Was tun bei Verhaftung / Festnahme / U-Haft?

Mehr zum Thema: Strafrecht, Verhaftung, Untersuchung, U-Haft, Festnahme
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Das Wichtigste: Mit niemandem sprechen und einen Anwalt hinzuziehen!

Wenn Sie, Ihr Mann, Ihre Frau, Ihr Lebensgefährte/in, Partner, Kind, Freund, Bekannter oder Verwandter verhaftet wurde sollten Sie zwei Dinge beachten:
Sofort einen Anwalt anrufen! Sobald man verhaftet wurde hat man einen Anspruch darauf einen Anwalt zu konsultieren und zwar unabhängig davon, ob man sich einen Anwalt leisten kann – Stichwort Pflichtverteidiger. Keinerlei Aussagen machen! Auch keinen Smalltalk mit den Beamten, auf keine Fragen den Sachverhalt betreffend antworten und auch nicht mit Dritten wie z.B. Mitgefangenen sprechen.

Kurzer Überblick:

Zunächst ist zwischen der (vorläufigen) Festnahme und der Verhaftung aufgrund eines Haftbefehls zu unterscheiden: Die vorläufige Festnahme (zu der jedermann berechtigt ist, wenn der Täter auf frischer Tat getroffen und flüchtig ist) wird von Polizei und Staatsanwaltschaft dann vollzogen, wenn sie davon ausgehen, dass die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen. Dabei ist die Festnahme aber zeitlich begrenzt. Der Festgenommene ist unverzüglich, spätestens aber am Tag nach der Festnahme einem Richter vorzuführen, sofern er nicht vorher schon entlassen wird. Der Richter prüft dann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls vorliegen (Dringender Tatverdacht und ein Haftgrund wie Flucht, Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr, Wiederholungsgefahr oder das Vorliegen einer schweren Straftat).
Andererseits kann ein Haftbefehl bereits bestehen, bevor eine Festnahme erfolgt. In diesem Fall ist der Verhaftete nach der Festnahme unverzüglich einem Richter vorzuführen, welcher den Haftbefehl verkündet und prüft, ob Untersuchungshaft angemessen ist. Daneben gibt es weitere Gründe für eine Verhaftung, wie den Vorführungshaftbefehl bei Ausbleiben in der Hauptverhandlung und den Vorführungs- oder Haftbefehl nach Aufforderung zum Antritt der Strafe bzw. im Zivilrecht zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung. Um diese "Sonderformen" soll es hier jedoch nicht gehen.

Ablauf der Verhaftung:

Eine Verhaftung gehört zu den einschneidensten Rechtseingriffen des Staates. Nicht selten werden Haftbefehle völlig unerwartet von der Polizei vollzogen(meist in den frühen Morgenstunden), sodass der Beschuldigte völlig vor den Kopf gestoßen ist. Dies geschieht oftmals aus reinem Kalkül der Ermittlungsbehörden, um den überraschten und dem plötzlich aus der Freiheit entrissenen Beschuldigten einen schier unerträglichen Druck zu bereiten und zu einem vorschnellen Geständnis zu bewegen. Nicht selten hört man Sätze wie: "Wenn Sie´s nicht waren, dann können Sie ja sagen wie es war" oder "Wenn Sie´s zugegeben, dann kann der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt werden, weil dann eine Milderung in Betracht kommt" usw...

Was sollte der Verhaftete also tun:

Der Verhaftete ist auf Grund der Situation völlig überfordert, klare Gedanken zu fassen. Fehler im Ermittlungsverfahren, wie vorschnelle Aussagen oder übereilt zugestimmte Deals, können kaum rückgängig zu machende Konsequenzen für ein späteres Verfahren nach sich ziehen. Deshalb ist tunlichst anzuraten, nach einer Verhaftung sofort einen spezialisierten Anwalt (Strafverteidiger) zu kontaktieren. Es ist jedem zu raten bloß keine Aussage zu machen (auch Dritten gegenüber nicht), unschuldig oder nicht! Denn auch dem völlig Unschuldigen kann eine Aussage bei der Polizei das "Genick" brechen. Denn die Polizei legt nicht selten eine äußerst suggestive Fragetechnik an den Tag und protokolliert das Gesagte nicht wörtlich, sondern nur inhaltlich. Mit anderen Worten heißt das, dass der Polizist letztlich das in seinen Computer schreibt oder diktiert, was er meint verstanden zu haben, nicht was der Beschuldigte wörtlich gesagt hat. Daher auch nicht versuchen die Vorwürfe "ganz schnell zurechtzurücken" oder "klarzustellen".

Was kann der Anwalt tun:

In der anwaltlichen Praxis ist zunehmend festzustellen, dass Haftbefehle vorschnell und rechtlich falsch erlassen werden, sodass nicht selten gute Chancen bestehen, einen Haftbefehl aufheben oder zumindest außer Vollzug setzen zu lassen. Das hat die sofortige Freilassung des Festgenommenen zur Folge. So werden etwa 90% aller Haftbefehle auf die sog. Fluchtgefahr als Haftgrund gestützt ohne dass dies rechtlich korrekt begründet, geschweige denn die Tatsachen aus denen sich die vermeintliche Fluchtgefahr ergeben soll, überhaupt ermittelt werden. Auch die Tatsache, dass der Haftbefehl einen sog. dringenden Tatverdacht fordert, also die Annahme einer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegebenen Verurteilung, wird oftmals übersehen und nicht ausreichend dargelegt, worauf sich dieser Verdacht begründet. Schließlich darf ein Haftbefehl auch nicht unverhältnismäßig sein, das heißt er muss im Verhältnis zu der zu erwartenden Rechtsfolge stehen, was ebenfalls all zu oft nur pauschal angenommen wird, ohne diese Voraussetzung aber tatsächlich zu prüfen.

Ein guter Anwalt wird also alles daran setzen, rechtliche aber auch tatsächliche Fehler eines Haftbefehls zu prüfen und dann ggf. entsprechende Rechtsmittel gegen den Vollzug oder den Haftbefehl selbst einzulegen.  Der Mandant muss hingegen unbedingt obige Anweisungen beachten und keines Falls irgendwelche Angaben machen, weder gegenüber der Polizei noch Dritten (insbesondere Mithäftlingen).

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