgt das schon aus der von der Verfassung garantierten Menschenwürde, aufgrund derer niemand gezwungen werden kann, aktiv an der eigenen Strafverfolgung mitzuwirken. Die Strafprozessordnung setzt den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit in verschiedenen Vorschriften, etwa dem § 136 StPO voraus, der Strafverfolgungsbehörden verpflichtet, einen Beschuldigten vor der ersten Vernehmung ausdrücklich über dieses Recht zu belehren. Nachteile dürfen ihm aus der generellen Schweigsamkeit nicht erwachsen.

Jedem, der in die Situation gerät verdächtigt zu werden ist dringend anzuraten, sich umfassend auf dieses starke prozessuale Recht zu berufen.

Matthias Düllberg
Partner
seit 2010
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht
Grabenstraße 38
44787 Bochum
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Jugendstrafrecht, Verkehrsstrafrecht, Ordnungswidrigkeiten, Verwaltungsrecht
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Warum sollten Beschuldigte schweigen?

Der Beschuldigte kennt in den seltensten Fällen zu Beginn einer Vernehmung wirklich alle Umstände, auf die sich der bestehende Verdacht stützt. Allenfalls besteht eine mehr oder weniger zutreffende Ahnung davon, was die Ermittlungspersonen zur Grundlage ihrer Tätigkeit machen und es ist nicht davon auszugehen, dass diese ihr bereits erlangtes Wissen kundtun, bevor sie mit der Vernehmung beginnen. Noch weniger allerdings werden von der Strafjustiz bislang verschonte Menschen in der Lage sein, die juristische Tragweite einer Äußerung zu überblicken. Die Straftatbestände des StGB sind mitunter komplex und im Einzelfall kann es auf Nuancen ankommen, die in einer Vernehmungssituation alles andere als offensichtlich sind. Selbst augenscheinlich entlastende Angaben können unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt vor dem Hintergrund eines Straftatbestandes sehr schnell in ihr Gegenteil verkehrt werden und erheblichen Schaden für die weitere Verteidigung anrichten. Beiläufige und vermeintlich nebensächliche Angaben bergen mitunter die nicht zu unterschätzende Gefahr weiterer Ermittlungsansätze; jedenfalls wenn sie nicht zur bis dato unbekannten „Aktenwahrheit" passen.

Sinnvoller als unvorbereitet mit einem kriminaltaktisch agierenden Vernehmungsprofi zu reden ist angesichts dessen, zunächst die Ermittlungsakte einzusehen und sich anhand derer über den Sachverhalt und die daraus resultierenden rechtlichen Fragestellungen zu informieren. Wenn danach eine Einlassung zur Sache tatsächlich hilfreich ist, kann diese im Interesse eines fairen Verfahrens immer noch unter Berücksichtigung aller vorliegenden Informationen erfolgen.

Klingt einfach - ist es aber oft nicht

So einfach und naheliegend, wie es sich anhören mag, auf erhobene Vorwürfe den Mund zu halten, ist es in der konkreten Situation allerdings nicht immer. Menschen neigen dazu, sich zu rechtfertigen und versuchen, gerade wenn sie mit einem unangenehmen Vorwurf konfrontiert werden, Angelegenheiten aus der Welt zu schaffen. Dieser Drang sollte schon für sich genommen nicht unterschätzt werden.

Erst recht nicht, da Ermittler sich dessen absolut bewusst sind und ihn häufig taktisch nutzen, um trotz Schweigerechtes Angaben eines Beschuldigten „in die Akte" zu bekommen.

Vorsicht ist auch außerhalb von Vernehmungen geboten

Stellen Sie sich doch einmal die Situation einer Verkehrskontrolle vor. Viele werden zumindest jemanden kennen, der zu berichten weiß, dass so ein Gespräch mit den Worten begann:

„Guten Tag, können Sie sich vorstellen, warum wir Sie anhalten?"

Bloß eine simple Frage mit offensichtlichem Hintergrund. Wird sie nicht mit „Nein" beantwortet besteht ein Ermittlungsansatz. Es kommt nicht mehr unbedingt darauf an, dass bereits vorher ein entsprechender Verdacht bestand. Dasselbe Prinzip liegt weniger offensichtlich manch einer kurzen Plauderei zugrunde, die Polizeibeamte gern möglichst beiläufig an mutmaßlichen Tatorten beginnen. Die bereits angesprochene erforderliche Belehrung, ohne die eine Einlassung unverwertbar wäre, muss erst vor Beginn der verantwortlichen Vernehmung erfolgen. Einfache Fragen oder ungezwungene Plaudereien gehören jedenfalls dann nicht dazu, wenn seitens der Beamten (nach Aktenlage) noch gar keine Entscheidung darüber getroffen wurde, ob der Gesprächspartner überhaupt beschuldigt werden soll, oder wenn es noch keine Gelegenheit zur Belehrung gegeben hat. Hierbei handelt es sich um sog. „Spontanäußerungen", die dann auch als solche zur Akte genommen werden.

Wenn der Beschuldigte es vermieden hat, sich spontan zu äußern und nach ordnungsgemäßer Belehrung bereits erklärt hat, zur Sache schweigen zu wollen, liest man in Protokollen immer wieder den schmalen Hinweis, der Beschuldigte habe sich „nun doch" geäußert. Vorausgegangen sind häufig selten protokollierte, vermeintlich zwanglose Gespräche, die erst langsam zum Kern der Sache führen oder die Überredungskünste der Beamten. Letztere suggerieren dem Beschuldigten häufig genau die Aktenwahrheit, die er, würde er schweigen, zunächst überprüfen könnte und sollte. Ein Beispiel hierfür ist sicher der beliebte Hinweis, dass ohnehin schon alles bekannt sei und dass es doch nun wirklich im eigenen Interesse liege, reinen Tisch zu machen, um die Strafe zu mildern. Oder man bedient sich gleich den offensichtlichen Sorgen und Befürchtungen, etwa vor einer unangenehmen Verzögerung der Angelegenheit und einem horrenden Verteidigerhonorar.

Selbst wenn derartige Behauptungen vollkommen aus der Luft gegriffen sind - vernehmende Polizeibeamte haben keine Befugnis, über den weiteren Verfahrensgang oder die Höhe eine Strafe zu entscheiden - fällt es Beschuldigten mitunter sehr schwer, sich der Argumentation zu entziehen. In besonderem Maße gilt das, wenn sie sich dem Einfluss der Ermittler zwangsweise ausgesetzt sehen, etwa weil sie sich in einer Durchsuchungssituation befinden oder festgenommen wurden und dringende Angelegenheiten zu regeln sind. Die Hoffnung auf eine baldige Freilassung wirkt nachvollziehbar regelmäßig aussagefördernd.

Was gilt es zu beachten?

Wenn Sie selbst mit so einer Situation konfrontiert sind, sollten Sie diese Dinge im Hinterkopf behalten und, jedenfalls wenn Sie beabsichtigen, im weiteren Verfahren einen Verteidiger hinzuzuziehen, die Aussage verweigern. Machen Sie deutlich, dass Sie nichts zur Sache sagen wollen und halten Sie daran fest. Einzig zur Angabe Ihres Vor-, Familien- und Geburtsnamens, den Ort und Tag Ihrer Geburt, Ihrer Anschrift, der Staatsangehörigkeit, den Familienstand, und Ihren Beruf sind Sie bußgeldbewehrt (§ 111 OWiG) verpflichtet.

Vorladungen der Polizei müssen Sie nicht Folge leisten. Die Termine sollten Sie absagen, Anhörungsbögen ebenfalls nicht beantworten. Im Gespräch mit den Beamten sollten Sie natürlich freundlich bleiben, sich andererseits aber nicht in eine Diskussion verstricken lassen. Sofern Sie dem Einfluss der Ermittler unfreiwillig ausgesetzt sind, gilt nichts anderes. Sie haben aber das Recht, in jeder Lage des Verfahrens einen Verteidiger zu konsultieren. Darauf sollten Sie bestehen. Lassen Sie sich nicht unter Zeitdruck setzen. Ihr Verteidiger wird sie schnellstmöglich aufsuchen und alles weitere mit Ihnen besprechen. Sagen Sie den Beamten, dass Sie gehen möchten, wenn es Ihnen freisteht und dass Sie unverzüglich Ihren Anwalt kontaktieren möchten, sofern das nicht der Fall ist.

Und danach?

Auch im weiteren Verfahren, selbst vor Gericht ist die Schweigsamkeit des Beschuldigten/Angeklagten eine sehr starke Position. Der stichhaltige und unumstößliche Beweis der eigenen Unschuld ist in einem Strafverfahren rechtlich nicht erforderlich und tatsächlich häufig auch nicht zu führen. Vielmehr geht es darum, das in die Akte gezeichnete Bild in Zweifel zu ziehen und sich mit den Beweismitteln, die dieses Bild belegen, kritisch auseinanderzusetzen. Vieles von dem, was dazu nötig ist, kann ebenso gut mittels Beweisanträgen und ähnlichem zu Gehör gebracht werden, ohne die eigene Position zu opfern. Schweigen bedeutet also gerade nicht, passiv abzuwarten, ob Staatsanwälte und Richter diesem oder jenem Zeugen glauben und dann der Verurteilung entgegenzusehen. Es bedeutet letztlich, die jeweiligen Entscheidungsträger dazu zu bringen, sich unter Beachtung der Unschuldsvermutung kritisch mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen, ohne sich dabei in der Bewertung der Einlassung eines Beschuldigten/Angeklagten zu verlieren.

Fragen, Anmerkungen, Kritik?

Wenden Sie sich gern an

M.Düllberg
Rechtsanwalt
-Fachanwalt für Strafrecht-

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44803 Bochum

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Leserkommentare
von MBGucky am 05.03.2015 21:34:10# 1
Ein sehr aufschlussreicher Artikel. Vielen Dank dafür, auch wenn ich alles daran gebe, nie in diese Situation zu kommen.

Mir stellt sich nur die Frage, was ich denn mache, sollte es dann doch mal passieren?
Ich vermute mal, dass niemand der zum ersten Mal festgenommen wird oder bei dem eine Hausdurchsuchung stattfindet zufällig die Telefonnummer eines Anwalts im Kopf hat.

Rufe ich dann einfach die Auskunft an und lasse mich verbinden? Wäre mir von der Polizeiwache aus ja ziemlich egal, aber von zu Hause aus ist das sicherlich recht teuer. Und wie zuverlässig ist das? Erreicht man in einer Anwaltskanzlei rund um die Uhr jemanden?
    
von Rechtsanwalt Matthias Düllberg am 09.03.2015 11:31:18# 2
Die Auskunft wird Ihnen in der Tat eher selten weiterhelfen können. Wenn Sie aber selbst einen Verteidiger bennen können, besteht die Möglichkeit, dass die Beamten Ihnen beim Herausfinden der Telefonnummer helfen. Viele Kanzleien haben Notfallnummern eingerichtet, über die sie auch außerhalb der Bürozeiten erreichbar sind. Falls das nicht der Fall ist, können Sie Freunde oder Verwandte bitten, sich darum zu kümmen. Sofern auch das keine Option (mehr) ist, bestehen Sie darauf, sich zumindest an den örtlichen Anwaltverein wenden zu können, der häufig immer noch besser weiterhelfen kann, als die Auskunft.
Wie zuverlässig das allerdings zur Auswahl eines geeigneten Verteidigers ist, kann ich nur schlecht prognostizieren, zumal das persönliche Vertrauen gerade in diesem Bereich nicht zu unterschätzen ist.